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U-18 Wahl in SiegburgWas den Wählern von morgen wichtig ist

Lesezeit 4 Minuten
Eine junge Frau öffnet eine Plastikkiste, die mit den Logos verschiedener Parteien beklebt ist: Die Logos der Linken, SPD und CDU sind sichtbar.

Die musizierende Wahlurne hat Chiara Lüddemann mit den Kulturcafé-Besuchern gebastelt.

Bei der U18-Wahl können alle, die noch zu jung für die Bundestagswahl sind, ihre Stimme abgeben - zum Beispiel im Siegburger Kulturcafé.

Was steht im Wahlprogramm der Parteien? Was passiert eigentlich mit der Erst- und mit der Zweitstimme? Und: Wo setze ich mein Kreuz? Fragen, die sich andere vor ihrer ersten Wahl stellen, können Jugendliche schon bei der bundesweiten U18-Wahl für sich beantworten. Bis zum 14. Februar um 18 Uhr können alle mitmachen, die jünger als 18 Jahre sind und sich in Deutschland aufhalten.

Das Siegburger Kulturcafé ist in diesem Jahr zum ersten Mal als Wahllokal dabei. Eine selbstgebastelte Wahlurne steht auf dem Tresen des Kulturcafés, beklebt mit den Logos der größeren zur Wahl stehenden Parteien. Öffnet man den Deckel, um einen Stimmzettel einzuwerfen, ertönt Musik aus der Kiste.

Viel Gesprächsbedarf über kontroverse Positionen

Im Keller des Kulturcafés ist hinter einem Vorhang eine Wahlkabine zu finden. Gewählt wird auf Wahlunterlagen, die genauso aussehen wie die Originale. Das bundesweite Projekt „U18“ hat sie neben Infoplakaten, Flyern zu den Wahlprogrammen et cetera bereitgestellt. „Das ist echt großartig organisiert und super niedrigschwellig, da mitzumachen“, lobt Andreas Wabnik, der das Kulturcafé leitet.

Zwei junge Leute sitzen an dem Tresen einer Bar, dahinter stehen zwei Frauen und unterhalten sich mit ihnen. Es hängt eine Regenbogenflagge an der Wand, die beschriebene selbstgebastelte Wahlurne steht auf dem Tresen.

Zum ersten Mal wurde das Siegburger Kulturcafé wurde zum Wahllokal für die U18-Wahl. Mona Wolf, Chiara Lüddemann und ihr Team haben die Jugendlichen darauf vorbereitet.

Man gebe damit denjenigen eine Stimme, die gern wählen wollen, das aber nicht dürfen. Dazu schaffe man die Möglichkeit, das demokratische System Deutschlands einmal mit den Jugendlichen durchzuspielen, „und da natürlich auch über kontroverse Positionen zu sprechen, die im Wahlkampf ja doch recht lautstark vertreten werden“, sagt Wabnik. „Die Jugendlichen haben da 'ne Meinung zu, und da gibt es natürlich auch viel Gesprächsbedarf.“

Viele Jugendliche verstehen schon, dass da auf komplexe Fragen oft verkürzte Antworten gegeben werden.
Andreas Wabnik über populistische Parteien

Bei der Europawahl 2024 zeigten sich viele Menschen schockiert über die hohen Zustimmungswerte, die Jugendliche der AfD entgegenbrachten. Er beobachte im Kulturcafé relativ wenige Jugendliche, die populistischen Aussagen zustimmten, berichtet Wabnik: „Viele Jugendliche verstehen schon, dass da auf komplexe Fragen oft verkürzte Antworten gegeben werden.“ Unter den Stammgästen im Kulturcafé gebe es jedoch Diskussionsbedarf zu Fragen wie „Warum sprechen jetzt plötzlich auch große Parteien Themen an, die früher nur die AfD thematisiert hat?“

Ein Mann steht in einem Treppenhaus, daneben ist ein Schild, auf dem „Wahlkabine“ steht, ein Pfeil deutet nach unten.

Andreas Wabnik leitet das Siegburger Kulturcafé.

Oft stellen Jugendliche Fragen à la „Wenn ich das und das will, was wähle ich?“, beschreibt Wabnik. „Wir sagen dann natürlich, ‚ich werde dir nicht deine Wahlentscheidung vorwegnehmen‘. Aber wir versuchen, tiefer in die Themen einzusteigen, sodass die Jugendlichen ihre Wahl selbst treffen können.“ Man bemühe sich, möglichst breitgefächerte Informationen bereitzustellen und auch über Fakenews zu sprechen.

Migration, Inflation, Klimapolitik, Bildung und queere Rechte

In den vergangenen Tagen hat das Kulturcafé bereits mehrere Veranstaltungen speziell zur Wahlvorbereitung organisiert. Beispielsweise konnten Jugendliche beim Theaterprojekt „Freeze Politics“ über die Einstellungen der Parteien zu aktuellen Themen ins Gespräch kommen. „Mir fällt auf, dass die Jugendlichen in Gesprächen über die Wahlprogramme relativ klar nachgehakt haben - zum Beispiel, wenn es um das Thema Bildung und Schulgestaltung geht“, sagt Wabnik.

Viele Kinder und Jugendliche übernehmen die Meinungen ihrer Eltern, ohne groß darüber nachzudenken.
Chiara Lüddemann

Sammy Hanikel (21) arbeitet ehrenamtlich für das Kulturcafé. Die Jugendwahl hält Hanikel für ein wichtiges Projekt, da im Politikunterricht nach eigener Erfahrung wenige zielführende Informationen vermittelt würden: „Sehr viele Jugendliche informieren sich deswegen vor allem über soziale Medien. Und da ist die AfD sehr präsent“, schildert Hanikel, „man merkt, dass die Linke da jetzt nachrückt - andere Parteien aber nicht unbedingt.“

Eine junge Frau zieht einen Vorhang zur Seite, der den Blick auf einen Tisch freigibt, wo zwei Kugelschreiber liegen. Daneben steht ein Schild mit der Aufschrift „Wahlkabine“.

Chiara Lüddemann zeigt die Wahlkabine im Keller des Kulturcafés.

„Viele Kinder und Jugendliche übernehmen die Meinungen ihrer Eltern, ohne groß darüber nachzudenken“, beobachtet Chiara Lüddemann, „da geht es dann viel um Migration, Wirtschaft, Inflation, aber auch um Klimapolitik.“ Auch Rechte queerer Menschen seien für die Wahlentscheidung der Jugendlichen im Kulturcafé ein wichtiges Thema, so Lüddemann.

Die 22-Jährige arbeitet als duale Studentin in dem Siegburger Jugendzentrum. Es sei wichtig, Jugendlichen früh Anreize dazu zu geben, sich eine eigene Meinung zu bilden: „Im Endeffekt gestalten diese Jugendlichen später auch die Politik mit.“

„Erwachsene sind oft erstaunt darüber, was die Jugendlichen teilweise schon für differenzierte Meinungen haben“, sagt Andreas Wabnik, „aber wenn man beachtet, dass einige von ihnen ja schon hätten wählen können, wenn die Wahl nicht vorgezogen worden wäre, dann ist man ja sehr froh darüber.“

Um 18 Uhr am Freitag, 14. Februar, schließen die Wahllokale der U-18-Wahl, neun Tage vor der „richtigen“ Bundestagswahl. Sobald die Ergebnisse da sind, haben Wabnik und sein Team vor, mit den Kulturcafé-Besucherinnen und Besuchern darüber zu sprechen und auch die realen Koalitionsverhandlungen gemeinsam zu beobachten.