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Sperrstunde in SiegburgGastwirte sehen in der Sperrstunde „eine Katastrophe“

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In eine wetterfeste Außengastronomie hat Sion-Wirt Augustin Bagaric investiert. Aber auch hier müssen um 23 Uhr die Lichter ausgehen. Fotos: Krantz

Siegburg – Das Radfahren ist hier verboten, Lieferverkehr ist an Werktagen bis 11 Uhr erlaubt. Seit Freitag hängt ein weiteres Schild an den Zugängen zur Fußgängerzone in der Innenstadt: „Maskenpflicht“ steht da; nur mit Mund- und Nasenschutz geht es ab hier weiter.

Nicht alle befolgen Regeln

„Ich finde es richtig, dass das Bewusstsein für das Virus geschärft wird“, kommentiert Maria Kleinebrahm, Lehrerin aus Siegburg, die neue Allgemeinverfügung. Sie glaube aber nicht an die Wirkung von „Verzweiflungstaten wie Sperrstunde, Beherbergungsverbot oder Maskenpflicht im Freien“. Natürlich halte sie sich dennoch an die Regeln. Das tut am Samstag um die Mittagszeit noch nicht jeder: „Maske auf und runter vom Fahrrad“ müssen Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts einen jungen Mann ermahnen. Nicht immer sitzt auch bei anderen Passanten die Maske am richtigen Ort. Und dennoch: „Die meisten halten sich daran“, hat Markthändler Marcel Breuker beobachtet. Auch wenn es für viele „schwer zu verstehen“ sei, dass sie im Freien zur Maske verpflichtet seien. Allerdings gelte das ja auf dem Wochenmarkt ohnehin schon seit Monaten. Die Ruhe auf dem Platz führt er auf Ferienzeit und die Urlaube einiger Kollegen zurück.

in der Innenstadt, Straßengesang ist dort schon seit Monaten nicht mehr erlaubt.

Für die Verantwortlichen im Rathaus sind die verschärften Auflagen „eine notwendige Schutzmaßnahme“, um einen weiteren Anstieg der Corona-Infektionszahlen möglichst zu verhindern. „Es geht nicht anders“, glaubt auch Klaus Regber aus Wolsdorf an die Wirkung von Masken. Einer Sperrstunde traut der Wolsdorfer allerdings weniger positiven Effekt zu. „Da wird ja schon gut auf die Abstände geachtet, die Kellner haben Maske auf.“ Vom Essengehen oder Kegeln hat ihn die Pandemie auf jeden Fall bisher nicht abhalten können. Die Nöte der Gastronomie hat Jose Marquef aus Lohmar im Blick. „Das ist für die Leute schlecht, die damit ihr Brot verdienen“, doch müsse man ja „Maßnahmen ergreifen“.

„Eine Katastrophe“ ist die Sperrstunde für Spiridon Batzonis. „Die machen uns langsam kaputt“, sagt der Wirt der Traditionskneipe „Em Stüffje“ an der Kaiserstraße. Wie lange er noch durchhalten kann, weiß er an diesem Samstagabend nicht. Ihm fehlen durch die Beschränkungen Stunden des Geschäfts, schon die Einbußen aus dem Lockdown „kriegen wir ja nie wieder rein“.

Bis weit nach Mitternacht bedient normalerweise Spiridon Batzonis seine Gäste im „Stüffje“ an der Kaiserstraße.

Zweifel am Sinn der Sperrstunde äußern auch die Gäste. „Nach 23 Uhr steckt man sich doch nicht schneller an als vorher“, sagt Ludger Wieja aus Lohmar. „Es bringt nix“, ist Augustin Bagaric vom Sion im S-Carre überzeugt. „Die Leute gehen dann nach Hause und feiern dort weiter“. Wie alle Gastronomen habe auch er den Sommer über viel für ein gutes Hygienekonzept getan. Für den nahenden Winter hat er in eine erweiterte wettergeschützte Außengastronomie investiert. „Wir tun von uns aus das beste“, stellt er klar. „Jeder sollte für sich selber aufpassen“. Hat er Sorge vor der Zukunft? „Einen zweiten Lockdown wird keiner überleben“.

Finanzielle Einbußen sind das eine, sagt Daniel Weber aus dem „Fass“ an der Luisenstraße. Für ihn geht von der Sperrstunde aber auch Symbolkraft aus: Das strikte Ende eines Abends im Lokal, um 23 Uhr muss kassiert sein, die Gäste auf der Straße stehen. Die Beschränkung der Gruppengrößen hat dem Lokal Stornierungen eingetragen, „viele rufen an und fragen, ob sie denn kommen können“. Den Ärger dürfe man aber nicht an die Gäste weitergeben. „Sonst kommen die nicht mehr.“

30 Prozent Umsatzminus

„Da hat man ja gar keine Lust mehr“, kommentiert eine Besucherin im „Kapellchen“ die Nachricht von der Sperrstunde. Natürlich komme sie weiterhin, versichert sie beim Abschied dem Wirt Dirk Manzei. Auf 30 Prozent beziffert der dennoch sein Umsatzminus, zumindest am Freitag und Samstag. Dabei könne man „sicherer als in der Gastronomie nicht sein“. Die harte Haltung der Stadt könnte er ja verstehen, „wenn wir es verschlampt hätten“. Tatsächlich aber hätten die Siegburger Gastwirte sich in den vergangenen Monaten immer wieder getroffen und dabei gemeinsam Hygienekonzepte entwickelt. Das Coronavirus ist auch für Manzei „ein ernstes Thema“. Für den Mittelstand in Siegburg aber seien die erneuten Verschärfungen „brutal.“ Zumal ja, wer wolle, in den Nachbarstädten weiter trinken könne.

Dass sich die Politik für den Schutz ihrer Bürger stark mache, finde sie gut, macht Anett Baum klar, die um die Mittagszeit den Bioladen verlässt. „Ich möchte den Schutz aber auch auf anderen Ebenen“: Durch ein Tempolimit oder Maßnahmen gegen den Klimawandel, mehr Einsatz gegen Chemikalien in der Landwirtschaft. „Da tun wir so, als ob das nichts wäre.“