StraßenmusikerKlaus der Geiger erzählte im Stadtmuseum Siegburg aus seinem Leben
„Das wird heute ein ganz eigentümliches Ding.“ Im Siegburger Stadtmuseum kam die Ansage gut an, genau deshalb waren die Besucher gekommen. Gefragt war ästhetische Subkultur mit kritischen Texten von einem, der seine Meinung frech und frei in die Welt hinein fiedelt.
All dies hatte Klaus von Wrochem dabei, dazu sein Leben als Straßenmusiker, festgehalten im Buch, das keinen anderen Titel tragen dürfte: „Klaus der Geiger erzählt“. Und wenn der unkonventionelle Maestro erzählt, dann tut er das auch mit seinem Instrument. „Ich bin froh, dass so viele Menschen da sind, von denen ich auch so viele aus alten Zeiten kenne“, begrüßte der über 80-jährige Politbarde die übersichtliche Schar im Saal. „Ist das nicht ’ne geile Nummer?“ Der alte Spitzbube.
Von Wrochen improvisiert wie gewohnt brillant, baute voller Lust Aktuelles ein, sang zwischen den Blicken ins Buch gegen Konsumlaune und den „blöden Fußballwahn“. Dabei entpuppte sich der Kölner selbst als aufmerksamer Zuhörer, kommentierte die von Straßenmusiker-Kollege Tom Fronza vorgetragenen Passagen, „das hast du aber schön gelesen“. Die beiden kennen sich seit rund drei Jahrzehnten, lernten sich auf der Schildergasse kennen und musizieren oft gemeinsam unter freiem Himmel.
Gitarrist Marius Peters begleitet den „Bürgerschreck“ schon lange
Auch Gitarrist Marius Peters begleitet den „Bürgerschreck“ schon lange, „Klaus kam einfach auf die Bühne und hat mitgespielt“. Seither gibt’s die beiden als erstklassiges Duo. Siegburg kennen beide recht gut, im Oktober vergangenen Jahres erst gaben die beiden Werke von Astor Piazzolla im Stadtmuseum zum Besten. Irene Pigulla hatte die Virtuosen in die Kreisstadt geholt, auch Freitagabend saß sie in der ersten Reihe. Klaus der Geiger habe die Gesellschaft, „unser aller Leben“, beeinflusst, betonte die glühende Verehrerin am Rand der musikalischen Lesung.
Fronza las Kapitel wie jenes aus Oktober 1994, über eine Reise nach Berlin, „ein Zwischending zwischen Touristen-Trip und Entdeckungsreise in meine Jugend. Deutsche Welle hat's bezahlt“. Einblicke in ein unbürgerliches Leben, vom wilden Gesang gegen Atomkraft, Macht und Mächtige auf Asphaltbühnen, landauf, landab kennt Klaus der Geiger so ziemlich jede Fußgängerzone. Latzhose, das stets wirre Haar, die Nickelbrille, der leicht gekrümmte Bogen, der auch schon mal mit Klebeband befestigt werden musste: Geschichten wie diesen lauschten die Siegburger gern.
In seiner im Kiwi-Verlag erschienen Biografie bezeichnet sich von Wrochem selbst als „undisziplinierten, stark individualistischen Schüler“, an dem der Super-Professor Max Rostal „ganz schön zu knabbern“ gehabt habe. Der Autor beschreibt den Druck in der Meisterklasse, den Rausschmiss aus der Kölner Musikhochschule ebenso wie die Zeit in den Vereinigten Staaten, im intellektuellen Umfeld und den Beginn des Vietnamkrieges. Spannende Anekdoten kamen im Museum ans Licht, und während draußen der Fußballjubel tobte, fiedelte Klaus der Geiger wie der Teufel.