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Spedition Hoss in der Coronakrise„Unsere Fahrer sind an der Front“

Lesezeit 4 Minuten

Die Gesellschafter Ariane Hoss, Alexander Hoss und Speditionsleiter Muhammed Türker führen das Familienunternehmen.

  1. Auch bei der Siegburger Spedition Hoss ist die Coronakrise natürlich ein Thema.
  2. Obwohl Lieferketten nicht wie gewohnt funktionieren, bleiben die Gesellschafter zuversichtlich und kämpferisch.
  3. Ein Blick auf die Ladeflächen zeigt außerdem: Die Art der Fracht hat sich in den vergangenen Wochen maßgeblich geändert.

Siegburg – „Andere können sich ins sichere Homeoffice zurückziehen, unsere Fahrer nicht. Sie sind an der Front.“ So sieht Alexander Hoss die Situation eines Großteils seiner 77 Mitarbeiter, die in kompakten Sprintern ebenso wie in schweren Lastzügen die Versorgung mit Stückgut aller Art sicherstellen. „Vor dem, was unsere Mitarbeiter derzeit leisten, muss man einfach den Hut ziehen. Sie sind das Rückgrat der Versorgungskette.“

Stressig sei der Job auch ohne die Corona-Krise. Jetzt aber müssten sich die Fahrer von Kunde zu Kunde auf wechselnde Schutzvorgaben einstellen. Mitunter würden weiter entfernte Lade- und Lieferzonen eingerichtet, was wertvolle Zeit koste. Und die ist knapp, wenn auf einer Tour zwölf bis 15 Empfänger liegen.

Keine Ausfälle

„Wir haben keine Ausfälle, keine Erkrankungen“, schildert Muhammed Türker, Speditionsleiter und Mitglied der Geschäftsführung, die Situation. Dafür hat das Unternehmen einiges getan. Papierlose Dokumente wurden eingeführt, in der Zentrale Schreibtische auseinandergelegt oder ins Homeoffice verlagert. Vielen Kollegen in dem Familienunternehmen fällt das nicht leicht: „Wir sind ziemlich harmonisch aufgestellt und an eine kurze, offene und direkte Kommunikation gewöhnt.“

In der Zentrale hängen Spender für Desinfektionsmittel, die Fahrer haben Schutzausrüstung an Bord und sind über Kontakt- und Abstandsregelungen informiert. Auch im Lager und am Steuer der Gabelstapler sind Schutzmasken obligatorisch. „Wir haben das frühzeitig sehr ernst genommen“, sagt Türker, das zahle sich jetzt aus. Trotz allem: „Wir können Konzepte erstellen ohne Ende, morgen kann aufgrund neuer Kundenanforderungen oder Behördenanordnung alles wieder anders sein.“

Die Mitarbeiter in der Zentrale tragen Handschuhe und Mundschutz.

Die Art der Fracht hat sich geändert, Hoss fährt das, was gerade besonders gefragt ist. Dazu gehören Masken und Schutzanzüge ebenso wie Desinfektionsmittel. Während der Einzelhandel zugelegt hat, ist die Industrie rückläufig, was laut Alexander Hoss zufolge Lieferungen von Online-Händlern nicht kompensieren. „In der Industrie wird die Kurzarbeit erst noch richtig beginnen“, und das werde auch die Spedition spüren. Umsatzeinbußen im zweistelligen Prozentbereich hält er für denkbar. Dabei sei die Lage schon zu Jahresbeginn nicht rosig gewesen. „Im ersten Quartal wurde das angepeilte Wirtschaftswachstum nicht erreicht“, so Hoss. Die Folge sei ein Überangebot an Frachtraum und hoher Preisdruck. Der Staat müsse jetzt helfen und Speditionsunternehmen zu den systemrelevanten Branchen rechnen. Helfen könne eine Kürzung oder gar Streichung der Maut, um Kosten zu senken. Für ein Unternehmen seiner Größe bleibe sonst nur die Einführung von Kurzarbeit.

Frachtaufträge aller Art

Hans Hoss gründete das Familienunternehmen im Jahr 1938. 1960 übernahm sein Sohn Manfred die Führung. Zunächst fuhren die Lastwagen nur Ziele innerhalb Deutschlands an, der Radius wurde schließlich auf ganz Europa ausgeweitet. Heute leiten Ariane und Alexander Hoss die Firma in dritter Generation. Der Fuhrpark zählt aktuell 23 Fahrzeuge.

Rechnet man Subunternehmer hinzu, die ausschließlich für Hoss fahren, sind es rund 50 Transporter und Lastwagen. Schwerpunkt ist Stückgut, angenommen werden aber Frachtaufträge aller Art „von 28 Kilogramm bis 28 Tonnen“. Auf dem Firmengelände an der Luisenstraße stehen mehr als 5000 Quadratmeter Lagerfläche zur Verfügung. (ah)

Erschwert wird der Warenverkehr über Grenzen hinweg, Fracht ins europäische Ausland trägt bei Hoss gewöhnlich gut 20 Prozent zum Umsatz bei. Ein großes Problem sind Alexander Hoss zufolge nicht nur die langen Wartezeiten an den Grenzübergängen, sondern auch die vielen unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Länder. „Ganze Lieferketten funktionieren nicht mehr.“ Helfen könne eine „grüne Spur“ mit Vorfahrt für Lastwagen, auf die sich die EU-Verkehrsminister verständigt haben, um den Handelsverkehr zu beschleunigen. „Das würde der Branche sehr gut tun“, meint der Unternehmer. Auch die Lockerung des Fahrverbots am Sonntag sieht er positiv.

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Kritisch sieht Hoss die Verpflegung für seine Fahrer: Viele Rasthöfe arbeiteten nur auf Sparflamme oder seien ganz geschlossen. Seine Mitarbeiter aber bräuchten unterwegs Lebensmittel und sanitäre Einrichtungen. Wenigstens bringe die Corona-Krise manchen Zeitgenossen eine neue Erkenntnis. Hoss: „Jetzt sieht man, wie wichtig die Fahrer für uns alle sind.“