Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Zivilrichter Martin WiemerZweimal lebenslänglich im Amt

Lesezeit 3 Minuten

Siegburg – „Er ist der härteste Knochen im Amtsgericht“ – schon im Aufzug hoch zur Kantine deutete Rechtsanwalt Peer Groß den legendären Ruf von Martin Wiemer an. Der inzwischen 65 Jahre alte Zivilrichter verabschiedete sich in den Ruhestand. Und erstmals in der Geschichte des modernen „Justiztempels“ an der Neuen Poststraße waren Geschäftszimmerdamen, Rechtsvertreter, Justizbeamte und Richterkollegen gleichermaßen eingeladen zur launigen Feierstunde.

In wohlgesetzten, gleichwohl witzigen Worten erinnerte Wiemer selbst an seinen Anfang in Siegburg. An seine Irritation über die Pflastersteine im Eingang beim ersten Rundgang 1981. Die Absicht des Architekten sei es gewesen, Schwellenängste abzubauen. „Wir wünschen uns heute manchmal ein bisschen Respekt von unserer Kundschaft“, so des Richters Einlassung. „Zweimal lebenslänglich bei guter Führung und ein bisschen“, so lange habe er hier arbeiten dürfen, immerhin 34 Jahre. Jetzt aber sei er aschgrau und fahl, vom Rennpferd zum Ackergaul vom einen auf den anderen Tag.

Das vergangene Jahr habe er im sogenannten Hospizzimmer, dem Raum 330, verbracht: „Andere für mich arbeiten lassen, das hatte Charme.“ Immer mehr Frauen habe er in diesen drei Jahrzehnten kommen sehen – „Männer haben Albino-Status“. Und er machte einen Vorschlag zur Kosteneinsparung: „Überflüssige Herrentoiletten aufgeben.“ Großes Lob zollte er den Frauen der Geschäftsstelle, die ihm das Arbeiten in einer computerfreien Zone ermöglicht hatten: „Der letzte Computer-Bedenkenträger tritt ab.“ Dann übte er scharfe Kritik, etwa an wenig reflektierten Neuerungen in der Zivilprozessordnung. Oberhalb der Amtsgerichts-Ebene spiele Menschenverstand kaum noch eine Rolle. Nicht mehr der Parteienprozess sei die Verfahrenswirklichkeit, sondern die Inszenierung des Richters.

Oftmals habe er Neurotiker in ihre Schranken verweisen wollen. „Ich wäre gern Rheinschifffahrtsrichter geworden“, witzelte er. „Fünf Direktoren habe ich verschlissen, jetzt ist mal Feierabend“, meinte er mit feinem Lächeln und spielte auf den aktuellen Chef Ulrich Feyerabend an.

Wie gut er sich mit seinen Mitarbeiterinnen gestanden hat, wurde beim Dank des Betriebsrats deutlich. Der Klavierspieler Wiemer hat so manche Feier begleitet und die Betriebsausflüge geplant. Eine Schärpe mit „Mister Organisator“ wurde ihm umgehängt.

Jeden Morgen sei „ihr“ Martin, so die Kolleginnen, in den Pool gesprungen, jedes Jahr im August von Erpel nach Unkel im Rhein geschwommen. Im Galopp habe er den Tag begonnen, schnell und präzise entschieden. So manche Richterablehnung sei ins Haus geflattert. Der Bundesgerichtshof sei für ihn nicht immer das Maß der Dinge gewesen. „Wir entscheiden nicht nach BGH, wir entscheiden richtig“, hat Wiemer einmal gesagt – die richterliche Unabhängigkeit war für ihn eines der höchsten Güter. In Versform trug Birgit Hatterscheid das alles vor, erinnerte an seinen Statisten-Auftritt in „Mord mit Aussicht“, das Eis, das er für das Geschäftszimmer im Sommer besorgte, seine Musikalität und seinen Spaß am Radfahren.

Gekrönt wurden die Live-Auftritte mit einer fulminanten Performance fünf in Dirndl gekleideter Mitarbeiterinnen. Zum abschließenden Essen hatten seine Richterkollegen zur Begleitung einen Film gedreht, inklusive einer weiteren „Atemlos“-Version nach Helene Fischer – dieses Mal als Bänkelsänger.