Am 1. Juni 1994 endete die Geschichte der Aggertalbahn, besser bekannt als „Luhmer Grietche“. Für Eisenbahn-Enthusiasten ist es ein trauriges Jubiläum.
Kampf ums „Luhmer Grietche “Vor 30 Jahren rollte der letzte Zug zwischen Lohmar und Siegburg
Eine kleine zweiachsige Diesellok, zwei mit Holzstämmen beladene Rungenwagen, eine kurze Fahrt: So sah er aus, der endgültige Abschied von der Aggertalbahn zwischen Lohmar und Siegburg am 1. Juni 1994.
Den Tag hat der Siegburger Eisenbahnenthusiast und Eitorfer Kämmerer Klaus Strack als „trauriges Jubiläum“ in Erinnerung, wie er jetzt noch einmal für eine Fachzeitschrift schrieb: „Dass auf ihr ein viel befahrener Radweg entstanden ist, tröstet mich nicht wirklich“, schreibt er über die Eisenbahnstrecke, die ihm ans Herz gewachsen und ein Bestandteil seines Lebens geworden sei.
Schon mehr als ein Jahr zuvor, am 26. März 1993, so notiert Strack, hatte sich das Ende angedeutet, als ein Gleismesszug der Deutschen Bahn die Gleise befuhr, wobei festgestellt wurde, dass die Befahrung nicht mehr sicher sei. „Völlig überraschend“, kommentiert Strack mit bitterer Ironie. Der letzte Güterzug auf dem kurzen Stück zwischen Siegburger Bahnhof und Siegwerk fuhr am 28. Dezember 2015.
Für eine Weiterführung gab es schon Ende der 80er viele Mitstreiter
Für eine Weiterführung hatte der 64-Jährige schon Ende der 80er Jahre eine Reihe von Mitstreitern vom Eisenbahnclub Rhein-Sieg (ECRS), in einem Ballungsgebiet, das schon traditionell unter der Überlastung durch den Kraftfahrzeugverkehr japst. Die Clubmitglieder gaben keine Ruhe, knüpften Kontakte zu Gleichgesinnten bei der Ortsgruppe Bonn des Verkehrsclubs Deutschland und entwickelten Konzepte für die Region.
„Ein wesentlicher Vorschlag war der gemeinsame Betrieb von mehreren Güterverkehrsstrecken in einer Hand“, erinnert sich Strack. „Da die Privatisierung der Bundesbahn vor der Tür stand, wollten wir, dass private Bahnstrecken wie Beuel – Hangelar und Troisdorf – Lülsdorf (RSKE) mit Bundesbahnstrecken gemeinsam betrieben werden.“
Vor allem aber sollte der Personenverkehr wiederbelebt werden, mit einer Verlängerung der Stadtbahnlinie 66 über die alte Trasse nach Lohmar bis Donrath und sogar weiter durch das Sülztal bis Rösrath.
Doch vergeblich. „Antrag auf dem Abstellgleis“ titelte die Zeitung am 29. Dezember 1992: Die Eingabe des Eisenbahnclubs war einfach im Landesverkehrsministerium liegengeblieben und nicht bearbeitet worden. Auch eine Erweiterung zu einem Optimalen Straßenbahn- und Stadtbahnnetz (OSSI) mit einem Ringverkehr zwischen Siegburg, Lohmar, Rösrath, Flughafen, Porz und Beuel ließ sich nicht durchsetzen.
Mangelnder verkehrspolitischer Rückenwind
Unter mangelndem verkehrspolitischem Rückenwind hatte die Aggertalbahn, liebevoll Luhmer Grietche genannt, oft in ihrer Geschichte zu leiden. 1884 war die Strecke von Siegburg nach Ründeroth eröffnet worden, 1896 die Weiterführung nach Bergneustadt und 1903 gar nach Olpe. Über eine lokale Bedeutung, so Strack, sei die Strecke aber nie hinausgekommen, die Menschen seien eher nach Köln orientiert gewesen. 1910 wurde die Verbindung von Overath nach Köln eröffnet.
Wegen eines Kriegsschadens am Hoffnungsthaler Tunnel gab es eine kurze Blüte, als Züge noch einmal bis 1949 einen Umweg über Siegburg fuhren. 1954 war für den Personenverkehr Schluss, Busse übernahmen. Der Güterverkehr zwischen Lohmar und Overath ging noch bis 1962 weiter, dann wurden die Gleise abgebaut.
Schließungsgerüchte kurz nach der Sanierung
Im südlichen Streckenteil zwischen Siegburg und Lohmar aber gab es mit den Phrix-Werken (bis 1971) sowie dem Siegwerk den Bedarf für zwei täglich verkehrende Güterzüge. „Und noch im Sommer 1986 sanierte die Bundesbahn das gesamte Gleis bis Lohmar. Umso mehr verwunderte es, dass nur zwei Jahre später erste Schließungsgerüchte aufkamen. Böse Zungen sprachen in jener Zeit davon, die Sanierung wäre absichtlich erfolgt, um die Strecke anschließend kaputt zu rechnen“, schreibt Strack.
Letztlich sieht er die Privatisierung der Bundesbahn als Wurzel allen Übels. Ab 1988 wurde unregelmäßig bei Bedarf gefahren – und der Club hielt die Erinnerung an das Luhmer Grietche mit Sonderfahrten wach.
Strack hat mehrere Bücher geschrieben, führt ein großes Archiv und beschäftigt sich mit der Historie von Bahnstrecken. „Warum kommt es zum Niedergang, wie hält man so etwas auf, gibt es dafür überhaupt eine Chance?“, solchen Fragen gehe er auf den Grund, wie er im Gespräch erläutert.
„Unsäglich“ sei ein Güterverkehrskonzept gewesen, mit dem man den letzten Ladungsstellen für im Einzelwagenverkehr „an den Kragen“ wollte. „Das rechnete sich nicht, weg damit.“ Bei allem wirtschaftlichen Denken, das er als Kämmerer nachvollziehen könne, dürfe aber die Grundversorgung eines Staates nicht zu kurz kommen. „Hier wurde ein Verkehrssystem ohne Not geopfert, weil die Bahn eine Aktiengesellschaft werden sollte. Der Staat sollte für andere Dinge Geld haben.“
Ein neues Eisenbahndrehkreuz in Siegburg
Das Thema Klima habe man damals nicht so hoch gehängt, es sei aber durchaus schon präsent gewesen. „Darüber sind wir verzweifelt und haben versucht, Leute wachzurütteln.“ Als klar war, dass der ICE Strecke über Siegburg laufen würde, habe die Idee zu einem Eisenbahndrehkreuz nahegelegen. Die Ortskerne von Lohmar und Siegburg und das Siegwerk hätte man so angebunden. Bis zum Donrather Dreieck hätte man damals noch durchfahren können. „Besser geht es doch nicht.“
Überall habe der Club seine Idee vorgestellt, ohne Erfolg, am Ende sei man der Mehrheit im Siegburger Rat gescheitert. „Wir sind gegen den Strom geschwommen, aber der Strom war stärker“, resümiert Strack. Immerhin die Rhein-Sieg-Eisenbahn für Schienengüterverkehr in der Region Köln/Bonn und Koblenz/Andernach gebe es bis heute. Trotzdem: „Ich hadere immer noch ein wenig.“