Frauenhaus TroisdorfDie Zahl der Frauen in Not steigt weiter an
Troisdorf – Sie sind „die Treppe runtergefallen“, möglicherweise auch „gegen die offene Schranktür gelaufen“: Die Opfer von häuslicher Gewalt haben viele Ausreden, um blaue Augen und sonstige Verletzungen zu begründen. Die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus kennen sie alle. „Es gibt nichts, was uns nicht schon begegnet wäre“, sagt Mitarbeiterin Michiko Park. Seit 25 Jahren arbeitet der Verein „Frauen helfen Frauen“ als Träger des Autonomen Frauenhauses in Troisdorf.
Adresse ist nach wie vor geheim
„Und der Bedarf wächst immer noch“, betont Parks Kollegin Manuela Franke. „Weil immer mehr Emanzipationsprozesse in Gang kommen.“ Immer häufiger suchen Frauen, die noch nicht lange in Deutschland sind, Schutz in dem Haus, dessen Adresse nach wie vor geheim gehalten wird.
In der Bundesrepublik machten die Frauen die Erfahrung, ganz anders leben zu können. Zum ersten Mal erführen diese Frauen von Rechten, die sie und ihre Kinder haben. Doch wenn sie diese Rechte in ihren Familien durchsetzen wollen, komme es oft zum Konflikt.
Schutz für mehr als 3000 Frauen
Mehr als 3000 Frauen und Kindern haben die Mitarbeiterinnen in den vergangenen 25 Jahren Schutz und Begleitung auf dem Weg in eine bessere Zukunft geboten. Sie mussten aber auch eine hohe Zahl von Ratsuchenden abweisen: 197 Frauen mit 240 Kindern im Jahr 2016, im vergangenen Jahr waren es 199 Frauen und 209 Kinder.
Eine Situation, die den Mitstreiterinnen von der ersten Stunde an vertraut ist: Schon die Notwohnung in Much – nur dort hatte die Gemeinde eine Wohnung angeboten –, mit der 1990 die Arbeit des Vereins begann, war hoffnungslos zu klein. 19 Frauen und 20 Kinder lebten im September 1990 dort, doppelt so viele Menschen konnten nicht aufgenommen werden.
Weiteres Frauenhaus dringend nötig
Ein weiteres Frauenhaus neben dem bestehenden in Troisdorf und dem des Kreises in Sankt Augustin bleibt daher ein dringender Wunsch des Vereins im Jubiläumsjahr. Ebenso wie eine gesicherte Finanzierung der Arbeit und mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema.
Noch mehr Aufmerksamkeit für Kinder
Nichts Neues also? Doch: Seit wenigen Monaten heißt die Einrichtung „Frauen- und Kinderschutzhaus“, den Kindern wird noch mehr Augenmerk zuteil – soweit es die Finanzierung zulässt. Nach wie vor stehe die „Selbstermächtigung“ der Frauen, die Hilfe zur Selbsthilfe, im Vordergrund.
Hier gibt es Hilfe
Bei akuter Gefahr ist 110 die richtige Wahl. Die Polizei kann ein zehntägiges Rückkehrverbot gegen die gewalttätige Person aussprechen.
Wer sein Weggehen vorbereitet, sollte mitnehmen: Ausweise oder Pässe, Krankenversicherungskarten, Impfpass, gelbes Vorsorgeheft, Geburtsurkunden, Heiratsurkunde, Familienstammbuch, Leistungsbescheide, Arbeitspapiere, Kindergeldnummer, Kontoauszüge der letzten drei Monate, benötigte Medikamente, Schulsachen für Schulkinder, Zeugnisse.
Für Babys vielleicht spezielle Nahrung für einige Tage, Kleidung für zwei bis drei Wochen. Persönliche Dinge, die einem lieb und wert sind, wie Fotos und Schmuck. Einiges lässt sich vielleicht vorher bei einer Vertrauensperson deponieren.
Tag und Nacht ist die Nummer 02241/148 49 34 von Frauen helfen Frauen zu erreichen. Das Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises hat die Telefonnummer 02241/33 01 94. (dk)
„Wir arbeiten jetzt viel strukturierter“, betont Park. Das beginne mit einer zweiwöchigen Phase, in der das Haus und die Schutzsuchenden herausfinden, „sind wir die Richtigen“: In Not sind alle, die in der Spicher Geschäftsstelle anrufen, daran zweifelt dort niemand. Aber Aufnahme auf einem der acht Plätze für Frauen und zwölf für Kinder können nur die Opfer akuter häuslicher Gewalt finden.
Die Familienstrukturen sind stärker im Blick
Die Begleitung der Frauen nehme heute die – unter Umständen große – Familie verstärkt in den Blick. „Wir sind nicht mehr automatisch verschwestert mit der Frau“, die in den feministischen Wurzeln verankerte „Parteilichkeit zu 100 Prozent“ ist einem breiteren Ansatz gewichen. Viele Aufenthalte dauern länger als früher, zum systemischen Ansatz gehört auch die zeitaufwendige Arbeit an einem Stabilitäts- und Perspektivenplan.
Denn eine Wohnung allein helfe einer Frau oft nicht weiter. „Es ist wie die Erschütterung in einem Mobile, das lange braucht, um sich wieder zu stabilisieren.“ Denn die körperliche Gewalt ist zwar oft die mit den sichtbarsten Zeichen. Aber nicht die mit der längsten Wirkung.