Der geschäftsführende Vorstand des autonomen Frauen- und Kinderschutzhauses forderte auf der Geburtstagsfeier das dritte Frauenhaus im Rhein-Sieg-Kreis.
FestFrauen und Kinderschutzhaus Troisdorf feiert 30-jähriges Bestehen
Kämpfen und feiern, Ihr Schönen, auf 30 Jahre Frauenhaus in Troisdorf, rief Michiko Park vom geschäftsführenden Vorstandsteam ihren Mitstreiterinnen zu. 3729 Frauen und Kindern haben sie und ihre Vorgängerinnen in dieser Zeit vor Gewalt und Zwangsverheiratung geschützt, sie begleitet bei einem Weg in ein neues Leben.
„Was gibt's da zu feiern, eigentlich ein Grund zum Heulen“, meinte Park. Denn in der jüngsten Veröffentlichung der Kriminalstatistik gab es ein Plus von 9,4 Prozent bei Delikten partnerschaftlicher Gewalt, bei häuslicher Gewalt immer noch eins von 8,5 Prozent. Vor allem aber: Seit 30 Jahren gebe es die immer selben Forderungen: nach mehr Frauenhausplätzen, gut ausgestatteten, barrierefreien Frauenhausplätzen, in Troisdorf wie in allen Häusern.
94 Plätze fehlen im Rhein-Sieg-Kreis
Außerdem fordern die Aktiven, die sich als Teil einer Fraueninfrastruktur sehen, eine bundeseinheitliche, gesicherte Finanzierung, einen gesetzlichen Anspruch auf einen Frauenhausplatz für jede Frau und ihre Kinder, auch für trans-, inter- und nonbinäre Personen. „Wir haben Fransen am Mund“, beschreibt Park die Situation.
94 Plätze fehlen im Rhein-Sieg-Kreis, hatte Jana Bach in einem Gespräch erklärt. Dabei hat die Bundesregierung die so genannte Istanbul-Konvention, auf deren Basis diese Zahl sich errechnet, schon 2018 unterzeichnet. „Wir haben das Gefühl, jedes Haus muss das bei der eigenen Kommune durchsetzen“, so Bach. Im neuen Troisdorfer Haus gibt es Platz für 30 Personen, zwölf Frauen und 18 Kinder. Das sind immerhin zehn mehr als im alten.
„155 Frauen und Kinder haben allein hier in dem Haus einen neuen Weg eingeschlagen“, berichtet Park stolz. „Ein Kind wurde gesund geboren, begleitet von unermüdlichen Kolleginnen. Hier wird getanzt, geheult, gegrillt, Augenbrauen gezupft, voneinander gelernt. Hier findet Solidarität und Empowerment statt.“
Eine Ansage war überdeutlich, auf Plakaten und Schildern: „Wir fordern ein drittes Haus für den Rhein-Sieg-Kreis“, machte Park für ihr Team in ihrer Ansprache deutlich. Voller Respekt blickte sie auf die Arbeit und den langen Atem ihrer Vorgängerinnen, die ein Frauenhaus erst ermöglichten. „Die sind über den Sperrmüll gezogen und haben Müll für die Einrichtung besorgt.“Monika Engin, langjährige Vorstandsfrau, haben in ihrer Souterrain-Wohnung die ersten Frauen aufgenommen.
Manche Frauen, die von Gewalt bedroht sind, können sich aber den Aufenthalt nicht leisten, weil sie kein Arbeitslosengeld II bekommen. Aktuell müsse eine Bewohnerin überlegen, ob sie sich kündigen lässt, obwohl sie einen guten Job hat. Zuständigkeiten seien oft nicht klar, Familien müssen von einem Frauenhaus zum nächsten ziehen, weil die Auskunftssperre nicht eingehalten wird. Die Wohnungssuche gestaltet sich für die Frauen enorm schwierig, wie eine Bewohnerin Bürgermeister Alexander Biber klarmachte.
„Sechs bis zwölf Monate bleiben die Frauen in der Regel“, beschrieb Bach vom geschäftsführenden Vorstand die durchschnittliche Aufenthaltsdauer. Die Frauen sind aufgelöst, wenn sie kommen, brauchen psychosoziale Beratung, so Bach. Die Kinder mussten ihre Schule und ihren Freundeskreis verlassen, sie kommen aus ganz Deutschland. „Das Vertraute fehlt und das fangen wir.“
Rechtsunterstützung, Aufnahmeprozesse in Schulen und Kindertagesstätten sowie bei der Existensicherung, Gründung von Konten, Abschluss von Mietverträgen, Verhandlungen mit Umzugsunternehmen beim Auszug, das Spektrum der Hilfe ist groß. Ein besonderes Merkmal der Troisdorferinnen ist die Nachsorge, denn beim Übergang in ein neues Leben scheitern manche Frauen, weil sie in alte Strukturen zurückfallen. Bis zu sechs Monate greift sie, allerdings nur im Kreis und in Bonn.
Das Troisdorfer Frauenhaus verfügt übrigens über ein ausgeweitetes Sicherheitssystem, mit Kameraüberwachung und einem stabilen Zaun rund ums Gelände. Erst ein einziges Mal tauchte ein Mann auf, weil die Auskunftssperre nicht eingehalten wurde.