Historische BilderDie Kölner Straße und ihre Gesichter

Lebensader im Wandel: Die Innenstadt atmete auf, ...
Copyright: Heinz-Müller-Stiftung Lizenz
Troisdorf – Haus Mülhens, Hertie oder Metzgerei Haas: Wenn solche Motive zu sehen sind, geht ein Raunen durch die Menge im Halbdunkel. Rund 30 Besucher haben sich im Veranstaltungssaal des neuen Museumskomplexes Burg Wissem versammelt, um sich historische Bilder von der Kölner Straße anzusehen – und der Titel der Veranstaltung hält, was er verspricht: Vorgeführt wird eine „Lebensader im Wandel“.
Hans-Günter Rudas bedient den Projektor und zeigt Dias aus dem reichen Fundus der Heinz-Müller-Stiftung. Zu sehen ist, wie der Troisdorfer Hof von einem einstöckigen Lokal zu einem straßenprägenden Gebäude mit drei Etagen plus Dachgeschoss wird. Wie die Arkaden von Eisen Lobert verschwanden und zum Geschäftsraum ausgebaut wurden. Das Haus, in dem Familie Mülhens wohnte, die es in Köln zu Weltruhm brachte. Wilhelm Mülhens war Gründer von 4711 und vertrieb Ende des 18. Jahrhunderts Kölnisch Wasser.
Der Heimatforscher und ehemalige Gesamtschulleiter Peter Haas bereichert den Abend mit solchen Erläuterungen, und er hat Mitstreiter. Ein Zuschauer weiß, dass sich in einem Nachbarhaus ganz ähnlicher Bauform eine Schule befand. Ein weiterer Gast erinnert sich, wo die drei Weichen für den „Rhabarberschlitten“, wie die Züge der Kleinbahn Siegburg-Zündorf liebevoll genannt wurden, lagen. Und Thomas Ley, der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, hat an Hausfassaden Halterungen der alten Oberleitungen ausgemacht, die einzige Erinnerung an das Verkehrsmittel von anno dazumal.
Geraunt wird auch, als ein Bild vom Engels-Büdchen auftaucht: „Da habe ich so manches Kamellchen gekauft“, wirft eine Frau ein, die sich noch erinnert, wie ihre Schulklasse zu einem Besuch Konrad Adenauers abgeordnet wurde – und wie Kinder mit Fähnchen winkten. Das Musit, das Museum für Stadt- und Museumsgeschichte, ist als Ort der Geschichte und Geschichten gedacht, und nicht nur an diesem Abend wird es dem Anspruch gerecht. Zu einem ersten Erzählabend kamen 100 Gäste, für die Folgeveranstaltungen wurde Anmeldepflicht eingeführt. „Ich habe noch nie einen so anstrengenden Vortrag erlebt“, erinnert sich Rudas an die Premiere. Die kleine Runde ist dem Hüter des Müllerschen Fotoschatzes deutlich lieber.
80 Motive hat er aus dem Bestand von 20 000 Aufnahmen gewählt. Immer wieder ergänzt er die alten Ansichten durch aktuelle Aufnahmen, die Mitglieder des Fotoclubs Troisdorf gemacht haben. Seit der Nachkriegszeit hat sich Heinz Müller (gestorben 2010) unermüdlich mit seiner Leica der Aggerstadt gewidmet und auch viele unspektakuläre Häuser aufgenommen, worin Ley einen Glücksfall für die Stadt sieht: Vieles sei zwar damals nicht schön gewesen, bis zum heutigen Tag aber mit Emotionen behaftet.
1978 wurde die Straße zur Fußgängerzone. Über die Zeit davor schrieb der Heimatforscher Helmut Schulte 2002 in dem Band „50 Jahre Stadtgeschichte“: „Jahrzehnte quält sich der Verkehrslindwurm der B 8 durch Troisdorf, so dass der Fußgänger sich nur laut schreiend mit seinem Partner unterhalten kann.“ Heute steht wieder ein Umbruch bevor: Die Stadt saniert die Fußgängerzone für 4,5 Millionen Euro, während auf dem Wilhelm-Hamacher-Platz mit einer Einkaufspassage ein neuer Publikumsmagnet entsteht.
Die Abende sind eine Kooperation des Musit, des Heimat- und Geschichtsvereins und der Heinz-Müller-Stiftung. Musit-Leiterin Pauline Liesen, die auch stellvertretende Leiterin des Bilderbuchmuseums ist, betont, dass die Kölner Straße lediglich das Thema einer ersten Veranstaltungsreihe ist. Weitere sollen folgen, auch um Redebeiträge und Erinnerungen für die Nachwelt zu er halten, denen dann Beiträge in den Jahresheften des Geschichtsvereins gewidmet werden. Rudas: „Wir wollen dieses Potenzial ausschöpfen, bevor es weg ist.“