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Menschen im GesprächZwei Leben für den Tanz

Lesezeit 3 Minuten

Fronhoff richtet regelmäßig große Tanzturniere und Meisterschaften aus, wie hier 2010 in Troisdorf.

Rhein-Sieg-Kreis – Die späten 70er Jahre waren eine gute Zeit für Matthias Fronhoff. Tanzen hatte Hochkonjunktur, im Kino warf sich John Travolta in seine berühmte „Saturday Night Fever“-Pose und auch den Teenager Matthias hatte die Faszination gepackt. Daran war Karl Breuer, damals schon eine Legende mit vielen deutschen und internationalen Meistertiteln, nicht ganz unschuldig. „Ich trainierte diese Rowdies“, schmunzelt Breuer. Er wusste, dass für Fronhoff und einige andere in seinem Leistungskader in Duisburg-Wedau ein Abend mit Training und danach Kino und Disco schon mal bis in den frühen Morgen dauern konnte. Trotzdem dürfte „Rowdy“ auf den damals 18-Jährigen nicht so ganz zugetroffen haben: Die von Breuer hochgehaltene Disziplin dürfte im Spiel gewesen sein, als Fronhoff die Jugendmeisterschaft im Latein-Paartanz holte. Der deutsche sowie der Europa- und Weltmeistertitel im Formationstanz sollten folgen. Seit langem sind die beiden auch beruflich verbunden. Fronhoff leitet seit 25 Jahren die Schule Tanz Breuer in Troisdorf und seit 23 Jahren auch die in Hennef. Insgesamt betreibt Breuer sechs Center.Auch wenn die beiden aus unterschiedlichen Generationen stammen, haben sie ein ähnliches Selbstverständnis und sehen sich vor allem als Sportler. Karl Breuer, geboren 1932, kann sich noch gut an die Tanzabende in einer Gaststätte in Minden erinnern, für die er kein Geld hatte. Aber er kannte ein Schlupfloch im Vorhang zwischen dem Saal und einer Hinterhoftreppe, durch das er sich Schritte abschauen und auf engstem Raum nachtanzen konnte. „Als ich dach endlich in die Tanzschule ging, kannte ich schon alles.“Nach dem Jurastudium stand eine schwere Entscheidung an: Doktor- oder Meistertitel, der Rest ist Sportgeschichte. Breuer gewann neben vielen anderen Titeln 1960 und 1961 die Weltmeisterschaft der Amateure in den Lateintänzen. 1993 bis 1999 war er Präsident des Welttanzsportverbands. Fronhoff zieht eine Parallele zum Fußball: „Er ist eine Mischung aus Uwe Seeler und Franz Beckenbauer.“ Mit Leib und Seele sei Breuer Sportler, aber auch Verbandsfunktionär. Noch heute tanzt Breuer eine Stunde am Tag und trainiert Spitzenpaare.

Schaudern bei Lambada

Karl Breuer war mit seinen Erfolgen maßgeblich daran beteiligt, die in den 50er Jahren erdrückende Vorherrschaft der Engländer im Tanzsport zu brechen. Das Seebad Blackpool hatte damals für Tanz einen Stellenwert wie Wimbledon für Tennis. Bei einem Besuch in London wunderte er sich allerdings, welchen gesellschaftlichen Stellenwert der elegante Sport auf der Insel hatte: Es wurde ihm erklärt, Tanzen sei eher etwas für die unteren Gesellschaftsschichten. Schmunzeln können beide über diese Episode und auch über harte Zeiten, etwa die späten 60er und frühen 70er Jahre, als das Tanzen vielen als spießig galt. Schaudern lässt sie der Gedanke an den Modetanz Lambada, der Ende der 80er aufkam. „Dieser Begattungstanz war hart an der Grenze“, erinnert sich Breuer.Heute sieht Fronhoff das Tanzen auf einem guten Weg. Prophezeiungen, die Jugend werde bald nur noch vor dem PC sitzen und im Internet surfen, hätten sich nicht bewahrheitet. Immer noch sei die Tanzschule ein Ort, um sich kennenzulernen und Respekt voreinander einzuüben – vor allem gegenüber dem anderen Geschlecht und vor allem für schüchterne Jungs „die sich die Hose noch mit der Kneifzange zumachen“. Etabliert hat sich auch der „Dance 4 Fans-Club“, in dem zur Zeit Rihanna, Usher, Nelly Furtado oder Katy Perry angesagt sind. Stolz ist Fronhoff auf die alkoholfreie Karnevalsparty in der Tanzschule an Weiberfastnacht. Selbst wenn ab 17 Uhr für Besucher ab 16 Jahren Kölsch verkauft wird, findet es kaum Abnehmer. Offenbar steht für die Mehrheit der jungen Gäste, ganz im Sinne von Breuer und Fronhoff, das Tanzen eindeutig im Vordergrund.