Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Rote Kolonie in TroisdorfDie Rote Kolonie wird 100 Jahre alt

Lesezeit 4 Minuten

Roonstraße mit Kaufhaus 1915

Troisdorf – Der Bezugspunkt zur Schäl Sick ist gemeinhin der Rhein, es sei denn, man weilt gerade in Troisdorf: Dann dient als Orientierungspunkt für despektierliche Sprüche die Bahnlinie. Südlich davon wurde vor 100 Jahren die Rote Kolonie gegründet, eine Siedlung, die Louis Mannstaedt für seine Meister und Vorarbeiter im Stahlwerk geplant hatte.

Schäl angeguckt wird man allerdings nicht, wenn man einer der rund 600 Bewohner des Viertels ist, sondern eher neidisch: Gehört doch die Kolonie, die ihren Namen der einheitlich roten Farbe der Dachziegel verdankt, zu den schönsten Flecken in der Stadt. Zu verdanken ist das den hellen beigefarbenen und pastellgelben Fassaden, Fenstern mit Sprossen und einem alten Baumbestand.

1913 wurde großer Wert auf Gärten zur Selbstversorgung und die Infrastruktur mit Schule, Kindergarten und einem Kaufhaus gelegt. „Ich glaube, die Menschen, die hierhin zogen, wurden sehr verwöhnt“, sagt Thea Boy, die mit Dirk Blotevogel eine Ausstellung nebst Katalog zum Jubiläum erarbeitet hat. Boy wohnt in einem der charakteristischen rot gedeckten Häuser, das mit 134 Quadratmetern auf einer Grundfläche von 60 Quadratmetern wohl zu den größeren Häusern in der Kolonie gehört. Doch selbst eine Wohnung mit 60 Quadratmetern muss einem Arbeiter, der die Enge Kölner Mietskasernen gewohnt war, damals paradiesisch vorgekommen sein.

Material für 40 Tafeln haben die beiden zusammengetragen, keine leichte Arbeit, wie Blotevogel erzählt: „Vor 100 Jahren war Fotografieren für Arbeiter zu teuer.“ Doch zum Glück gebe es Postkarten aus der Zeit, und der bekannte Troisdorfer Fotograf Heinz Müller beschäftigte sich in den 70er-Jahren eingehend mit der Siedlung.

1825 erhält Johann Wilhelm Windgassen die Genehmigung, an der Sieg eine Eisenhütte mit Hochofen, Walz- und Reckwerken zu bauen. Es folgen mehrere Besitzerwechsel.

1864 bis 1866 arbeitet Louis Mannstaedt als Betriebsleiter auf der Hütte, 1885 baut er ein Walzwerk in Köln-Kalk aus, das zu Humboldt gehörte. Wegen Platzmangels verlagert er die Produktion nach Troisdorf.

1911 kauft die Firma Mannstaedt von Bauern das Bauland für die Rote Kolonie. Damals wurde die Siedlung für Meister und Vorarbeiter geplant. 1912 beginnt der Bau der Schwarzen Kolonie für Arbeiter.

1913 beginnt die Umsiedlung von Köln in die Kolonie, die damals „Neu-Kalk“ genannt wird.

1944 wird Troisdorf bombardiert. Einige der schönsten Häuser in der Kolonie werden zerstört.

1977 bieten die Klöckner-Werke die Häuser zum Kauf an. Die langjährigen Mieter bekommen ein Vorkaufsrecht. Heute leben etwa 600 Menschen im Viertel, das zu Troisdorf-West gehört. Quelle: Rolf Höhnscheid, Die Rote Kolonie

Ein rundes Bild ergibt sich, wenn man die Festschrift hinzuzieht, in der sich viele Originalzitate früherer Bewohner finden. „Dat war 'ne Ehre, wenn man bei Klöckner oder Dynamit anfangen durfte“, so ein Arbeiter. Drei Prüfungen habe man ablegen müssen, um im Werk anfangen zu dürfen. Für den Nachwuchs gab es von Anfang an den Kindergarten, der 2009 kernsaniert wurde und auch heute genutzt wird – in bester Lage am Bismarckplatz, gleich neben dem Kaufhaus, das allerdings schon lange Geschichte ist und schmerzlich vermisst wird.

So bemängelt auch Ortsvorsteher Rudolf Eich, der seit einem guten Jahr die Jubiläumsfeierlichkeiten vorbereitet, die mangelnde Infrastruktur. Neben einem Lebensmittelgeschäft vor allem das Fehlen einer richtigen Kneipe, wie sie früher Hans Musolff betreib: Der findige Gastronom verkaufte zunächst Kolonialwaren und Milch, dann legte er sich eine Eismaschine zu, und nachdem er schließlich auch Bier ins Sortiment aufgenommen hatte, lag die Idee zur Eröffnung einer Gaststätte nah. „Seine Schlitzohrigkeit war bekannt hinsichtlich seiner Kneipenzeiten, wobei er die Polizeistunde gekonnt hinauszögerte“, schreibt Dieter Röhl in einem Beitrag zu Musolff. Er fürchtet: „Solche Wirte wird es nie mehr geben.“

Das Jubiläum wird am Samstag, 13. Juli, 11.45 Uhr bis 22 Uhr mit einem Stadtteilfest auf dem Schulhof Blücherstraße gefeiert, auf dem auch eine Zirkusvorführung geplant ist. Für Kinder ist eine Miniaturausgabe des „Rhabarberschlittens“ unterwegs, zudem gibt es Bastel- und Spielangebote in den Kindertagesstätten Sankt Maria Königin, Bismarckstraße und Schneewittchenweg. Am Abend spielen die Big Bandits. Für Gegrilltes ist die Pfarrgemeinde St. Maria Königin zuständig, die ihr 50-jähriges Bestehen feiert.