Am Abend des 7. September 2003 klingelten zwei Männer an der Wohnung des Spediteurs in Troisdorf und zwangen ihn mit einer Waffe in ein Auto.
Entlassung aus U-Haft20 Jahre nach spektakulärer Entführung – Troisdorfer wird freigesprochen
In diesem Prozess blieb vieles unklar: Es gab einen Angeklagten, der fast nichts sagte, ein Entführungsopfer, das sich 20 Jahre nach der Tat nicht mehr richtig erinnern konnte, ein abgehörtes Telefonat, das aber nicht als Beweismittel taugte. So hatte die 10. Große Strafkammer des Bonner Landgerichts keine andere Wahl, als einen 52-jährigen Troisdorfer am Freitag freizusprechen. Ihm war erpresserischer Menschenraub vorgeworfen worden, seit dem 13. April 2023 saß er in Untersuchungshaft.
„Im Zweifel für den Angeklagten“, wies Vorsitzender Richter Marc Eumann in der Urteilsbegründung auf den alten Rechtsgrundsatz hin, wobei er hinter dem Wort „Zweifel“ ein unüberhörbares Ausrufezeichen setzte. Denn es könne durchaus sein, dass der Mann auf der Anklagebank „irgendwie mit drinhängt“, aber das sei eben nicht rechtssicher festzustellen gewesen.
Troisdorfer lernte den Spediteur wenige Wochen vor der Tat kennen
Die Geschichte, so lässt sich aus im Verfahren gemachten Andeutungen entnehmen, scheint im Milieu von Autoschiebern, illegalen Geschäftemachern und Bordellbetreibern gespielt zu haben.
Wenige Wochen vor der Entführung am 7. September 2003 lernten sich der jetzige Angeklagte und das spätere Opfer, ein Spediteur, auf einer Geburtstagsfeier kennen. Dabei soll der Troisdorfer dem heute 55 Jahre alten Unternehmer laut Anklage vorgehalten habe, er verdiene sein Geld mit der Förderung der Prostitution russischer Frauen. Ob das stimmte, konnte das Gericht nicht nachweisen. Der Spediteur habe sich in seiner Zeugenaussage nur vage zu der Art von Gewerbe geäußert, das er damals ausgeübt habe, so der Kammervorsitzende.
Ob der Angeklagte dann drei Bekannten erzählte, bei dem Kaufmann sei was zu holen, ist ebenfalls nicht sicher. Fest steht, dass zwei aus dem Trio am Abend des 7. September 2003 an der Wohnung des Spediteurs in Troisdorf klingelten, ihn mit einer Waffe in ein Auto zwangen, an dessen Steuer der dritte Mann saß, und mit ihm zum Allner See in Hennef fuhren. Die Anweisungen habe der Angeklagte per Handy gegeben.
Entführer wurden bald nach der Tat in Troisdorf aufgespürt und angeklagt
Das mit einer Pistole bedrohte Opfer bot in seiner Not den Entführern 10.000 Euro an, die er von einem Bekannten holte und ihnen auf dem Parkplatz eines Burger-Imbisses in Spich übergab. Die Männer wussten nicht, dass die Polizei wegen illegaler Geschäfte gegen sie ermittelte und ihre Telefone abhörte. So bekamen die Fahnder einen Anruf mit, den der Angeklagte mit dem Opfer während der nächtlichen Fahrt führte. Nur dieses Telefonat gab der 52-Jährige zu, sagte aber nichts zum Inhalt, der nicht aufgezeichnet worden war.
Die drei Entführer wurden bald nach der Tat aufgespürt und angeklagt. Einer wurde am 1. September 2004 zu fünf Jahren, der zweite am 27. April 2006 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Gegen den Fahrer des Autos stellte die deutsche Justiz die Ermittlungen ein, weil er in den Niederlanden wegen anderer Verbrechen für acht Jahre ins Gefängnis musste.
Gericht ordnete sofortige Entlassung aus der U-Haft an
Auch der jetzige Angeklagte geriet in Verdacht, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein; im Sommer 2005 kam er für drei Wochen in Untersuchungshaft. Danach tauchte er unter und lebte 18 Jahre lang unter falschem Namen in Troisdorf. Als er seine Freundin verließ, zeigte sie ihn aus Rache an. Am 13. April 2023 wurde er verhaftet.
Das Gericht ordnete seine sofortige Entlassung aus der U-Haft an; dagegen legte die Staatsanwaltschaft, die wegen erpresserischen Menschenraubs fünf Jahre und zehn Monate Haft gefordert hatte, sofort Beschwerde ein, zog sie aber nach einer Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden zurück. Die Verteidiger Michael Hakner und Martin Kretschmer hatten auf Freispruch plädiert. Ihr Mandant wird für jeden Tag der zweimaligen U-Haft entschädigt.