Es sind Geschichten tausendfacher Rettung, die die Ausstellung über die Initiative des Ehepaars Neudeck und die „Boat People“ erzählt.
GrünhelmeMusit zeigt Ausstellung über Neudecks Initiative zur Seenotrettung
In dieser Ausstellung werden Tränen fließen. „Ich muss weinen, wenn ich daran denke“, sagt Vu Thi May; mit feuchten Augen steht ihr Mann Hoang Huu Hung vor dem Schiffsmodell. Die „Port de Lumière“ nahm im Oktober 1979 die 18 und 20 Jahre alten Flüchtlinge an Bord. Die beiden verdanken wie Tausende andere Vietnamesen ihr Leben dem Einsatz der Helfer des Komitees Cap Anamur/Deutsche Notärzte.
Seit 20 Jahren sind die ebenfalls von Rupert und Christel Neudeck gegründeten Grünhelme weltweit aktiv. „Man muss etwas tun!“ heißt die Ausstellung im Museum für Stadt- und Industriegeschichte (Musit), Untertitel: „Rupert Neudeck und die radikale Humanität“.
„Rupert Neudeck kann man zu jeder Zeit hochleben lassen“, sagte Museumsleiterin Dr. Pauline Liesen bei der Vorbesichtigung. Was der 2016 gestorbene Troisdorfer und seine Frau ab Ende der 70er Jahre geleistet haben, sei „immer ein Anlass, eine Ausstellung zu machen“.
Christel Neudeck blickt zurück auf das gemeinsame Werk
Bernadette Fischer hat die Schau kuratiert, die das Lebenswerk Rupert Neudecks darstellt, im Nebenraum aber auch die Biografie und die Arbeit des Paars im Spicher Reihenhaus: Den Schreibtisch hat Christel Neudeck als Leihgabe bereitgestellt, „die Küchentüre holen wir morgen ab“, sagte Pauline Liesen. Die war ausgehängt worden, damit Christel Neudeck auch beim Kochen mitbekam, was im Wohnzimmer besprochen wurde.
Eine Aktion von vielleicht drei Monaten Dauer hatte Neudeck 1979 vor Augen, der Geld sammeln wollte, um die französische Rettungsmission im südchinesischen Meer zu unterstützen. „Mein Gott, was waren wir nervös“, erinnert sich Christel Neudeck an das erste Fernsehinterview mit Franz Alt.
Ein Gespräch mit enormem Erfolg: Binnen kürzester Zeit kam so viel Geld zusammen, dass die Deutschen ein Schiff chartern konnten, das unter dem Namen „Cap Anamur“ drei Jahre lang die „Boat People“ in Sicherheit brachte. 10 375 Menschen retten Neudeck und seine Mitstreiter von 1979 bis 1982 und noch einmal 1986 aus Seenot.
Ausstellung erzählt dramatische Fluchtgeschichten der „Boat People“
Vu Thi May und Hoang Huu Hung gehören dazu, die in Troisdorf eine neue Heimat gefunden haben. Nach zwei Tagen auf See hatte ein Frachtschiff ihr mit 172 Personen besetztes Boot entdeckt und sie später an Bord genommen. An hohe Wellen und Sturm erinnert sich das Paar, dessen Tochter in Troisdorf geboren wurde.
Drei vergebliche Fluchtversuche unternahm Thuy Ngyen, die als 16-Jährige dafür ins Gefängnis musste. „Ich kriege immer noch Gänsehaut“, sagt sie vor der Vitrine mit einem Bootspropeller: Beim Versuch, in der Dunkelheit ein Boot zu Wasser zu lassen, hätte sie beinahe in die wirbelnde Schraube gegriffen. Ihr Bruder verhinderte das Schlimmste, er konnte auch nach geglückter Flucht die Geschwister nachholen.
Geschichten der Rettung und der großen Unterstützung erzählt die Ausstellung, sie verschweigt aber auch die Probleme nicht: Zu sehen ist Hasspost, die im Briefkasten der Neudecks landete. Auch das Ringen um die Aufnahme der Geretteten wird beleuchtet. Ein Ringen, das 1982 zur Rückkehr der Cap Anamur nach Hamburg führte. Wo Schulklassen die Geflüchteten begrüßten, wie sich Christel Neudeck erinnert. „Wer da wirklich kommt, wussten wir nicht“, sagt Christel Neudeck. „Aber es spielte keine Rolle.“
Termine
Am Freitag, 12. Mai, wird die Ausstellung im Musit auf Burg Wissem um 19 Uhr mit einer Podiumsdiskussion eröffnet. Zu Gast sind Christel Neudeck, Bernd Göken, Geschäftsführer des Vereins Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte, und Simon Bethlehem, Vorstandsvorsitzender der Grünhelme.
Weitere Informationen gibt es auf der Website.
Im Anschluss ist die Ausstellung dort bis zum 8. Oktober zu sehen. Ab dem 5. September zeigt das Museum zudem eine Fotoausstellung mit dem Titel „Überleben 1979-2019“ mit Aufnahmen von Jürgen Escher zur Geschichte von Cap Anamur.