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St. HippolytusTroisdorfer Kirche verzichtet ein Jahr lang auf Bänke

Lesezeit 3 Minuten

Auf neue Erfahrungen im dann völlig leergeräumten Kirchenraum hoffen Regina Flackskamp und Daniela Ballhaus.

Troisdorf – Vor Tagen wurde „schwer geräumt“ in der Pfarrkirche St. Hippolytus: Mitarbeiter einer Spedition trugen die Bänke ins Freie und verluden sie auf bereitstehende Lastwagen. Ein Fall für den Sperrmüll sind jeweils 80 bis 100 Kilo schweren Sitzmöbel aber keineswegs. Sie werden vielmehr eingelagert und machen Platz für ein besonderes Projekt.

Ein Jahr lang können ab Aschermittwoch die Gläubigen ihre Kirche einmal ganz anders erleben. „KirchenRaum“ haben die Gremien von St. Hippolytus das Vorhaben genannt; der „weite Raum“ der riesigen Kirche und der Verzicht auf fest verschraubte Bänke sollen Gelegenheit geben, im wahrsten Sinne des Wortes neue Wege zu gehen und neue Perspektiven zu finden. Er freue sich auf Vielfalt, Entdecken und Ausprobieren, sagte der Leitende Pfarrer Hermann-Josef Zeyen. Er betont aber: „Alles hat seine Berechtigung“, auch die bekannten Formen von Gottesdienst und Verkündigung.

Andere Formen des Gottesdienstes

Man verstehe sich als „Kirche in der Stadt“, erklärte Pastoralreferentin Daniela Ballhaus die in den Gremien der Pfarrgemeinde entwickelte Idee. Allein die Zahl der täglich entzündeten Kerzen in dem Gotteshaus und viele Gespräche während des weihnachtlichen „Winterwaldes“ oder anderer Veranstaltungen in der Fußgängerzone zeigten: „Das Viertel ist größer als das, was sich hier im Gottesdienst abbildet.“ So kannte das Pastoralteam mehr als die Hälfte der Menschen, die an Ostern geweihte Palmzweige abholten, nicht aus der Messe.

Ein „Wiederentdecken von anderen Formen“ des Gottesdienstes und der Begegnung mit dem Glauben im eigenen Leben erhofft sich Pfarrer Zeyen. Der Gottesdienst in seiner althergebrachten Form sei weder schlecht noch falsch, betont er. Die klassische Anordnung der Bänke aber bedeute eine „Engführung“, da sie eben nur diese eine Form zulasse.

Für ein Jahr kommen die Bänke aus der katholischen PfarrKirche St. Hippolytus in der Innenstadt ins Möbellager.

Altar und Ambo, Taufbecken und Tabernakel werden die Kirche nicht verlassen; an die Stelle der Bänke aber treten Stühle. Nicht weil es „modern“ sei, widerspricht Zeyen einer bereits geäußerten Befürchtung. Vielmehr könne sich jeder Gottesdienstbesucher – unter Beachtung der Coronaauflagen – seinen eigenen Platz, seine eigenen Blickwinkel auf das Geschehen aussuchen. Neben den Gottesdiensten werde es ein Jahresprogramm mit Veranstaltungen geben, sagte Regina Flackskamp aus dem Projektteam.

Das Entscheidende aber finde zwischen den Veranstaltungen statt, betonte Pfarrer Zeyen: Die täglich geöffnete Kirche – stets mit Stühlen auf Besucher eingerichtet, die sich setzen wollen – bleibe Raum für Stille und Auszeit, ohne dass man mit einem Vertreter der Gemeinde ins Gespräch kommen muss. „Den Grad der Nähe bestimmt der, der reinkommt“, sagt Daniela Ballhaus. „Ganz biblisch“ sei dieser Gedanke, die Bibel voll von solchen Geschichten über kurze Begegnungen, bevor man wieder seiner Wege gehe.

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„Wir muten Ihnen große Veränderungen zu“, hat das Projektteam an die Gemeinde geschrieben. Doch könnten in diesem einen Jahr auch festgefahrene Wege verlassen werden. Auf welchem Weg die Gemeinde am Ende weitergeht, wissen sie noch nicht. Für alle Skeptiker aber, die fürchten, Liebgewonnenes zu verlieren, haben sie eine Beruhigung zur Hand: Nur eine von zehn katholischen Kirchen in Troisdorf werde sich vielleicht auch dauerhaft verändern. „Es sind noch neun andere da.“