EUKampf gegen Krebs mit Protonenstrahl – Troisdorfer Firma investiert 100 Millionen
Troisdorf – Die ganze Anlage ist so groß wie ein Tennisplatz, doch entscheiden letztlich Bruchteile von Millimetern über die Qualität der Behandlung.
100 Tonnen wiegt alleine das Kernstück, der Zyklotron, doch den kleinen und leichten Patienten, den Kindern, kommen die neuen Möglichkeiten medizinischer Behandlung besonders zugute: Teilchenbeschleuniger für die Therapie von Tumorerkrankungen stellt die Firma Varian Medical Systems Particle Therapy GmbH an der Oberlarer Landgrafenstraße her.
Dort informierte sich am Donnerstag NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Im Gepäck hatte der Minister zwei Förderbescheide über insgesamt zehn Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Geräte sollen kleiner und günstiger werden
Kleiner und günstiger sollen die Geräte werden, erklärten Geschäftsführer Dr. Wolfgang Kaissl, Forschungs- und Entwicklungschef Dr. Michael Schillo sowie Dirk Bakemeier, der das operative Geschäft der Firma leitet. 37,8 Millionen Euro wird, den Zuschuss eingerechnet, in den nächsten Jahren der US-Konzern Varian medical systems in die Weiterentwicklung der Protonentechnik stecken.
Insgesamt werde Varian am Standort Troisdorf 100 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren investieren, kündigte Wolfgang Kaissl an. Ein Forschungs-, Entwicklungs- und Testzentrum soll an der Landgrafenstraße entstehen, gemeinsam mit Vertretern aus Hochschulen und anderen Unternehmen werde hier die Technik weiterentwickelt.
„Gut angelegtes Geld“ nannte Duin bei seinem Besuch in Oberlar den Zuschuss. Denn noch hat statistisch betrachtet nur ein Prozent der Strahlentherapie-Patienten Zugang zur Protonenbehandlung, bei 20 Prozent der Erkrankten wäre sie aufgrund der Diagnose angezeigt.
Behandlungskosten liegen bei 20.000 Euro
„Die Investition ist hoch“, räumten die Vertreter von Varian ein: 20 Millionen Euro kostet derzeit noch eine Anlage, die mit Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts und mit supraleitenden Materialien arbeitet. Damit sind sie fünfmal so teuer wie die Geräte für die konventionelle Strahlentherapie. Auch die Behandlungskosten liegen mit 20.000 zu 4000 Euro um ein Mehrfaches höher.
An sechs Standorten in Deutschland werden Patienten mit Protonentherapie behandelt: In Essen, Dresden, München, in Berlin, Marburg und Heidelberg stehen Beschleuniger. Aus Troisdorf werden aber Kliniken weltweit beliefert, eine der sechs in diesem Jahr zur Auslieferung bestimmten Anlagen geht zum Beispiel nach Atlanta in den USA. „Wir sind Marktführer bei den neu installierten Anlagen“, erklärten die Troisdorfer stolz. Ein Unternehmen in Belgien sei allerdings schon zehn Jahre länger am Markt.
Strahlentherapie mit Teilchen seit Jahrzehnten bekannt
Dass man mit Teilchen – den Protonen – Tumoren im Körper bekämpfen kann, ist seit Jahrzehnten bekannt. Doch erst 1998 konnte in Deutschland ein Patient damit behandelt werden; „bis vor 20 Jahren hatte man keine Chance, die Teilchen industriell zu erzeugen“, erklärte Ingo Schäfer, Physiker bei Varian in Troisdorf.
Dabei sind die Vorteile wohl unbestritten und inzwischen auch höchstrichterlich als Schulmedizin anerkannt: Während bei der konventionellen Strahlentherapie die Röntgenstrahlen hoch dosiert sind, damit am Tumor eine noch ausreichende Dosis ankommt – und die Schäden am umgebenden gesunden Gewebe entsprechend hoch sind –, werden die Teilchen aus dem Beschleuniger immer langsamer und schließlich vom Tumor gestoppt.
Hinter dem bösartigen Gewebe komme gar keine Dosis mehr an, erklärte Schillo. Was insbesondere Kinder schont, denn deren Risiko ist hoch, an sogenannten Sekundärtumoren zu erkranken. Aber auch bei erwachsenen Patienten sind Spätfolgen der Strahlentherapie bekannt.
Das Unternehmen
Supraleitende Magneten baute an der Landgrafenstraße schon die Firma Accel für das Forschungsprojekt CERN in Genf. Seit 2007 ist Varian dort ansässig; mit zunächst 80 Mitarbeitern begann die Produktion.
Heute arbeiten dort über 300 Beschäftigte, so Geschäftsführer Kaissl; mehr als 50 sind in den Abteilungen Forschung und Entwicklung tätig: Mediziner und Physiker, Fachleute für Mechanik und Elektronik.
„Wir können uns mit einem interessanten Produkt gut darstellen“, sagt Dirk Bakemeier zur Fachkräftesituation. „Aber nicht aus dem Vollen schöpfen“.