Wohnheim im „Klösterchen“Das ist die Flüchtlings-WG in Troisdorf-Bergheim

Gemeinsame Mahlzeiten sind Teil des Tages in der Unterkunft für die zwölf Jugendlichen, die ohne Familie eingereist sind.
Copyright: Krantz
Troisdorf – Der Investor stand schon in den Startlöchern, die Pläne für Abriss des „Klösterchens“ und Bebauung des Pfarrgartens in Bergheim lagen in der Schublade.
Doch dann besannen sich Kirchengemeinde und Kirchenvorstand. Statt der Bagger kamen neue Bewohner mit Pinsel und Farbe. Seit Anfang Mai leben hier nun zwölf jugendliche Flüchtlinge, die von zehn Mitarbeitern der Rheinflanke in einem Drei-Schicht-System betreut werden.
15 Jahre alt ist der Jüngste, 17 der Älteste der Jugendlichen, die hier ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben. „Wir waren als Jugendamt in Troisdorf für zwei Unterkünfte zuständig“, erinnert sich Sascha Rottmann. Im Berufskolleg des Rhein-Sieg-Kreises und in der Turnhalle des Sieglarer Gymnasiums waren im vergangenen Jahr so genannte Umas angekommen, „unbegleitete minderjährige Ausländer“.
Offene Türen eingerannt
Mehr als 60 wurden über die Monate verteilt insgesamt dort betreut, etwa 40 sind nach wie vor in Troisdorf. „Wir haben noch Luft nach oben“, erläutert Stefanie Lachmund, Rottmanns Kollegin aus dem Uma-Team im Jugendamt. Erst bei 57 Jugendlichen, die ohne Eltern hier ankommen, hätte die Stadt ihre Quote erfüllt.
Doch wie sollte man sie alle unterbringen? Vor dieser Frage standen die Troisdorfer wie alle Nachbarkommunen: Gast- und Pflegefamilien „fallen nicht vom Baum“. Das habe die Entscheidung nahegelegt, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Gemeinsam mit Rheinflanke gingen Lachmund und Rottmann auf die Suche nach einer geeigneten Immobilie, „und plötzlich fiel das Stichwort Klösterchen in Bergheim“, erinnern sich die zwei.
„Wir haben offene Türen eingerannt und sind hier herzlich empfangen worden“, berichtet Jacob Reike, der Standortleiter des Trägers Rheinflanke. Am ersten Tag schon hätten Nachbarn Spenden vorbeigebracht oder sich interessiert erkundigt. Positiv heben alle Beteiligten die gute Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Träger, aber auch mit den ehrenamtlichen Helfern der ökumenischen Initiative hervor. „Hier zu netzwerken macht wirklich Spaß“, versichert Thorsten Heck, der pädagogische Leiter der Rheinflanke.
Die meisten der Neu-Bergheimer stammen aus Afghanistan, ein Somali ist eingezogen, zwei Kurden und ein Syrer. Was sie auf ihrer Flucht erlebt haben? „Wir haben nicht noch mehr Fragen gestellt“, sagt Hausleiter Haithem Ferid. „Wir erfahren nur, was sie uns sagen.“ Die Erinnerungen dürften sich ähneln: „Unisono“, so Rottmann, berichteten afghanische Jugendliche nach der Flucht, dass Taliban das Dorf besetzt hätten, manchmal hatten auch Angehörige mit den Alliierten zusammengearbeitet. Oft sei nur Geld da gewesen, um ein einziges Kind in den Westen zu schleusen, erklärt Stefanie Lachmund. Einzelne seien mit der Familie aufgebrochen, aber unterwegs getrennt worden.
Gemeinschaft in kürzester Zeit gebildet
„Toll ist, wie sich in kürzester Zeit eine Gemeinschaft gebildet hat“, schildert Jacob Reikes einen Eindruck nach den ersten Wochen. „Es ist harmonisch geworden zwischen allen Jungs“, bestätigt auch Haithem Ferid. Einen Rahmen wollen sie den jungen Menschen geben, innerhalb dessen sie wieder zu sich selbst finden und auch Selbstbewusstsein aufbauen sollen. An der Wand hängt ein Tagesablauf und ein Putzplan. Stabilität soll helfen, das innere Chaos zu heilen. Schule beginnt um 8 Uhr und nicht dann, wenn man wach wurde und den Weg dorthin geschafft hat, ist eine der Botschaften an die Bewohner, die auf ihrem langen und oftmals gefährlichen Weg so selbstständig werden mussten. Sie müssen auch damit fertig werden, dass Erwartungen und Versprechungen auf die harte Realität prallen. Das, so Thorsten Heck, „muss man in dem Alter erst einmal wegstecken“.
Verselbstständigung der jungen Leute ist das oberste Ziel der Arbeit, die in Bergheim geleistet wird. Drum gibt es auch schon Pläne für zwei weitere Häuser in Troisdorf, in die mit wachsender Sicherheit die Jugendlichen ausziehen sollen, um weniger intensiv betreut zu werden. Auch dabei hoffen die Profis auf das Mittun der Nachbarschaft. „Wir müssen den Jugendlichen eine Perspektive geben“, hat Sascha Rottmann bei einer Informationsveranstaltung für Anwohner gesagt. „Am besten machen wir das zusammen.“
Einladung
Zur Einweihungsfeier und zum gegenseitigen Kennenlernen sind für Samstag, 9. Juli, von 12 bis 15 Uhr, die Nachbarn des Hauses Klostergasse 9 in Bergheim und alle anderen Interessierten eingeladen.
Für die kleinen Besucher gibt es Sommerspiele im Garten; alle Gäste können sich bei Paella, Kaffee und Kuchen stärken und das Haus besichtigen.