Etwa 10.000 verwilderte Katzen leben im Kreis. Vereine wie „Straßenkatzen Bonn/Rhein-Sieg“ lassen die Tiere kastrieren.
ÜberpopulationKatzen vermehren sich im Rhein-Sieg-Kreis rasant
Jeder kennt die Suchplakate an Bäumen oder Laternenpfählen, mit denen verzweifelte Besitzerinnen und Besitzer nach ihrer Katze suchen. Doch nicht jedes Tier, das durch die Gärten huscht, ist ein gesuchtes Haustier: Im Rhein-Sieg-Kreis leben rund zehntausend verwilderte Katzen – und vermehren sich völlig unkontrolliert. Ehrenamtliche Gruppen wie der Verein „Straßenkatzen Bonn/Rhein-Sieg“ aus Königswinter fangen die Katzen ein und lassen sie kastrieren.
„Wir haben im Rhein-Sieg-Kreis eine Überpopulation verwilderter Katzen. Das ist wie mit den Straßenhunden in Rumänien. Der Unterschied ist: Katzen sieht man nicht, weil sie dämmerungsaktiv sind – aber sie sind da“, erklärt Gabi Aubele, die Vorsitzende des Vereins aus Königswinter. Es seien die Nachkommen von Hauskatzen, die sich irgendwann einmal mit verwilderten Katzen vermehrt hätten. Seit 2017 gibt es im Rhein-Sieg-Kreis eine Kastrationspflicht für Katzen – und das nicht ohne Grund.
Katzenpopulation kann in zehn Jahren auf 80 Millionen steigen
„Ein Muttertier kann zwei Mal im Jahr Nachwuchs bekommen. Nach sechs Monaten können die Weibchen selbst trächtig werden. Wenn man davon ausgeht, dass von jedem Wurf drei Tiere überleben, hat man nach fünf Jahren 12.000 Tiere – und nach zehn 80 Millionen“, rechnet Aubele vor. „Zum Glück überleben nicht alle, so bleibt die Population kleiner.“ Die Tiere verhungerten, würden überfahren oder erkrankten. „Viele Katzen kriegen Katzenschnupfen – klingt harmlos, kann die Tiere aber töten. Geimpfte Katzen kriegen das nicht.“
Die Kastrationspflicht gelte nicht nur für Haustiere mit Körbchen und Namen, sondern alle Katzen, die auf Bauernhöfen, Fabrikgeländen oder Schrebergärten lebten. „Sie müssen kastriert, gechipt und registriert werden. Wir fangen im Jahr vielleicht 500 Tiere ein – das bringt nicht viel bei geschätzt 10.000 Tieren, die im Rhein-Sieg-Kreis leben.“
Katzen müssen kastriert, registriert und gechipt werden
Der Vereine bringe die Katzen zum Tierarzt, der die Kastration und die Kennzeichnung vornehme. „Danach lassen wir sie wieder frei. Wenn wir eine Katze nochmal erwischen, können wir einfach ihren Chip auslesen.“ Das anschließende Wiederaussetzen sei die beste Lösung: „Wir können sie ja nicht in Käfige stecken oder einschläfern, sofern sie nicht krank sind.“
Aubele hält die Überpopulation für ein menschengemachtes Problem. „Ratten zum Beispiel sind Wildtiere. Katzen aber haben sich über tausende von Jahren an Menschen gewöhnt. Deswegen müssen wir uns darum kümmern, wenn es zu viele geworden sind.“
Eine verwilderte Katze sei nur selten zu sehen und noch schwerer zu erwischen. „Wenn Sie eine Katze mehrmals an derselben Stelle sehen oder sie sogar Kontakt sucht, können Sie davon ausgehen, dass es tatsächlich ein entlaufenes Haustier ist. In der Natur geborene Katzen nehmen Reißaus.“ Sei die Mutter zahm, seien auch die Babys zahm. „Haben sie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, geben sie das ebenfalls an ihre Kinder weiter.“
Kosten für die Tierarztbehandlungen tragen die Vereine selber
Aubele nimmt mit ihren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Hinweise über Katzenpopulationen entgegen. „Wenn wir von einer streunenden Katze hören, versuchen wir, sie zu einfangen.“ Wie viele Nächte sie sich schon um die Ohren geschlagen habe, weiß sie nicht. „Wir stellen unsere Falle auf und warten, bis die Katze hineinläuft. Dann bringen wir sie zum Tierarzt.“
Die Kosten dafür müsse der Verein selbst tragen. „Für Weibchen zahlen wir 300 Euro, für Kater 250 Euro“, sagt Aubele. Deswegen sei „Straßenkatzen Bonn/Rhein-Sieg“ wie weitere Tierschutzvereine, die sich des Problems annähmen, auf Spenden angewiesen. Der Kreis, der die Kastrationspflicht vor sieben Jahren eingeführt hat, überlässt diese Arbeit weitgehend den Vereinen. Ihre Arbeit werde mit 5000 Euro pro Jahr bezuschusst, teilt Sprecherin Bettina Heinrichs-Müller mit. Weitere Maßnahmen ergreife der Kreis auch über die Kommunen nicht.
Dennoch begrüßt Gabi Aubele die Kastrationspflicht, hält sie gar für notwendig. „Das Problem der Überpopulation wird damit nicht behoben – aber es hilft dem einzelnen Tier. Die Kastrationspflicht ist praktizierter Tierschutz.“