Vorfreude, Verwirrung und FrustEinzelhändler in Rhein-Sieg öffnen wieder
Rhein-Sieg-Kreis – Verunsichert zieht der regionale Einzelhandel in die neue Woche – was ist erlaubt, was noch verboten – manchmal sind die Grenzen fließend. Wir haben in Troisdorf, Sankt Augustin und Siegburg in drei Geschäften nachgefragt, wie es um die Stimmung bei den Inhabern nach der langen Pause bestellt ist.
Buchhandlung
Die Mitarbeiter der Buchhandlung Kirschner in Troisdorf freuen sich, am Montag nach fast drei Monaten endlich wieder Kunden im Geschäft an der Alten Poststraße begrüßen zu dürfen. Da man in dem Ladenlokal neben Büchern auch bei der Modekette Esprit einkaufen kann, muss Filialleiterin Angela Hubert nun Pullover, Hosen und Hemden mit einem Flatterband von den Regalen mit dem Lesestoff trennen. Denn für Bekleidungsgeschäfte ist die Situation noch anders.
„Wir sind relativ gut durch die Krise gekommen; wir haben das aber auch mit erheblichen Einbußen an Umsätzen und Kurzarbeit teuer erkauft“, sagt Angela Hubert. Seitdem der Präsenzverkauf an einer Art Ladentheke in der Eingangstür wieder möglich ist, konnte man bei Kirschner bestellte Bücher täglich von 10 bis 14 Uhr abholen. Der provisorische Verkaufsstand mit Tisch und Plexiglasscheibe war vom Ordnungsamt abgesegnet.
„Wir sind auf allen Kanälen zu erreichen wie zum Beispiel über die Homepage“, führt die Filialleiterin weiter aus. „Click und collect“ habe sehr gut funktioniert. Ab Montag zwischen 10 und 17 Uhr kann der Kunde dann aber auch wieder Bücher aus den Regalen aussuchen, natürlich mit allen corona-conformen Regeln mit Maske, Desinfizieren und Begrenzung der Anzahl der Kunden.
Blumengeschäft
In der Pusteblume in Sankt Augustin-Hangelar dürfen Kunden ab Montag wieder alles kaufen. Neben den frischen Blumen, die zur verderblichen Ware gehören und vom Lockdown nicht betroffen waren, kann Blumenhändler Will Borger nun auch wieder Deko-Artikel, Holz-Osterhasen, Gießkannen und auch Grablichter an den Mann und an die Frau bringen. Nachvollziehen kann er manche Sachen aber nicht: „Grabkerzen dürfen wir nicht verkaufen, aber gegenüber der Supermarkt hat sie im Sortiment und darf sie die ganze Zeit normal veräußern“, wundert er sich.
Die begrenzte Kundenanzahl von zwei Personen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird auch weiterhin in dem kleinen Ladenlokal verpflichtend sein. Wirtschaftlich mag Borger aber nicht zu laut klagen wegen der Pandemie: „Wir sind als Blumenhändler mit einem blauen Auge davongekommen.“ Natürlich habe es Einbußen gegeben, aber die Kosmetikhändlerin nebenan habe es viel schlimmer getroffen, fügt er an.
Im ersten Lockdown im vergangenen Jahr wäre der Verkauf von frischen Blumen sogar gestiegen. Diesmal sieht Borger diese Tendenz aber nicht. „Im Winter werden immer weniger Blumen gekauft“, hat er erfahren müssen.
Parfümerie
Eigentlich hatte sich Petra Leuchtenberg-Breuer auf den Montag gefreut, darauf, ihre Parfümerie mit Kosmetikstudio an der Kaiserstraße in Siegburg wieder zu eröffnen. Doch wie das funktionieren soll, dahinter steht für sie noch ein großes Fragezeichen, vor allem für die Arbeit in den Kosmetikkabinen. „Für Kunden und Kosmetikerinnen brauche ich negative tagesaktuelle Schnelltestergebnisse, aber woher sollen die so schnell kommen?“ Gerne hätte sie am Freitag Termine vereinbart, was so aber nicht möglich war. Dabei wäre ein gelungener Neustart wichtig, zumal sie Bademoden und andere Textilartikel um die Hälfte reduziert hat.
„Die neuen Richtlinien sind der Tod des privaten Fachhandels“, fürchtet sie. Dabei habe gerade ihre Branche Hygienekonzepte besonders gut umgesetzt. „Ich kann garantieren, dass in meinem Geschäft nur ein oder zwei Kundinnen sind.“ Rund 1000 Euro habe sie im Monat in Hygienemaßnahmen investiert. Jetzt aber sei das Kosmetikstudio seit vier, das Geschäft seit drei Monaten geschlossen. „Nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ sei die Erlaubnis für „Click and meet“, viele ältere Kundinnen seien nicht sonderlich internet-affin. Umso wichtiger seien telefonische Terminvereinbarungen für den Besuch im Geschäft und Bestellungen.
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Seit 37 Jahren ist sie selbstständig, die Zukunft sieht sie derzeit düster. „Nach diesem extrem langen Lockdown werden die Innenstädte ihr Gesicht verändern.“ Individuelle Geschäfte und somit auch das Einkaufserlebnis drohten verloren zu gehen. Zudem: „Soweit ich weiß, zahlen Amazon, Zalando und so weiter kaum Steuern, anders als der lokale Einzelhandel.“