Wolf im Rhein-Sieg-KreisJäger und Landwirte sind von neuer Landesregierung enttäuscht
Rhein-Sieg-kreis – Um die Wölfe im Rhein-Sieg-Kreis war es in den vergangenen Wochen recht ruhig. Den letzten nachgewiesenen Nutztierriss hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) am 17. Mai in Eitorf registriert. Tierhalter und Naturschützer im Kreisgebiet aber wissen: Der Wolf ist hier. Jederzeit kann es wieder zu einem Angriff auf Weidetiere kommen.
Auch politisch blieb es zuletzt ruhig um das Thema: Zuerst trat Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) zurück, dann begann der Landtagswahlkampf, die neue Regierung musste sich finden. Wer nun im Koalitionsvertrag nach dem Stichwort „Wolf“ sucht, findet folgenden kurzen Passus: „Das Land sieht sich in der Pflicht, Weidetierhalterinnen und -halter zu unterstützen. Um die Weidetierhaltung zu sichern, werden wir ein ambitioniertes Wolfsmanagement betreiben.“
NRW-Landwirtschafts- und Umweltministerium fortan getrennt
Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt auf Anfrage beim NRW-Umweltministerium zunächst noch offen. Man verweist auf den noch nicht abgeschlossenen Anpassungsprozess.
Neu ist neben der Regierung und den handelnden Personen die Aufsplittung des Ministeriums in ein Umwelt- und ein Landwirtschaftsministerium. Wie sich die Verteilung bei dem Thema künftig genau organisiere, sei noch nicht abschließend geklärt, es sortiere sich noch, heißt es dazu aus dem Umweltministerium. Fürs Erste liege die Zuständigkeit wie gehabt bei Landwirtschaftskammer und Lanuv.
Der neue Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) schreibt in einem Statement auf Anfrage: „Nach der langen Abwesenheit erfordert die Rückkehr einen neuen und nicht mehr gewohnten Umgang mit Wölfen.“ NRW müsse die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sich der Wolf wieder in seinen ursprünglichen Verbreitungsgebieten ansiedeln könne – zugleich aber die Belange des Arten- und Herdenschutzes gewahrt würden. „Die Weiterentwicklung des Wolfsmanagements und der entsprechenden Instrumente ist eine wesentliche Aufgabe, die wir zügig angehen werden.“
Klare Richtlinien aus der Politik vermissen die Jäger. „Das hätte man im Koalitionsvertrag besser regeln können“, betont Elisabeth Trimborn, Vorsitzende der Kreisjägerschaft. In Schweden, Finnland und Frankreich sei dies schon geschehen. Dort sei die Wolfspopulation im Vergleich zur Fläche des Landes niedriger als in Deutschland. „Durch mein Revier in Lohmar ziehen auch immer wieder Wölfe“, berichtet Trimborn. Wenn sie Rehe oder andere Tiere rissen, dann sei dies „artgerecht und Teil des Lebens in der Natur“. Wenn die Population der Wölfe allerdings zunehme, würden sich die Herdentierhalter wehren.
Umgang mit dem Wolf: Landwirte im Rhein-Sieg-Kreis sind enttäuscht von der Politik
Für einen Wolf sei es einfacher, ein Schaf oder eine Ziege auf der Weide zu reißen, als ein scheues Reh im Wald zu jagen. Deshalb fordert Trimborn, dass beim „Wolfsmanagement des Landes endlich eine klare Richtlinie erarbeitet wird.“ Dies werde dazu führen, dass „der Wolf als Teil unserer Tierwelt besser geschützt werden kann“.
Schon 19 Nachweise im laufenden Jahr
In diesem Jahr hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv ) bereits 19 Nachweise für Wölfe im Rhein-Sieg-Kreis in Hennef, Windeck und Eitorf registriert. In Hennef und Eitorf tappten dreimal Wölfe in Fotofallen, zuletzt am 7. Mai, auch gab es eindeutige Kot- und Urinspuren.
14 Nutztier-Risse konnten nachgewiesen werden. Diejenigen, die genetisch zuzuordnen waren, gehen auf das Konto des Leuscheider Rudels. Meist wurde der Anfang 2021 aus Bayern eingewanderte Rüde GW 1896m nachgewiesen, aber auch das Weibchen GW1415f .
Die beiden hatten Nachwuchs bekommen. Eine Wildkamera fotografierte sie mit ihren sieben Welpen und einem Jährling aus dem Wurf von 2020 am 4. September 2021 auf Eitorfer Gebiet. Anfang des Jahres wurden zwei der Welpen bei Zusammenstößen mit Autos in Eitorf und in Hennef überfahren. (seb, rvg)
Auch Landwirte sind enttäuscht von der Politik. Karl Groß, Archehof-Betreiber aus Windeck, empfindet ihr bisheriges Agieren als realitätsfern. Eine Ansiedlung des Raubtiers in seinem ursprünglichen Gebiet sei wegen der heutigen Besiedelung gar nicht möglich. „Es gibt mindestens 2500 Wölfe in Deutschland, 30 Prozent kommen jedes Jahr dazu“, sagt er. „Jeder Wolf frisst drei Kilo Fleisch am Tag.“
Rhein-Sieg-Kreis: Naturschützer hoffen auf Impulse für den Umgang mit dem Raubtier
Auch seine Frau Lisa Anschütz, stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Kreistag, bescheinigt ihren Parteikollegen Realitätsferne. „Meiner Meinung nach brauchen wir eine Obergrenze. Wir müssen gucken, wie viele Wölfe die Region verträgt. Die Landschaft ist viel weniger geworden, aber es soll noch Platz sein für Wölfe?“
Schutzzäune reichten nicht aus, sagt sie. Grundsätzlich vertrage sich Koppelhaltung mit dem Raubtier nicht, so Anschütz weiter. Man werde zunehmend Probleme durch Risse bekommen. „Aber es wird auch zum Problem werden, dass die Versicherungen einen nicht mehr nehmen, wenn eine Kuh oder ein Pferd auf der Flucht vor Wölfen durch den Zaun gegangen und in ein Auto gerannt ist.“
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Naturschützer freuen sich grundsätzlich, dass der Wolf zurück ist. „Wir müssen allerdings erst lernen, mit ihm zu leben“, so Nabu-Kreisvorsitzender Hans-Werner Rauen. Er sagt aber auch: „Alle Weiden großflächig einzuzäunen wäre keine Lösung.“ Dies führe dazu, dass Rehe und andere Tiere sich nicht mehr frei bewegen könnten. Man müsse einen Mittelweg finden.