Kinder„Kölner Stadt-Anzeiger“ und Tüv prüfen Spielplätze in Köln und der Region
Köln – Wenn Peter Löw mit Rollkoffer und ausziehbarer Alu-Leiter einen Spielplatz entert, bleibt kein Detail ungeprüft. Der Spielplatztester vom TÜV Rheinland hat seinen Koffer gefüllt mit Messgeräten und so genannten „Prüfkörpern“, die den Extremitäten von Kindern entsprechen.
Löw steuert im Rheinpark auf die Schaukel zu und entdeckt sofort den ersten Mangel: „Klarer Fall von Hundeverbiss.“ Aus dem einen Schaukelsitz ist ein Stück rausgebissen, auf dem anderen zeichnet sich das Gebiss des Tiers ab. „Es gibt Leute, die richten ihre Hunde an Schaukeln ab. Dann verbeißen sich die Tiere in den Kunststoffsitzen.“ Das zerstört die Dämpfung. Ergebnis: Wenn ein Kind die Schaukel an den Kopf bekommt, gibt es keine Beule, sondern eine heftige Gehirnerschütterung. Seine Bewertung: Klarer Mangelpunkt, den die Stadt zügig beseitigen sollte.
Allein in Köln gibt es derzeit 690 öffentliche Spiel- und Bolzplätze. Dazu kommen Hunderte im Umland. Der TÜV Rheinland hat exklusiv für den Kölner Stadt-Anzeiger und den „Express“ eine Auswahl von 25 Spielplätzen in Köln und Umgebung getestet. Initialzündung war ein bundesweiter Spielplatztest vor gut zehn Jahren mit einem auch in Köln katastrophalen Ergebnis: Damals gab es Durchfallquoten von mehr als 90 Prozent und jede Menge Aufforderungen an Städte, Spielgeräte zu sperren, weil Gefahr im Verzug war.
Seither gab es immer wieder Nachrichten über teilweise sogar tödliche Unfälle auf deutschen Spielplätzen: Fälle, in denen von Pilz befallene Geräte zusammenbrachen. Vor allem aber so genannte Fangstellen: Das sind Zwischenräume, durch die der Kinderkörper durchrutscht, der in der Regel breitere Kopf aber hängenbleibt. „Viele Kinder sind so zu Tode gekommen, weil sie dann vom eigenen Gewicht stranguliert wurden“, erläutert Ralf Diekmann, Experte für Produktsicherheit und Spielplätze beim TÜV Rheinland. So geschehen etwa vor einigen Jahren in Sankt Augustin.
Positive Entwicklung in Köln
Ziel war, herauszufinden, ob sich die Situation verbessert hat. „Wir konstatieren in Köln und Umgebung auf jeden Fall eine positive Entwicklung. Sehr viele Altgeräte aus den 80er und 90er Jahren wurden inzwischen ersetzt“, erläutert Diekmann. Wartung und Instandsetzung würden von den Kommunen mittlerweile deutlich ernster genommen, weil keiner die Haftungsrisiken tragen wolle. So investierte allein die Stadt Köln im vergangenen Jahr 3,25 Millionen Euro in ihre Spielplätze. Hinzu kommen Ausgaben von 8,3 Millionen Euro für den laufenden Unterhalt. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es nur 2 Millionen Euro, beziehungsweise 7,6 Millionen Euro. Ein Stab von 21 städtischen Mitarbeitern kümmert sich ausschließlich um den Spielplatzservice.
Trotzdem musste Tester Löw beim aktuellen TÜV-Test bei vier der untersuchten Plätze die Ampel auf Rot stellen: Am Rathenauplatz, in der Willi-Suth-Allee in Chorweiler, in der Sophia-Scholl-Straße in Brühl und an der Hitdorfer Fähre in Leverkusen. Seine Diagnose: Viele alte wartungsbedürftige und defekte Geräte plus mangelnder Fallschutz. Da stieß er etwa auf Federwippen, bei denen nur noch eine von vier Schrauben mit dem Sockel verbunden war. Die Städte müssen die Mängel nun je nach Schwere unverzüglich oder binnen drei Monaten beheben oder die Geräte abbauen. Auch bei den meisten anderen Plätzen hat Prüfer Löw Mängel gefunden. Genaueres zu den Einzelergebnissen können Sie bei uns Online lesen.
Auf nur zwei Spielplätzen – nämlich auf dem Leipziger Platz in Köln und in der Rehbock-Anlage in Leverkusen blieb die Mängelliste des Prüfers gänzlich leer. Besonders häufig bemängelt wurde mangelnder Sand als Untergrund. Damit gibt es zu wenig Dämpfung, wenn die Kinder aus größeren Höhen runterfallen.
Auch im Rheinpark steuert Löw den Sand unter der Schaukel an: „Der wird von den Kommunen oft stiefmütterlich behandelt“, sagt der Prüfer, während er mit einer Schaufel die Fundamente rund um den Schaukelfuß freilegt. Dann spannt er eine Kordel und schaut, ob die Sandhöhe mit der Grundlinienmarkierung am Gerät übereinstimmt. Das Ergebnis: Es gibt unterm Schaukelsitz nur zehn Zentimeter Sand. Erforderlich wären 30 Zentimeter. Ein Mangel, den der TÜV-Tester auf sehr vielen der getesteten Plätze antraf. Ebenfalls ein Klassiker: Ausgeleierte Abstandhalter an den Federn der Wippgeräte: „Bei Belastung dürfen nicht weniger als zwölf Millimeter zwischen den Federgliedern sein, sonst können Füße und Hände eingequetscht werden.“ Im Rheinpark wie auch an zahlreichen anderen Plätzen waren die Abstandhalter mangelhaft und müssen ausgetauscht werden.
Oft liegt die akute Gefahr auch eher am Rande des Platzes: So ist etwa in Bergisch Gladbach auf den Spielplätzen Diepeschrather Mühle und Saaler Mühle der Zugang zum angrenzenden See der Knackpunkt: Das Gewässer mit einer Tiefe von mehr als 40 Zentimetern ist vor allem für Kleinkinder gefährlich. Fallen sie unglücklich hinein, können sie ertrinken.
Im Rheinpark ist das akute Sicherheitsrisiko das am Rand gelegene Weidentipi, das mit Eisenstangen als Rankhilfe angelegt wurde. Heute hängen die abgerutschten inzwischen rostigen Eisenstangen einen Meter über dem Boden und werden als provisorische Reckstange missbraucht. Dazu entstanden jede Menge Fangstellen durch provisorische Seile, mit denen die Konstruktion notdürftig stabilisiert wurde. Die Äste laden zum Klettern ein, sind aber viel zu dünn, um schwerere Kinder zu tragen. „Dieses Ding gehört komplett entsorgt“, sagt Löw.
Eine Hauptinspektion im Jahr
Die Stadt inspiziert die Spielplätze nach eigenen Angaben im Abstand von vier bis zwölf Wochen, einmal jährlich gibt es eine Hauptinspektion. Weil angesichts der vielen Plätzen nicht immer jeder Mangel gleich auffalle, empfiehlt Löw den Spielplatzbesuchern selbst, Verantwortung zu übernehmen und den Platz beim ersten Besuch in Augenschein zu nehmen: „Wer einen Mangel bemerkt, der sollte diesen sofort bei der Stadt melden. Die entsprechende Rufnummer steht ebenso wie die Spielplatznummer immer auf dem Spielplatzschild am Eingang.“ Auch Hinweise auf akut verschmutzte Spielplätze seien unter der Nummer 0221-22132000 unbedingt erbeten, sagt die Sprecherin des Jugenddezernats Petra Wallraff-Becker. Der Ordnungsdienst reagiere mit zusätzlichen Schwerpunktkontrollen auf diese Hinweise. Wer Drogenhandel beobachte, solle sich unter 0221-2290 direkt an die Polizei wenden.
Denn längst gibt es neben der Verletzungsgefahr durch nicht perfekt gewartete Geräte eine wachsende Gefahr durch Verunreinigung: Glasscherben, Zigarettenkippen, Hundekot und sogar menschliche Exkremente finden die Mitarbeiter der AWB täglich auf Plätzen vor. Besonders ausgeprägt ist die Verschmutzung auf Plätzen, die abends von Jugendlichen, Drogenkonsumenten oder Obdachlosen als Treffpunkt genutzt werden, wie etwa auf dem Rathenauplatz. „Hinterlassenschaften jeder Art sind inzwischen das Hauptgesundheitsrisiko für Kinder auf den Spielplätzen,“ sagt TÜV-Experte Diekmann. Ein gesellschaftliches Problem, das deutlich zugenommen habe und dem selbst mit täglichen Säuberungen nicht beizukommen sei. Gerade für Eltern mit sehr kleinen Kindern oder Kitagruppen mit Kindern unter zwei Jahren ist das heikel: „Wir gehen inzwischen gar nicht mehr auf die umliegenden Spielplätze“, sagt zum Beispiel Dennis Breternitz, Erzieher in der Kita „Springmäuse“ in Ehrenfeld. „Viel zu riskant. Allein schon wegen der Scherben und der Zigarettenstummel, die überall rumliegen.“ Wenn eines der Kleinkinder diese Stummel esse, drohe Lebensgefahr. „Das können wir als Kita nicht riskieren.“
Platte, kleine Flächen
Während der TÜV bei der Sicherheit einen Trend zum Positiven sieht, gibt es bei dem Aspekt „Spielwert“ klar Luft nach oben. „Da muss man leider feststellen, dass der Spielwert gerade auf den Innenstadtspielplätzen runter gegangen ist“, sagt Löw: Häufig platte, kleine Flächen ohne Erhebung und ohne Schatten, keine Rückzugsräume. Darauf das immer gleiche Standardsortiment mit Wippe, Schaukel und Rutsche – ältere Kinder finden das langweilig. Der Spielplatz müsse für die Kommune pflegeleicht sein, um die Kosten nicht in die Höhe zu treiben, so Diekmann. Der Mangel an Spielwert ist aber in erster Linie ein Nebeneffekt der Stadtentwicklung: Spielräume fallen als erstes hinten runter, weil immer mehr Wohnungen auf wenig Raum untergebracht werden müssen. Statt großer Laufflächen zum Toben, die sich vor allem ältere Kinder wünschen, gibt es kleine, standardisierte Spielplatzflächen. Seit 2011 wurden allein in Köln rund 80 neue Spielplätze angelegt und 280 Umbaumaßnahmen vorgenommen. Aber selbst diese immense Anstrengung war angesichts der rasant wachsenden Stadt nicht genug, um den Versorgungsgrad zu halten. Nach Angaben der Stadt standen 2018 jedem Einwohner 1,14 Quadratmeter Spielfläche zur Verfügung. 2011 waren es noch 1,24 Quadratmeter. Als Bedarf hatte die Stadt ursprünglich mal zwei Quadratmeter Spielfläche je Einwohner definiert.
Angesichts der weiter wachsenden Bevölkerung sei es ungeheuer schwierig, das bestehende Niveau zu halten, sagt Wallraff-Becker. Daher müsse künftig das Thema „Spielen in der Stadt“ weiterentwickelt werden. Das Zauberwort hierfür heißt „multifunktionale Nutzung“: Die Idee ist, dass Kinder künftig ganz offiziell in Fußgängerzonen, auf zentralen Plätzen und auf Schulhöfen spielen dürfen. Der Platz zum Spielen wäre dann auf einmal um ein Vielfaches größer.
Leseraufruf
Welche Erfahrungen haben Sie auf Ihrem bevorzugten Spielplatz im Stadtteil gemacht? Wo gibt es Grund zu Klagen? Welche Probleme gibt es? Gibt es auch Positivbeispiele, wo ein Spielplatz zum Treffpunkt der Familien des Viertels geworden ist? Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen oder Klagen. Wir berichten und leiten gravierende Fälle an die Stadt und den Tüv weiter. Schicken Sie uns eine Mail an: spielplatz@dumont.de
Tipps vom Tüv
Niemals mit dem Fahrradhelm auf einem Spielplatz spielen. Er erhöht die Unfallgefahr massiv, denn mit den Haltegurten können die Helme an engen Fangstellen oder Seilknoten hängen bleiben und zur Strangulationsgefahr werden.
„Die größte Gefahr auf den Spielplätzen sind inzwischen die Helikopter-Eltern“, konstatiert Spielplatztester Peter Löw. Oft würden kleine Kinder, die ein Gerät noch nicht erklimmen könnten, auf die Plattform gehoben oder auf die oberste Stufe der Leiter gestellt. „Dann sind die Kinder auf Geräten unterwegs, die sie überfordern und Unfälle sind vorprogrammiert.“ In der Regel sind Spielgeräte so konstruiert dass Kleinkinder aus eigener Kraft nur bestimmte, für sie ungefährliche Geräte bespielen können. Also nicht den Knirps auf den hohen Kletterturm heben – auch wenn er es noch so sehr möchte !
Spielgeräte beim Erstbesuch selbst genau anschauen: Ist Holz faulig, sind Pilze auf der Oberfläche erkennbar, Metall verrostet, gibt es spitze Stellen, Nägel oder Schrauben die hervorstehen? Liegen gar Beton-Fundamente frei? Solche Mängel sofort melden. Die Telefonnummer findet man auf dem Spielplatzschild.
Hundekot, Glasscherben und anderer Müll haben auf Spielplätzen nichts verloren. Droht Verletzungsgefahr oder besteht starke Verschmutzung, sollte dies dem Betreiber gemeldet werden. Gleiches gilt für Vandalismusschäden.
Bodenbeläge checken: Sand und Rindenmulch können als Fallschutz nur dienen, wenn sie in einem gutem Zustand und ausreichend vorhanden sind. Sonst fehlt es an den notwendigen Dämpfungseigenschaften bei Stürzen.
Zweckentfremdung melden: Auch Anwohner können zur Sicherheit beitragen. Wird der Spielplatz offensichtlich zweckentfremdet und zur abendlichen Feierzone, sollten sie den Betreiber darauf hinweisen. (ksta)