AboAbonnieren

Von wegen GleichberechtigungLiebe Möchtegern-Super-Daddys, ich raste aus!

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Dieses Bild ist ein seltenes – zumindest laut der Statistik.

  1. Gerechte Löhne, gerechte Aufteilung bei der Kinder-Erziehung? Von wegen! Auch im Jahr 2020 sind es die Frauen, die noch viel zu oft halbtags hinterm Herd landen.
  2. In unserer neuen Serie „Die wütende Frau” kommen nur Frauen zu Wort – mit Wut und Fakten. Also Männer, zieht euch warm an!
  3. Folge 1: Claudia Lehnen ist zweifache Mutter. Sie hat sich Statistiken angeschaut, die belegen, wer die Arbeit zu Hause macht.

Man hört ja in letzter Zeit sehr viel von diesen engagierten Vätern. Die ihre Kinder wickeln können. Die am Wochenende zum Babyschwimmen gehen, die wissen, wo die Muttermilch im Gefrierfach lagert und welches Kuscheltier beim Zubettgehen nicht fehlen darf. Und auch beim Kinderturnen oder in der Krabbelgruppe sitzen ab und zu Väter, die dann immer sehr gelobt und bewundert werden. Im Büro lächeln wir denen zu, die um drei aus der Tür sind, weil der Siebenjährige heute in der Grundschule seine Erkenntnisse zum Besuch bei der Müllabfuhr präsentiert.

Geteilte Erziehungsarbeit, geteilte Einkommenseinbußen, geteilte Abzüge bei späteren Rentenzahlungen, geteilter Frust, wenn in der Elternzeit monatelang der einzige intellektuelle Input die Frage ist: Heute Kürbis oder Pastinake? - Elternsein könnte so schön sein. So gerecht.

Wären da nicht die Statistiken, die mir als Mutter dann doch jedes Jahr aufs Neue die Laune verderben. Denn: Wer in den schönen prallen Luftballon des Väterengagements hineinpiekt und nach Daten sucht, der sieht die Pracht schlapp dahinschrumpeln. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes nehmen knapp ein Drittel aller neuen Väter Nordrhein-Westfalens Elternzeit. Mütter dagegen bleiben zu 96 Prozent nach der Geburt eines Kindes zu Hause.

De Zahlen zeugen nun nicht gerade von Gerechtigkeit, sind aber noch schmeichelhaft ausgedrückt für die Möchtegern-Super-Daddys. Denn, wer tiefer in die Statistik einsteigt, muss erkennen, dass von diesen 31 Prozent (das waren in NRW für 2016 geborene Kinder in ganzen Zahlen gut 50.000) wiederum 70 Prozent (35.000) sage und schreibe gerade mal bis zu zwei Monaten ihrer wertvollen Berufstätigkeitszeit abzwacken, um beim Füttern, Wickeln, Rumtragen, In-den-Schlaf-Wiegen mitzuwirken. Das heißt: 90 Prozent (135.000) aller frischgebackenen Väter in NRW stecken gar nicht oder allenfalls zwei Monate beruflich zurück, um sich an der Erziehung und Pflege ihrer Kinder zu beteiligen.

Ich brauch Valium

Nach Analyse dieser Zahlen hat man als Frau nur drei Möglichkeiten.

A: Valium nehmen

B: Vor Wut Geschirr oder Schrankwände zertrümmern

C: Erstmal in Gebärstreik treten

Wir haben also in NRW zehn Prozent Väter, die zumindest halbwegs gleichberechtigt ticken? 2020? Ernsthaft? Habt ihr zu Hause gelernt, dass es gerecht ist, wenn zwei alle Spielsachen rausräumen und hinterher immer nur einer alles wieder aufräumen muss? Oder was ist da genau schief gelaufen? Ich weiß schon, wie ihr euch jetzt verteidigen wollt. Ich hab die Argumente alle schon gehört:

„Elterngeld? Das lohnt sich für mich ja gar nicht!"

„Auf meinen Verdienst können wir wirklich nicht verzichten!"

„Sechs Monate?!? Wie soll der Laden ohne mich denn laufen?"

„Elterngeld? Das hab ich ja weniger Einkünfte. Das lohnt sich für mich ja gar nicht."

Wir kennen eure Argumente übrigens auch deshalb so gut, weil sie auf uns ebenso zutreffen. Auch wir tragen mit unserer Arbeit zum Familieneinkommen bei. Auch unter uns gibt es Spezialistinnen und Chefinnen, die an ihrem Arbeitsplatz vermisst werden. Auch wir haben zum Teil Top-Abschlüsse vorzuweisen. Auch wir müssen auf Geld verzichten, wenn wir ein Kind gebären, das wir betreuen wollen. Und weil wir nicht rumjammern, sondern es trotzdem tun, sind wir übrigens auch diejenigen, die am Ende unter der ganzen Ungerechtigkeit leiden. Nicht ein Jahr Erziehungszeit lang - das würden wir für ein paar romantische Gesten eurerseits sportlich wegstecken. Nein, dieser Einsatz für unsere Kinder verfolgt uns ein Leben lang. Und zwar vor allem deshalb, weil ihr euch weigert zu gleichen Teilen die schlecht bezahlte Arbeit und die Risiken zu tragen.

Weil wir beim nächsten Kind noch weniger verdienen als ihr und dann erst recht zu Hause bleiben müssen. Weil wir, wenn wir wieder einsteigen, nur noch Teilzeit arbeiten, weil der Sohn ja um halb fünf vom Kindergarten abgeholt werden muss und es bei den paar Euro, die wir dann noch verdienen ja eh nicht mehr so ins Gewicht fällt. Weil wir uns dann ja nebenher auch noch um den ganzen unbezahlten Kram wie kochen und putzen und Vokabeln abhören kümmern können, wenn wir eh schon um fünf zu Hause sind. Weil wir im Alter weniger Rente kriegen. Rund 100 Euro im Monat können gut verdienenden Frauen fünf Jahre Teilzeit später gut und gerne kosten. Trotz Kinderbonus wohlgemerkt. Da tut sich im Laufe einer Rente schnell ein fünfstelliges Gerechtigkeitsloch auf.

Und warum werden wir mit einem Minus bestraft? Weil wir einen Rentenzahler großgezogen haben? Verstehe das, wer will. Ich will nicht. Ich raste aus.