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Eine „Mammutaufgabe“Wo steht die Stadt Rheinbach beim Wiederaufbau nach der Flut?

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Im Stadtteil Loch wurde der vom Schiefelsbach weggespülte Gehweg an der Hauptverkehrsstraße wieder hergestellt.

Rheinbach – Die Liste der Schäden an Privateigentum, in Unternehmen und an der öffentlichen Infrastruktur nach der Flutkatastrophe ist lang. Betroffen sind in Rheinbach unter anderem Rathaus, Glasmuseum und Stadtarchiv, der städtische Betriebshof, Schulen, Kindergärten und Turnhallen. Hinzu kommen weitere städtische Gebäude, Straßen und Wege, Straßenbeleuchtung, Brücken und Durchlässe, Gewässer und Anlagen der Abwasserbeseitigung, wie Bürgermeister Ludger Banken während einer Informationsveranstaltung zum Jahrestag der Unwetterkatastrophe aufzählte.

Die Gesamtkosten für die Wiederherstellung der kommunalen Infrastruktur inklusive der Kosten für Müllentsorgung bezifferte der Verwaltungschef auf mittlerweile rund 43 Millionen Euro, Tendenz steigend. Die veranschlagte Summe von etwa 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau „werde sicherlich erreicht werden“, prognostizierte Banken.

Fördermittel sind beantragt. Zwei Millionen Euro Soforthilfe wurden bereits für die Kosten der Müllentsorgung verwendet, die bisher mit 3,8 Millionen Euro zu Buche schlägt. Die Beseitigung der Hochwasserschäden und der Instandsetzung der Infrastruktur sei eine „Mammutaufgabe“, waren sich Banken und Vertreter der Verwaltung mit Wehrleiter Laurenz Kreuser einig. Es sei schon viel passiert, aber es sei auch noch viel zu tun, machte der Bürgermeister deutlich: „Bevor wir die Folgen dieser Flut beseitigt haben, wird eine Dekade vergehen.“

Welche Bilanz zieht die Freiwillige Feuerwehr?

In dem über 17 Tage andauernden Einsatz nach der Katastrophennacht seien über 15 000 Stunden durch rund 220 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Rheinbach geleistet worden, so Feuerwehrchef Laurenz Kreuser. 1700 Notrufe seien eingegangen, es gab über 1200 Einsatzstellen.In der Nacht auf den 15. Juli waren durchschnittlich 500 Einsatzkräfte vor Ort, mindestens 70 Personen konnten aus lebensgefährlichen Situationen gerettet werden. Zu Spitzenzeiten waren bis zu 1000 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr aus Rheinbach und überörtlicher Einheiten von Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Bundeswehr im Einsatz.

Wie lief die Öffentlichkeitsarbeit?

Nach einem flächendeckenden Ausfall aller Kommunikationsmöglichkeiten sei der Stab für außergewöhnliche Ereignisse in der Feuerwache Brucknerweg eingerichtet worden, berichtete Daniela Hoffmann, Fachbereichsleiterin für Rat, Öffentlichkeitsarbeit, Ordnung und Soziales. Über zwei Satellitentelefone der Bundeswehr konnte zunächst ein Bürger- und Hilfetelefon eingerichtet werden, ab dem 16. Juli stand hierfür ein Büro bei der Stadtverwaltung Meckenheim zur Verfügung. Das Rathaus war als Anlaufpunkt – auch an den Wochenenden – durchgängig besetzt. Informationen wurden mit bis zu zehn Lautsprecherwagen verbreitet und Erkundungstrupps suchten die Bevölkerung zu Hause auf. „Wir wollten herausfinden, ob es irgendwo hilflose Personen gibt“, so Hoffmann. In der Kernstadt und allen Ortsteilen seien Bürgergespräche organisiert worden, die fortgesetzt werden sollen: „Es war wichtig, die Bürger direkt zu erreichen.“ Eine gesicherte Informationsquelle sei bis heute der städtische Facebook-Auftritt, der bis heute 1338 Follower habe: „887 Personen gefällt die Seite.“

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Die weggerissene Brücke am Stadtpark.

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Die Wiederherstellung der weggerissenen Brücke über den Gräbbach am Stadtpark dauerte neun Monate.

Wo sind Betroffene untergebracht?

Im Rahmen der Evakuierung der Ortschaften Oberdrees und Niederdrees wurde in der Stadthalle eine Notunterkunft eingerichtet. Dort wurden in der Nacht auf den 15. Juli bis zum Ende der Evakuierung am 19. Juli etwa 1000 Personen versorgt. Fünf Mobilheime und vier Wohnwagen wurden am Standort Schornbuschweg bereitgestellt. Aktuell sind noch drei Familien (17 Personen) untergebracht.

Was ist bis heute erledigt worden?

Zur Beseitigung der „riesigen Schäden an der Infrastruktur“ erhalte die Stadt Unterstützung von bereits beauftragten Fachleuten, berichtete der Beigeordnete Raffael Knauber. Zum Beispiel bei der Bauplanung für das Vereinsheim des Rheinbacher Turnvereins, der Generalsanierung des Kellers des Rathausgebäudes, der Wiedererrichtung der Turnhalle der KGS Flerzheim und der Sanierung beziehungsweise dem Neubau der KGS Flerzheim. Für die Übermittagbetreuung an der KGS St. Martin an der Bachstraße muss zudem ein neuer Standort gefunden werden.

Eine Containeranlage als vorübergehende Alternative für die zerstörten Büroräume im Kellergeschoss des Rathauses wurde bereits in Betrieb genommen. Bereits erledigt sei außerdem die Spülung aller Kanäle und Sinkkästen sowie die Räumung der Regenrückhaltebecken von Schwemmgut. Die Gewässer und Gräben wurden geräumt und 6000 Tonnen Geröll und Schlamm an Gewässern auf einer Strecke von etwa 25 Kilometern entfernt. Im Herbst werden die Arbeiten nach einer Unterbrechung wegen des Artenschutzes fortgesetzt. Außerdem wurde eine neue Stelle für die Aufgabenbereiche Gewässerunterhaltung und Infrastruktur eingerichtet.

Peppenhovener erinnern sich

In Peppenhoven trat in der verheerenden Flutnacht der Tüttelbach aus seinem Bett und überflutete fast das ganze Dorf. Tagelang war der Ort von jeglicher Kommunikation abgeschnitten; Strom gab es auch nicht. Die Bewohner haben nun für Samstag, den 23. Juli, eine kleine Gedenkveranstaltung mit Speisen und Getränken organisiert. Ein Programm gibt es nicht, die Besucher sollen Gelegenheit haben, sich in lockerer Gesprächsrunde über das Geschehene austauschen. Vorbild ist die Oberdreeser Schwafeltafel am vergangenen Samstag. Organisiert wird der Abend von Heinz-Peter Watty und Ortsvorsteher Thomas Bayer. (Bir)

Was ist in den nächsten Monaten noch zu tun?

In seinem Ausblick berichtete Ludger Banken: „Die Gemeinden an Swist und Erft haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam ein neues Konzept zu erarbeiten.“ Auch vor Ort werde in Rheinbach überlegt, was zu tun sei. Vier Maßnahmen seien im Wohngebiet „Rodderfeld“ geplant, die 2022 abgeschlossen werden sollen: Anhebung der Hirschmannstraße durch eine Bodenschwelle, mobiler Hochwasserschutz, eine Betonmauer an der Brücke über den Rotterbach und ein mehrteiliges Gitter am Durchfluss des Rodderbachs auf Höhe des Euskirchener Wegs.

Wiederhergestellt werden soll die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr, ein großes Thema sei der Analogfunk, so Daniela Hoffmann. Der neue Standort der FF werde voraussichtlich im Gewerbegebiet „Wolbersacker“ liegen. Geplant sei außerdem der Einsatz von stromunabhängigen Sirenen.

Der Wiederaufbauplan enthält derzeit 93 Einzelmaßnahmen mit einem aktuellen Gesamtvolumen von rund 39 Millionen Euro. Er wurde vom Rat am 20. Juni beschlossen und der Bezirksregierung Köln zur Genehmigung vorgelegt. Der Förderbescheid liegt noch nicht vor. Maßnahmen des Wiederaufbauplans dürften allerdings vorzeitig begonnen werden, ohne dass die Förderung verlorengehe, berichtete Banken.