2461 tote Soldaten, 2 Billionen Euro SteuergeldUS-Truppen habe Afghanistan verlassen
Der letzte Akt vollzog sich bemerkenswert geräuschlos und präzise. Es war eine Minute vor Anbruch des vereinbarten Stichtags in Kabul, als in der Nacht zum Dienstag ein graues Militärtransportflugzeug des Typs C-17 mit den letzten amerikanischen Soldaten vom Hamid Karzai Airport abhob. Zuvor hatte es Raketenbeschuss gegeben. Doch zahlreiche amerikanische Bomber, Kampfhubschrauber und Drohnen sicherten aus der Luft den reibungslosen Abschluss einer hochgefährlichen Mission.
„Ich bin hier, um die Vollendung unseres Abzugs aus Afghanistan zu verkünden“, erklärte kurz darauf der zuständige US-Kommandeur General Kenneth McKenzie in einer Videoschalte mit Journalisten im Pentagon. Am Boden in Kabul feuerten die militant-islamistischen Taliban Feuerwerk und Freudenschüsse ab. „Dieser Sieg gehört uns allen“, verkündete ihr Sprecher Sabiullah Mudschahid und versprach: „Die Menschen sollen sich keine Sorgen machen.“
Längster Krieg in der Geschichte der USA
Der mit 20 Jahren längste Krieg in der Geschichte der USA endete für die Weltmacht mit einer schweren Demütigung: In Afghanistan ist nun wieder jene Gruppe an der Macht, die Ex-Präsident George W. Bush mit seinem Marschbefehl nach den Terrorangriffen vom 11. September eigentlich ablösen wollte. Seither sind mehr als 100 000 Menschen – darunter 2461 US-Soldaten – ums Leben gekommen. Die letzten 13 GIs starben bei einem Selbstmordattentat der islamistischen Terrorgruppe IS am vorigen Donnerstag. Nach Berechnungen amerikanischer Medien hat der gigantische Militäreinsatz die US-Steuerzahler mehr als 2 Billionen Dollar gekostet.
Nach dem rasanten Sturz der bisherigen afghanischen Regierung unter dem korrupten Präsidenten Aschraf Ghani hatte US-Präsident Joe Biden vor zweieinhalb Wochen eine chaotische Rückzugsaktion eingeleitet. Zwar konnte in dieser Zeit eine beachtliche Luftbrücke aufgebaut werden, über die Amerikaner und Verbündete insgesamt mehr als 122 000 Menschen ausflogen. Doch zahlreiche Ortskräfte, die nun Rache und Vergeltung der Taliban fürchten müssen, blieben zurück. Amerikanische Nichtregierungsorganisationen schätzen, dass alleine etwa 60 000 Übersetzer, Fahrer und sonstige lokalen Mitarbeiter des US-Militärs, des Geheimdienstes CIA und der Botschaft nicht evakuiert werden konnten.
General McKenzie: „Wir haben nicht alle herausbekommen, die wir herausbekommen wollten“
„Wir haben nicht alle herausbekommen, die wir herausbekommen wollten“, gestand General McKenzie. Politisch besonders schwerwiegend ist, dass nach Einschätzung des US-Außenministeriums auch 100 bis 200 Amerikaner zurückbleiben mussten, die das Land verlassen möchten. Biden hatte versprochen, alle ausreisewilligen Staatsbürger zu evakuieren. Daran wolle man festhalten, versicherte nun Außenminister Antony Blinken: „Unser Versprechen hat kein Verfallsdatum“. Allerdings werde dies auf anderem Weg geschehen: „Die Militärmission ist beendet. Eine neue diplomatische Mission hat begonnen.“
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Doch die Biden-Regierung befindet sich in einer schwierigen Lage. Insgesamt rund 6000 Amerikaner konnten ausgeflogen werden. Bei der Evakuierung der verbliebenen Landsleute ist Washington nun auf die Taliban angewiesen. Auffällig war, wie zurückhaltend General McKenzie die neuen Machthaber beschrieb, die den Abzug vor dem Flughafen sicherten. Die selbsternannten „Gotteskrieger“ seien „sehr pragmatisch und geschäftsmäßig“ gewesen, bemerkte der Offizier fast anerkennend. Umgekehrt äußerte Taliban-Sprecher Mudschahid den Wunsch nach guten Beziehungen mit den USA.
Das Selbstmordattentat vom vorigen Donnerstag zeigt jedoch, wie fragil die Sicherheitslage vor Ort ist. Beobachter in Washington erwarten Flügelkämpfe zwischen gemäßigten und extremistischen Taliban.