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9-Euro-Ticket„Bei ganz vollen Zügen droht eine angespannte Stimmung“

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Das 9-Euro-Ticket.

Ab Mittwoch ist das 9-Euro-Ticket nutzbar. Der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, Ingo Wortmann warnt wegen der vollen Züge vor einer angespannten Stimmung unter den Fahrgästen. Weiter erklärt er, warum das Billig-Angebot nicht zu einem massiven Umstieg führen wird - und kündigt wegen hoher Spritkosten teurere Ticketpreise in der Zukunft an.

Herr Wortmann, ab dem 1. Juni ist das 9-Euro-Ticket nutzbar. Erwartet Deutschland ein Chaos auf der Schiene?

Ich möchte nicht von Chaos sprechen, aber es wird sehr viele volle Züge und Busse geben. Insbesondere auf manchen Verbindungen zu den Freizeitzielen. Es wird oft von Sylt gesprochen, aber auch die Ostsee-Küste, das bayrische Oberland, der Chiemgau und weitere Ziele werden betroffen sein. Es wird aber auch Gegenden etwa auf dem Land geben, wo die Nachfrage verhalten sein wird.

Die Überlastung der Fahrstrecken wird den Ärger der Fahrgäste steigern. Rechnen Sie mit einer aufgeheizten Stimmung?

Bei ganz vollen Zügen droht sicherlich eine angespannte Stimmung unter den Reisenden und Fahrgästen. Davon gehe ich aus. Wir werden aber versuchen, das weitgehend zu verhindern, zum Beispiel, indem die Fahrgäste auf die verschiedenen Zug- und Busangebote und dann innerhalb der Fahrzeuge besser verteilt werden. Dafür haben wir Informationskonzepte ausgearbeitet. Verschiedene Unternehmen setzen darüber hinaus extra Fahrgastbetreuer für die Verteilung ein. Und wir werden alle vorhandenen Reservezüge- und Busse nutzen, auch wenn das insgesamt nicht allzu viele sind.

Drohen auch Angriffe auf die Beschäftigten?

Damit rechnen wir höchstens im absoluten Extremfall. Deswegen haben wir uns gut vorbereitet, um die Fahrgäste umfassend über alle Angebote zu informieren, damit solch ein Szenario möglichst nicht eintritt. Darüber hinaus haben und hatten wir vor Corona auf wichtigen, stark nachgefragten Routen volle Züge.

Die Vorbereitung kostet Geld, hinzu kommen die Ausfälle durch das verbilligte Ticket: Werden die 2,5 Milliarden Euro des Bundes ausreichen, um die Aktion zu finanzieren?

Das werden wir am Ende der drei Monate sehen. Zwar können wir ausrechnen, wie teuer die Erstattungen für Abokunden sind. Aber wie viel Geld fehlt, weil beispielsweise regelmäßige Einzelkarten-Kunden nur noch das 9-Euro-Ticket kaufen, wissen wir nicht. Deshalb erwarten wir vom Bund auch am Ende eine volle Erstattung.

Die Verkehrsverbünde haben stets darauf gepocht, die Mittel bereits vorm Aktionsstart auf dem Konto haben zu wollen.

Ja. Das Geld ist zugesagt, aber bisher noch nicht da. Die Mittel müssen aus unserer Sicht spätestens in der ersten Juni-Hälfte überwiesen sein. Wenn sie nicht rechtzeitig ankommen, droht kleineren Unternehmen die Insolvenz wegen der hohen Sprit- und Stromkosten.

Wird das 9-Euro-Ticket Menschen langfristig zum Umsteigen bewegen?

Ich sehe das Ticket durchaus positiv. Aber große Erwartungen habe ich nicht, dass es zum massiven Umstieg führen wird. Alle bisherigen Erfahrungen mit besonders günstigem ÖPNV zeigen: Zuerst muss das Angebot stimmen, der Preis ist zweitrangig. Allerdings habe ich die Hoffnung, dass wir Kunden, die in der Corona-Krise aufs Auto umgestiegen sind, zurückgewinnen können.

Wie geht es nach den drei Monaten in Sachen Preise weiter?

Wir werden auf die alten Ticketpreise und Rahmenbedingungen zurückfallen, vor allem weil auch wir als Branche die Kostensteigerungen der Energiepreise schultern müssen.

Der Bund verweigert weiterhin Ausgleichszahlungen für die hohen Spritpreise. Was bedeutet das für die Verkehrsunternehmen?

Wir werden mittelfristig die fehlenden Gelder auf die Fahrpreise umschlagen müssen oder das Angebot einschränken. Die Ticketpreise werden also weiter steigen - nicht direkt zum 1. September, aber in den nächsten Preisrunden. Leider kommen wir dann in die Situation, dass Menschen, die ohnehin schon belastet sind, für ihre Fahrten mehr bezahlen müssen. Die Ausgleichszahlungen seitens des Bundes sind dringend nötig. Ohnehin brauchen wir deutlich mehr Geld von Bund und Ländern, um mit Blick auf die Klimaschutzziele im Verkehr das Angebot auszubauen, neue Strecken zu schaffen und die Taktung zu erhöhen.

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Wie viel Geld fordern Sie für den Ausbau?

Allein im Jahr 2030 brauchen wir 11 Milliarden Euro zusätzliche Mittel, um Ausbau und Kapazitäten deutlich zu erhöhen. Aber schon bis dahin benötigen wir etwa 1,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Nur so können wir unseren Beitrag zum Klimaziel leisten, 53 Prozent der CO2-Ausstöße im Verkehrssektor bis 2030 einzusparen und die Fahrgastzahlen deutlich zu erhöhen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) koppelt höhere Regionalisierungsmittel – die Bundesgelder für den ÖPNV - an die Ausarbeitung von Qualitätsstandards. Ist das die richtige Vorgehensweise?

Ja. Sollten wir die zusätzlichen Mittel bis 2030 erhalten, kann das Geld nicht ohne jegliche Bedingungen ausgezahlt werden. Kriterien könnten unter anderem Angebotsdichte und Zuverlässigkeit sein. Wichtig ist, dass dieser Qualitätskatalog durch Bund und Länder noch dieses Jahr gemeinsam ausgearbeitet wird. Dann können wir wie geplant mit dem Ausbau des ÖPNV fortfahren.