„Wie sprintende Zombies“Interview mit Abdelkarim über den Angriff auf sein TV-Team
- Abdelkarim Zemhoute macht auf Bitten der Bundeszentrale für politische Bildung Werbung für das Grundgesetz und die Demokratie.
- Im Interview spricht der 38-Jährige über Verschwörungstheorien und Menschen, die auf diese reinfallen.
- Und er erzählt, wie er den Angriff auf das Team der ZDF-„heute show“ erlebt hat.
Abdelkarim, Sie werben in einer Reihe von Videofilmen der Bundeszentrale für politische Bildung für die Demokratie und das Grundgesetz. Warum?
Abdelkarim: Weil die Bundeszentrale für politische Bildung mich gefragt hat. Ich war von Anfang an von der Projektidee begeistert. Unsere Demokratie und unser Grundgesetz garantieren nämlich, dass wir uns hier alle im Rahmen angemessener Grenzen frei bewegen und austoben können. Natürlich gibt es immer etwas zu verbessern, aber auf jeden Fall verfolgt das Grundgesetz das Ziel, dass alle Menschen trotz unterschiedlichster Interessen friedlich miteinander leben können. Die meisten gehen mit diesen Freiheiten verantwortlich um, aber es gibt leider auch welche, die die Möglichkeiten unseres Grundgesetzes ausnutzen, um die Demokratie abzuschaffen. Das ist auch ein Grund, warum ich gerne bei einem Projekt mitmache, das wichtige Eckpfeiler unserer Demokratie einfach und verständlich rüberbringt.
Die Werbung zielt ja vor allem auf ein jüngeres Publikum. Ist sie da besonders nötig?
Die Abdelkratie ist für alle Menschen aller Farben und Altersstufen offen. Jeder Mensch darf rein. Aber wenn ich mir nur eine Zielgruppe wünschen dürfte, dann jüngere Menschen, die bei komplizierten Abhandlungen über Demokratie und Grundgesetz gerne und oft auch verständlich wegklicken. Die ominöse „Jugend von heute“ ist überhaupt nicht so politikverdrossen, wie das hier und da behauptet wird. Viele Kinder und Jugendliche würden sich gerne über das Grundgesetz informieren, finden dann aber nur Formate, die nur Juraprofessoren verstehen würden. Und genau da kommt die Abdelkratie ins Spiel.
Im Zuge der Corona-Krise gehen Verschwörungstheorien um. Wie groß ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht?
Menschen, die auf Verschwörungstheorien reinfallen und sich da reinsteigern, sind oft nur sehr schwer mit Argumenten und Fakten zu überzeugen. Auf einmal haben sie auf alles eine Antwort. Und wenn sie mal – warum auch immer – keine Antwort haben, sagen sie Sachen wie „Leute, ich sag’s euch, hier passiert was!“. Gefährlich für andere Menschen wird es, wenn Verschwörungstheoretiker ernsthaft glauben, dass es einen großen Plan gibt, die Eliten uns zerstören wollen und wir uns jetzt endlich mit Gewalt wehren müssen. Die aktuellen Corona-Verschwörungstheorien klingen leider alle sehr unrealistisch und absurd. Aber selbst wenn sie realistisch klingen würden: Spätestens wenn eine Bewegung Attila Hildmann und Xavier Naidoo als Galionsfiguren hat, würde ich stutzig werden. Einigen selbst ernannten Führern würde ich empfehlen, nicht die Wahrheit zu suchen, sondern einen besseren Dealer.
Die derzeit prominentesten unter den Verschwörungstheoretikern haben einen „Migrationshintergrund“ – Xavier Naidoo, Ken Jebsen, Attila Hildmann. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Nein. Aber ich finde das wenigstens konsequent. Eine gute Verschwörungstheorie muss so unrealistisch und absurd sein, dass sie ausländisch aussehende Menschen als Führer hat.
Verschwörungstheorien kommen oft von Rechtsaußen – also aus einer Richtung, aus der Menschen mit Migrationshintergrund nichts Gutes zu erwarten haben.
Das wundert mich nicht. Die meisten politischen Scheinanalysen von Rechtsaußen sind nichts weiter als Verschwörungstheorien mit Rassismus garniert.
Sie und Ihr Team von der „heute show“ des ZDF wurden kürzlich am Rande einer solchen Demo Opfer eines Angriffs. Haben Sie das verwunden? Oder hat das Spuren hinterlassen?
Die Demo am 1. Mai war im Vergleich zu Verschwörungsdemos sehr zivilisiert. Es gab da Menschen, die unbelegbares, absurdes Zeug erzählt haben, aber die große Mehrheit war der Meinung, dass es Corona gibt, aber dass die Grundrechtseinschränkungen zu weit gingen. Was den Angriff angeht, hatten wir trotz einiger schwerer Verletzungen Glück im Unglück. Wenn man bedenkt, wie enthemmt wir angegriffen wurden, ist es ein Wunder, dass nicht noch Schlimmeres passiert ist.
Was folgt daraus für Ihre Arbeit? Macht Sie das vorsichtiger, vielleicht sogar ängstlicher?
Wenn bis zu 25 Menschen rücksichtslos und völlig ungehemmt wie sprintende Zombies eine arglose Gruppe angreifen, hilft keine Vorsicht. Man kann ja in Zukunft nicht mit 20 bewaffneten Sicherheitsleuten drehen. Ich kann nur hoffen, dass Menschen verstehen, dass man mit Gewalt nichts erreichen wird. Gewalt kann man nämlich am besten verhindern, wenn gewaltbereite Menschen nicht mehr gewaltbereit sind.
Zur Person
Abdelkarim ist ein deutscher Kabarettist mit marokkanischen Wurzeln. Auf dem Rückweg eines Drehs auf einer sogenannten „Hygienedemo“ gegen die Beschränkungen während der Corona-Pandemie am 1. Mai in Berlin wurde sein Kamerateam der heute-Show von 20 Personen in Berlin-Mitte angegriffen. Er selbst konnte unverletzt davonrennen.