Abgang im MorgengrauenWie Donald Trump seinen Abschied inszeniert
Der Aufbau eines Spannungsbogens gehört zu den beliebtesten Kniffen von Donald Trump. Der einstige Reality-TV-Star hat seine Präsidentschaft wie eine Fernsehserie inszeniert. In den letzten Tagen war er merkwürdig ruhig. Doch das Finale nach vier Jahren begeht der 74-Jährige buchstäblich mit einem Donnerschlag: Neben rund 100 Begnadigungen für Unterstützer und Freunde ist an diesem Mittwoch eine militärische Abschiedszeremonie vorgesehen, bevor Trump ein letztes Mal die Air Force One besteigt.
Dass Trump nicht an der Vereidigung seines Nachfolgers Joe Biden vor dem Kapitol teilnehmen wird, hatte er schon vor zwei Wochen mitgeteilt. „Für alle, die gefragt haben: Ich werde nicht zu der Inauguration am 20. Januar gehen“, twitterte er am Tag nach dem blutigen Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol. Damit bricht Trump mit einer 150-jährigen Tradition. Er hat Biden bis heute nicht zum Wahlsieg gratuliert.
Doch unabhängig davon endet die Amtszeit des bisherigen Präsidenten am Mittwoch um 12 Uhr Ortszeit. Bis dahin muss er auch das Weiße Haus räumen. Tatsächlich will der Nochpräsident seinen bisherigen Amtssitz offenbar bereits im Morgengrauen verlassen. Für 8 Uhr morgens hat er seine Unterstützer zu einer militärischen Abschiedszeremonie auf der Luftwaffenbasis Andrews vor den Toren Washingtons geladen.
Wie groß der Andrang sein wird, ist unklar. Der Wetterbericht sagt Temperaturen um den Gefrierpunkt voraus. Der von Trump im Streit gefeuerte Ex-Kommunikationschef Anthony Scaramucci berichtet, dass selbst er eine Einladung erhalten habe, was auf einen großen Verteiler schließen lässt.
Nach amerikanischen Medienberichten wünschte sich Trump zu seinem Abschied eine Militärparade auf dem Rollfeld. Doch sollen die Pläne angeblich inzwischen zusammengestutzt worden sein. Nun ist von einem roten Teppich, einer Ehrengarde und 21 Schuss Salut ähnlich wie bei einem Staatsbesuch die Rede. Die Vorbereitungen sind streng vertraulich. Es ist unklar, ob Trump auch eine Rede hält.
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Für 11 Uhr – eine Stunde vor dem Amtswechsel – ist die Presse in Palm Beach in Florida zur Landung der Präsidentenmaschine geladen. Auf seinem dortigen Anwesen Mar-a-Lago wird Trump mit seiner Frau Melania und Sohn Barron künftig leben. Umzugswagen aus Washington wurden bereits gesichtet.
In den vergangenen Tagen hatte sich der Nochpräsident im West Wing des Weißen Hauses regelrecht eingegraben. Er arbeite „vom frühen Morgen bis spät am Abend“, teilt die Pressestelle seit einer Woche in etwa wortgleich mit. US-Zeitungen berichten, dass Trump über einer langen Liste von Begnadigungen brütete. Dabei sollen ihn auch Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner beraten haben. Außerdem bereitete sich Trump auf die drohende Impeachment-Anklage vor.
Begnadigung von „Schicksalsgenossen“
Eine Reihe von Weggefährten, Freunden und Menschen, die Trump als Schicksalsgenossen empfindet, können offenbar bei der Last-minute-Begnadigung auf einen Erlass ihrer Haftstrafe hoffen. Die „New York Times“ spricht von 60 bis 100 Kandidaten und nennt unter anderem den im vorigen Juli wegen Korruption zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilten früheren Sprecher des New Yorker Abgeordnetenhauses, Sheldon Silver, und den Rapper Lil Wayne, dem bis zu zehn Jahre Gefängnis wegen illegalen Waffenbesitzes drohen. In den vergangenen Wochen hatte Trump schon seinen Ex-Berater Roger Stone und Charles Kushner, den Vater seines Schwiegersohns, aus dem Gefängnis geholt.
Hingegen soll er auf Anraten seiner Berater auf eine rechtlich höchst fragwürdige Selbstbegnadigung verzichten. Die würde nämlich wie ein Schuldeingeständnis wirken und könnte nach Einschätzung von Beobachtern eine Mehrheit der Republikaner im Senat bewegen, für die formale Amtsenthebung und eine Sperre für alle künftigen öffentlichen Ämter zu stimmen.