Bauen immer teurerZu welcher Finanzierungsstrategie Experten jetzt raten
Baugeld in Deutschland wird teurer. Es sind zwar „nur“ Nachkommastellen, aber die haben es in sich: Die Zinsen stiegen im März um 0,5 Prozentpunkte an und verteuern die Baufinanzierungen spürbar, wie die vom Finanzierungsspezialisten Dr. Klein ermittelte Standardrate veranschaulicht: Sie erhöht sich um fast 50 Euro auf 488 Euro und verzeichnet damit den bisher größten Anstieg innerhalb eines Monats.
Die Rate basiert auf einer Musterrechnung mit den Parametern 150.000 Euro Darlehenssumme, 2 Prozent Tilgung und 80 Prozent Beleihungsauslauf und macht die Darlehen über einen langen Zeitraum vergleichbar. Eine höhere Rate gab es seit 2015 nicht.
Der schnelle Anstieg kam unerwartet
Für den Zinsanstieg ist neben den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges auch die angestiegene Inflation verantwortlich. „Dass die Bauzinsen steigen werden, hatten viele prognostiziert – dass sie so schnell so stark steigen, kam für den Markt aber unerwartet“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin bei Deutschlands größtem Vermittler privater Baufinanzierungen, der Interhyp AG.„Durch die momentan hohen Inflationsraten ist Dynamik auf den Zinsmärkten entstanden – und auch die Baufinanzierungen sind davon betroffen. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass das Abflachen der Inflationskurve voraussichtlich erst später beginnt als zunächst vermutet“, berichtet derweil Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender beim Finanzierer Dr. Klein.
In der jüngsten Interhyp-Monatsumfrage unter Fachleuten prognostizierten viele von ihnen im Jahreslauf 2022 noch höhere Zinsen. „Wir halten 2,5 bis 3 Prozent für zehnjährige Darlehen bis Jahresende für realistisch“, sagt Mirjam Mohr. „Wer einen Kredit benötigt, sollte sich frühzeitig vorbereiten, jetzt Konditionen vergleichen und die Auswirkungen eines weiteren Zinsanstiegs für sich durchrechnen.“
Viele wissen nicht Bescheid
Konkret heißt das, das Timing sollte stimmen. Wer in den nächsten ein bis fünf Jahren eine Anschlussfinanzierung benötigt, sollte jetzt handeln und zugleich über seine eigenen Finanzen informiert sein. Doch ein Drittel der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer kennt einer weiteren Interhyp-Umfrage zufolge den eigenen Zeitpunkt für die Anschlussfinanzierung nicht.
Fast die Hälfte (43 Prozent) weiß ebenfalls nicht, dass sie nach Ablauf von zehn Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu einem anderen Kreditgeber wechseln kann – auch wenn die Zinsbindung mehr als zehn Jahre festgeschrieben ist. „Das Kündigungsrecht nach §489 BGB ist für Darlehensnehmerinnen und Darlehensnehmer entscheidend“, sagt Mirjam Mohr. Entsprechend rät die Expertin, das Gespräch mit einem Finanzierungsexperten zu suchen.
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„Wer heute finanziert, sollte sich auf jeden Fall die günstigen Zinsen langfristig sichern“, sagt Tomas Peeters, Vorstand der Baufi24-Gruppe. Wer in wenigen Jahren eine Anschlussfinanzierung benötige, kann sie sich gut über ein Forward-Darlehen sichern. „Dann ist man als Immobilienkäufer und ‑besitzer auf der sicheren Seite, zumindest, was die Finanzierung betrifft.“ Zu wenig Wissen könnte am Ende dann teuer werden.
Ein kleines Rechenbeispiel
Ein Zahlenbeispiel hat die Interhyp parat: Ein Kunde, der im Jahr 2015 eine Immobilie für 321.000 Euro gekauft hat und eine Baufinanzierung mit einem Darlehensbetrag von 242.000 Euro, einem Sollzinssatz von 1,9 Prozent für zehn Jahre, einer Anfangstilgung von 2,7 Prozent und einer Rate von 928 Euro im Monat abgeschlossen hat, braucht 2025 eine Anschlussfinanzierung.
Wer sich jetzt ein Forward-Darlehen sichert, wird für seine Restschuld von dann 171.100 Euro einen effektiven Jahreszins inklusive Forward-Zinsen von 2,3 Prozent erhalten. Das bedeutet:
Für die Zinsbindung des Forward-Darlehens ab 2025 über die Laufzeit von zehn Jahren bei einer gleichbleibenden Rate Zinskosten von 30.500 Euro sowie eine Restschuld von 90.000 Euro.
Natürlich kann niemand im Frühjahr 2022 exakt sagen, wo die Zinsen im Jahr 2025 liegen. Dennoch zeigt der Blick in die Zinshistorie, dass Baugeldzinsen von 3 bis 4 Prozent noch vor rund zehn Jahren möglich waren. Dazu die Vergleichsdaten: Der gleiche Kunde schließt 2025 zu einem Zinssatz von 3,5 Prozent seine Anschlussfinanzierung ab. Er würde bei gleichbleibender Rate bis 2035 knapp 50.000 Euro an Zinskosten zahlen und hat am Ende immer noch eine Restschuld von 110.000 Euro offen. Unterm Strich bräuchte der Kunde mehr als drei Jahre länger, um seine Finanzierung abzutragen.
Konditionen vergleichen
Die Strategie mit einem Forward-Darlehen muss aber nicht generell die beste sein. „Für manche Kundinnen und Kunden macht die Fortführung bei der gleichen Bank, die sogenannte Prolongation, durchaus Sinn“, sagt Mohr. Die Prolongation ist weniger aufwendig als eine Umschuldung, bei der wieder viele Dokumente erneut bei der neuen Bank eingereicht werden müssen und auch Kosten für die Grundschuldabtretung entstehen.
Unterm Strich lohnt es sich für jeden Hausbauer, die Konditionen der Banken erneut zu vergleichen und zu prüfen, ob eine Einsparung durch Umschuldung die zusätzlichen Kosten hierfür rechtfertigen.