Bauernpräsident Rukwied„Verbote für mehr Insektenschutz sind grottenfalsch“
Herr Rukwied, heute ist das Insektenschutzgesetz im Kabinett. Sie haben massive Einwände. Mögen Sie keine Bienen?
Joachim Rukwied: Natürlich mag ich Bienen! Alle Landwirte mögen Bienen – schon weil wir wissen, dass wir Insekten als Bestäuber unserer Pflanzen brauchen. Es ist deshalb in Ordnung, dass die Bundesregierung Insekten besser schützen will. Nicht in Ordnung ist, dass die Politik den Insektenschutz einzig und allein auf Kosten der Landwirte zu erreichen versucht. Bei der Lichtverschmutzung etwa gibt es lediglich Prüfaufträge. Da fehlt aus unserer Sicht die Balance.
Gut die Hälfte aller Flächen wird landwirtschaftlich genutzt. Tragen Bauern da nicht eine Verantwortung?
Der Ansatz, dass die Landwirtschaft mehr zum Insektenschutz und zum Erhalt der Biodiversität beitragen muss, ist ja richtig. Den tragen wir mit. Die meisten Landwirte tun schon eine Menge: Sie legen Blühstreifen an, erweitern die Fruchtfolge, überlassen Uferrandbereiche der Natur. Die Strategie der Bundesumweltministerin, den Insektenschutz mit Verboten durchzusetzen, halten wir aber für grottenfalsch. Und sogar für gefährlich.
Warum?
Frau Schulze will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten verbieten. Wenn sich die Ministerin damit durchsetzt, wäre zum Beispiel der Weinbau am Kaiserstuhl komplett Geschichte. Viele Bauernfamilien würden ihre Existenzgrundlage verlieren. Wir reden hier nicht nur über vernichtetes Kapital und verlorene Arbeitsplätze, sondern über das Ende eines jahrhundertealten Teils unserer Kultur.
Was halten Sie von der Idee, einen Teil der Flächen komplett aus der Bewirtschaftung herauszunehmen?
Auch davon halten wir nichts. Wir Landwirte wollen unsere Flächen nutzen und sie nicht brach liegen lassen. 10 Prozent der Flächen aus der Produktion zu nehmen ist nicht hinnehmbar. Außerdem werden schon heute längst nicht mehr 100 Prozent der Flächen intensiv bewirtschaftet. Fahren sie mal mit offenen Augen durch die Landschaft: Bauern lassen etwa auf Wiesen einen Altgrasstreifen stehen, den sie nur unregelmäßig mähen. Dort entstehen Rückzugsorte für Insekten. Das tun die Landwirte freiwillig, und sie tun es gerne. Sie wollen aber nicht, dass sie par ordre du mufti zu Naturschutz-Maßnahmen gezwungen werden.
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Beim Schutz der Streuobstwiesen stimmen Sie zu?
Auch da sehe ich Probleme. Eine Streuobstwiese wächst nicht alleine, die müssen Sie anlegen und pflegen. Ein Obstbaum wird maximal 100 Jahre alt, dann geht er ein und muss nachgepflanzt werden. Das tun viele Bauern, und sie tun es aus eigenem Antrieb. Viel Geld verdient mit seiner Streuobstwiese keiner, nur durch Fördermittel wird die Bewirtschaftung so gerade eben rentabel. Wenn man die Wiesen unter Schutz stellt, nimmt man den Landwirten die Fördermöglichkeit. Dann werden die Wiesen eben nicht mehr gepflegt und die Bäume nicht mehr nachgepflanzt. Dadurch wäre den Insekten auch nicht geholfen – im Gegenteil.
Wenn alles bleibt wie es derzeit ist, würde das Insektensterben doch weitergehen.
Dass alles bleiben soll wie es ist, habe ich nicht gesagt. Es ist auch nicht meine Meinung. Ich sehe sehr wohl Weiterentwicklungsbedarf, auch wir Landwirte müssen beim Naturschutz besser werden. Es gibt Potenziale, die können wir heben. Wichtig wäre mir aber kein gesetzlicher Zwang, sondern kooperativer Naturschutz. Gemeinsam können wir viel mehr erreichen als Gegeneinander. Das hat die Bundesumweltministerin noch nicht verstanden.
Geht es der Landwirtschaft in Deutschland denn wirklich so schlecht?
Der Landwirtschaft geht es schlecht. Ökonomisch sind die Betriebe unter Druck, vor allem die Schweinehalter leiden unter zu niedrigen Preisen. Auch die Milchpreise müssten höher sein, damit die Milchviehbetriebe einigermaßen über die Runden kommen. Die ganze Landwirtschaft hat außerdem drei Jahre mit extrem schwierigen Witterungsbedingungen hinter sich. Die Trockenheit hat die Erträge geschrumpft. Und dann kommt auch noch die Politik mit neuen Auflagen und ihrer Regelungswut. Ich sage es, wie es ist: Viele Landwirte überlegen, aufzuhören.