Biden will Gefängnis schließenWie aktuell die Zustände in Guantanamo sind
Guantanamo – Vor vielen Jahren schon wuchs Gras über die Sache. Es ist dickes Gras mit scharfen Rändern. Kniehoch steht es in den Zellen aus Maschendraht, in denen einst Gefangene in orangefarbenen Overalls bei Wind, Wetter und Hitze ausharren mussten. Eine Klimaanlage gab es nur für die Wachhunde.
Mittlerweile hat die karibische Flora das berüchtigte Camp X-Ray überwuchert. Ein paar Bananenratten, groß wie Katzen, hängen faul im Drahtgebälk der Käfige für die Gefangenen der ersten Stunde. Leguane schleichen behäbig herum.
Bis vor ein paar Jahren durften noch Journalisten den US-Stützpunkt Guantanamo Bay an der Südostspitze Kubas besuchen. Das damals längst verlassene Camp X-Ray war fester Bestandteil ihres Besuchsprogramms. US-Soldaten führten sie durchs Gebüsch und zu den Käfigen. Es wirkte wie ein Schauspiel, mit dem Besuchern suggeriert werden sollte: So schlimm wie in Camp X-Ray ist es hier in Guantanamo gar nicht mehr.
Noch 40 Männer in Haft
Die Gefangenen waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle in einen vergleichsweise modernen Gefängniskomplex in Strandnähe verlegt worden. Heute sind es noch 40 Männer, von denen die allermeisten ohne Anklage in Guantanamo sitzen. Zeitweise waren es mehr als 770.
Der neue US-Präsident Joe Biden unternimmt nun einen neuen Anlauf, das Lager zu schließen. Das würde einen völkerrechtlichen Schandfleck beseitigen, der seit bald 20 Jahren auf den USA lastet. Bidens Vorgänger Donald Trump dachte nicht im Traum daran, das Lager zu schließen. Er wurde dafür von seinen Anhängern bejubelt.
Bush fasste Beschluss 2001
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatte die damalige US-Regierung unter Präsident George W. Bush beschlossen, dass der US-Flottenstützpunkt Guantanamo genau der richtige Ort sein sollte, um die „Schlimmsten der Schlimmen“ zu verwahren. Darunter war auch ein junger Mann aus Bremen. Murat Kurnaz saß mehr als viereinhalb Jahre in Guantanamo, bevor er im August 2006 freigelassen wurde. Kurnaz berichtete später von Folterungen und Demütigungen.
Die Terrorverdächtigen waren keine Kriegsgefangenen, aber auch keine Straftäter. Also erdachten Juristen der US-Regierung die Kategorie der „feindlichen Kämpfer“ – Menschen, die für rechtlos erklärt wurden. So wurde Guantanamo, das offiziell kein US-Staatsgebiet ist, zum Symbol für einen „Krieg gegen den Terror“, in dem der Zweck die Mittel heiligte. Das ist es bis heute geblieben, nur spricht kaum noch jemand von Guantanamo und seinen vergessenen Gefangenen.
Knast oder Kaserne?
Das 120 Quadratkilometer große Stück Land war jahrzehntelang ein unbedeutender Außenposten des US-Militärs, wo Kriegsschiffe Treibstoff aufnahmen oder repariert wurden. Die Bucht und die umliegenden Landstriche wurden 1903 vom damaligen kubanischen Präsidenten an die USA verpachtet, weil deren Soldaten geholfen hatten, die spanischen Kolonialherren zu vertreiben. Die Amerikaner waren lange sehr willkommen – bis Fidel Castro die Macht in Kuba übernahm.
Es ist bis heute schwer zu sagen, ob Guantanamo ein Militärstützpunkt mit angeschlossenem Gefängnis oder ein Knast mit angeschlossener Kaserne ist. Die Marinesoldaten des Stützpunkts und die Wachsoldaten des Gefängnisses leben voneinander getrennt und treffen sich nur zufällig. Guantanamo wirkt mit seinen Kneipen, seinem McDonald’s, seinem Golfplatz, seinem Freiluftkino wie jede x-beliebige US-Kleinstadt.
Gleichzeitig ist Guantanamo Bay das mutmaßlich teuerste Gefängnis der Welt. Zahlen für das Jahr 2019, die die „New York Times“ veröffentlicht hat, belegen das eindrücklich. Demnach verschlang der Betrieb des Gefängnisses, in dem mehr als 1500 Soldaten Tag und Nacht gerade einmal 40 Gefangene bewachen, mehr als 540 Millionen US-Dollar.
Das US-Militär sorgt gut für seine Wachsoldaten in Guantanamo. Psychologen betreuen die Soldaten, denn der Wachdienst zehrt an den Nerven und geht ans Gemüt. Vor einigen Jahren erzählte David Heath, der Chef der Gefängniswärter, Journalisten während einer Gefängnistour, seine Soldaten würden von den Gefangenen immer wieder mit dem sogenannten Cocktail beworfen. Das sei eine Mischung aus Fäkalien, Sperma und Wasser.
Respekt für Gefangene
Das sei entwürdigend, sagte Heath. Dennoch würden die Gefangenen respektvoll behandelt. „Keiner meiner Soldaten hat jemals Vergeltung geübt für eine Attacke mit dem Cocktail“, sagte Heath. Ob das stimmt, ließ sich nicht überprüfen. Begegnungen mit Gefangenen waren nicht erlaubt, schon gar keine Interviews.
Noch sitzen 40 Männer in Guantanamo. Neun von ihnen sind wegen Kriegsverbrechen angeklagt oder bereits verurteilt. Sechs Terrorverdächtige könnten theoretisch freigelassen werden, wenn sich aufnahmebereite Länder fänden. Das ist aber wenig wahrscheinlich. 25 Gefangene gelten als so gefährlich, dass sie in Haft bleiben müssen, auch wenn es nach wie vor keine Anklageschrift gegen sie gibt.
Obamas Scheitern
Seit einigen Jahren müssen sich einige der Terrorverdächtigen immer wieder in einem eigens gebauten Gerichtskomplex den Befragungen eines Militärrichters stellen. Darunter ist Chalid Scheich Mohammed, der als Chefplaner der Anschläge vom 11. September gilt. Er sitzt seit 2004 in Guantanamo. Doch das Verfahren gegen ihn und vier Mitangeklagte kommt nicht voran. Das sogenannte Militärtribunal in Guantanamo verheddert sich immer wieder in juristischen Feinheiten.
Ob US-Präsident Biden mit seinen Schließungsplänen Erfolg haben wird, ist noch lange nicht ausgemacht. Biden müsste einen Weg finden, die Gefangenen von Guantanamo in Gefängnisse auf dem US-Festland zu verlegen, um ihnen dort einen regulären Prozess machen zu können. Doch daran ist schon sein Vorvorgänger Barack Obama gescheitert. Der Widerstand im US-Kongress, der die Verlegungen genehmigen muss, war zu groß.
Bidens Plan soll durchkreuzt werden
Schon rüsten Gouverneure und Senatoren verbal auf, um Bidens Plan zu durchkreuzen. „Die Besessenheit der Demokraten, Terroristen in amerikanische Hinterhöfe zu bringen, ist bizarr, fehlgeleitet und gefährlich“, sagte John Cornyn, republikanischer Senator aus Texas.