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„Bittere Entwicklung“Bauzinsen schießen nach oben – wie geht es weiter?

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Wer jetzt einen Immobilienkredit braucht, kommt schnell in Stress: Oft tun sich Banken schwer mit ihrem Angebot, das dann aber nur vergleichsweise kurz gilt – verbunden mit dem Hinweis, dass es schon bald teurer sein werde. Seit Jahresbeginn steigen die Zinsen massiv, und die meisten Experten erwarten, dass es in den nächsten Monaten noch weiter aufwärts gehen wird.

Im Eiltempo über zwei Prozent

„Mit einer Normalisierung des Zinsniveaus haben wir 2022 gerechnet“, sagt Michael Neumann, Chef der Lübecker Finanzberatung Dr. Klein. „Dass der Anstieg aber so schnell und so hoch ausfallen würde – das war nicht zu erwarten.“ Vor drei Monaten war ein Baukredit noch mit rund einem Prozent Zins zu bekommen, jetzt sind es bei zehnjähriger Zinsbindung nach Zahlen der FMH Finanzberatung durchschnittlich 2,38 Prozent – so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. „Wenn wir auf die vergangenen zehn Jahre zurückschauen, sind die Bauzinsen zu keinem Zeitpunkt so schnell und so stark gestiegen wie jetzt“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Münchner Kreditvermittlers Interhyp.

Auslöser sind die hohe Inflation und die deshalb erwarteten Zinserhöhungen. Denn obwohl die Europäische Zentralbank bisher kaum tätig geworden ist, wird an den Kapitalmärkten mit einer weiteren Straffung der Geldpolitik gerechnet – also mit höheren Zinsen. Der Anleihenmarkt, der für die langfristigen Zinsen entscheidend ist, hat das schon vorweggenommen: Die Rendite für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit liegt jetzt bei 0,93 Prozent.

Das klingt unspektakulär, bedeutet aber einen rapiden Anstieg: Vor vier Wochen war sie noch halb so hoch und davor jahrelang negativ. Für die Kreditinstitute, die sich am Kapitalmarkt refinanzieren, ist also auch der „Einkauf“ erheblich teurer geworden.

Aufsicht fordert mehr Reserven

Einen weiteren potenziellen Preistreiber können die Experten noch nicht recht einschätzen: Die Finanzaufsicht Bafin hat den Banken und Sparkassen aufgegeben, bis Anfang nächsten Jahres dickere Sicherheitspolster für ihre vergebenen Kredite anzulegen. Sie sollen besser gewappnet sein, falls der Immobilienboom abrupt abbricht. Das zusätzliche Geld für diese Reserve dürften sich die Banken mindestens zum Teil durch teurere Kredite bei ihren Kunden holen.

Die entscheidenden Faktoren bleiben aber die Geldpolitik der Notenbanken und die Zinsentwicklung an den Kapitalmärkten. Die US-Notenbank Fed hat gerade signalisiert, dass ihre nächste Zinserhöhung deutlicher ausfallen könnte als bisher erwartet. Die Europäer zögern noch, unter anderem wegen der Wirtschaftsrisiken durch den Ukraine-Krieg. Aber auch in der EZB mehren sich die Stimmen für eine erste Zinserhöhung noch im Sommer.

Die Unsicherheit über die EZB-Linie führe zum Teil bereits zu Übertreibungen am Kapitalmarkt, sagt Michael Neumann, der deshalb in den nächsten Monaten mit vergleichsweise starken Schwankungen rechnet. So sei auch ein Anstieg der Hypothekenzinsen auf 3 Prozent in diesem Jahr denkbar, auch wenn er ihn aus heutiger Sicht für irrational hält. Auch bei Interhyp setzt man die Prognose etwas tiefer an: „Wir erwarten, dass sich die Zinsen im Jahresverlauf zwischen 2,5 und 3 Prozent bewegen werden“, sagt Mirjam Mohr. Dagegen sieht man bei FMH „in ein paar Monaten generell die Drei vor dem Komma“. Bei Finanzierungen mit wenig Eigenkapital sei das heute schon so.

Im historischen Vergleich noch günstig

Mirjam Mohr weist allerdings darauf hin, dass die Zinsen im langfristigen Vergleich immer noch relativ günstig seien. „Vor zehn bis 15 Jahren lagen sie noch bei 3 bis 5 Prozent“, in den Neunzigerjahren waren es sogar 6 bis 8 Prozent. Gleichzeitig relativiert sich der aktuelle Zinsanstieg durch die noch deutlich höhere Inflation: Real, also inflationsbereinigt, sind die Hypothekenzinsen negativ. Doch wer Konditionen jetzt für zehn Jahre festlegt, kann nicht damit rechnen, dass das so bleibt.

„Für Immobilienkäufer, die aktuell auf der Suche sind, ist die Zinsentwicklung natürlich bitter“, sagt Neumann – zumal auch Bau- und Immobilienpreise massiv gestiegen sind. Insgesamt sieht man bei Dr. Klein aber noch kein Abflauen der Nachfrage. „Dafür sind Immobilien nach wie vor zu attraktiv, gerade in der jetzigen Inflationsphase“, sagt Neumann. In den meisten Fällen sei eher das nötige Eigenkapital das Problem und weniger die Monatsrate. Deutlich gewachsen sei die Nachfrage nach Anschlussfinanzierungen, um sich Konditionen zu sichern, bevor die Zinsen möglicherweise weiter steigen.