Bundesbauministerin Klara Geywitz„Ich will, dass mehr Menschen Wohngeld bekommen“
Berlin – Bundesbauministerin Geywitz über den Traum vom Einfamilienhaus, serielles Bauen und die Förderung von Neubauten.
Frau Geywitz, die Baubranche leidet unter Materialmangel, fehlenden Arbeitern, der Inflation, der Zinswende. Hatten Sie in ihrem ersten Jahr als Bauministerin so viele Probleme erwartet?
Klara Geywitz: Ich bin schon etwas länger Politikerin und weiß ganz gut, dass Pläne und Realität verschiedene Sachen sind. Was man in Koalitionsverträgen regelt, ist selten genau dasselbe, was dann auf der Tagesordnung steht.
Im Koalitionsvertrag steht das Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Steht das also nicht mehr ganz oben auf der Tagesordnung?
Doch, denn die 400.000 Wohnungen werden weiter gebraucht. Es gibt Menschen, die auf diese Wohnungen dringend warten. Denen kann ich doch jetzt nicht sagen, die Bedingungen haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine geändert, Pech gehabt. Im Gegenteil: Es kommen derzeit viele zu uns, die Schutz vor diesem fürchterlichen Krieg suchen. Wir brauchen also eher mehr als 400.000 Wohnung pro Jahr – nicht weniger.
Wie realistisch ist es, dieses Ziel noch zu erreichen?
Die Voraussetzungen am Bau sind verdammt schwierig geworden, viel schwieriger als im letzten Jahr. Und natürlich kann ich als Ministerin weder Baustahl produzieren, noch die Inflation beenden. Mein Job ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und für finanzielle Förderung zu sorgen, damit die Bauwirtschaft Wohnungen baut. Ich habe die Hoffnung, dass unter dem aktuellen Druck Dinge gelingen, die in den letzten Jahrzehnten nicht möglich waren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Ein Beispiel bitte.
Wir brauchen viel mehr serielles Bauen, also die Vorfertigung von Wohneinheiten in der Fabrik, die dann auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt werden müssen. Da kann man eine Menge vereinfachen – auch in den Genehmigungsverfahren. Durch eine generelle Genehmigung bestimmter Bautypen lassen sich aufwändige Einzelprüfungen vermeiden.
Warum haben wir die noch nicht?
Die Möglichkeit der Typengenehmigung wurde bereits 2019 wieder in die Musterbauordnung aufgenommen. Aber Baurecht ist eben Ländersache. Da müssen wir zueinander finden, was wir in unserem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum gerade tun.
Welche Möglichkeiten haben Sie noch?
Wir können den Neubau über die Fördersätze ankurbeln. Die Neubauförderung ist ja gerade vom Wirtschaftsministerium zu uns übergegangen…
…und dabei massiv zusammengekürzt worden. Ihnen steht künftig nur noch eine Milliarde Euro für die neue Gebäude zur Verfügung, Wirtschaftsminister Robert Habeck zwölf Milliarden Euro für die Sanierung.
Sie übersehen, dass wir die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen. Insgesamt sind es 14,5 Milliarden, die wir bis 2026 eingeplant haben – eine Rekordsumme. Dieses Geld kommt denen zugute, die es am meisten brauchen.
Neubauförderung gibt es nur noch für Bedürftige?
Auf jeden Fall war es nicht besonders schlau von der Vorgänger-Regierung, neue Gebäude unabhängig davon zu fördern, ob der Mietpreis bis 8,50 Euro oder 18,50 Euro je Quadratmeter liegt.
Klimaschützer sagen, die Regierung sollte gar keinen Neubau mehr fördern.
Das sehe ich anders. Wir brauchen Neubau, weil wir zu wenig Wohnraum haben. Und mit der staatlichen Förderung können wir Investitionen in umweltschonende Bauweisen anschieben. Staatliches Geld für Neubauten wird es künftig nur noch für die geben, die nachhaltig bauen.
Teil des deutschen Wohlstandsversprechens war lange, sich mit guter Ausbildung und Fleiß ein eigenes Häuschen leisten zu können. Für viele junge Menschen zerplatzt der Traum gerade – vor allem in Ballungsräumen. Kann sich künftig nur noch ein Haus leisten, wer eine Erbschaft mitbringt?
Ich bezweifle ihre Ausgangsthese, weil es immer nur bestimmte Einkommensschichten waren, die sich ein Einfamilienhaus leisten konnten. Wahr ist, dass die Wertsteigerung im Immobilienbereich dazu geführt hat, dass viele Häuser für Menschen ohne Eigenkapital unerschwinglich geworden sind. Wir steuern gegen, indem wir ab Oktober beispielsweise Genossenschaften fördern, die für Menschen die Möglichkeit schaffen, zusammen mit anderen Menschen Wohneigentum zu bilden.
Der Traum vom Einfamilienhaus am Stadtrand ist ausgeträumt?
Nein, aber ich finde, wir müssen eine Debatte über das Wie wohnen wir führen. Es gibt nicht die einzig glücklich machende Wohnform, aber wie wir zusammen- leben, hat sich doch schon spätestens mit Corona verändert. Das klassische Einfamilienhaus ist eigentlich ein Lebensabschnittsgebäude, es wird aber selten so genutzt. Die meisten Menschen bauen sich so ein Haus, wenn sie Kinder haben oder erwarten, ziehen dann aber nicht aus, wenn der Nachwuchs das Haus verlässt. Das führt dazu, dass in Millionen Einfamilienhäusern nur zwei oder eine betagte Person auf 150 Quadratmetern Wohnfläche leben.
Es ist die individuelle Lebensentscheidung vieler Menschen…
Ja, sicher. Ein Haus kann im Alter aber auch eine Belastung sein. Es gibt viele Senioren, die gerne ausziehen würden, wenn es in ihrem Ort barrierefreie und zentral gelegene Wohnungen geben würde. Da müssen wir ansetzen, auch um Wohnraum für Jüngere zu schaffen. Und wir müssen den Bestand mehr schätzen.
Ein Neubau ist meist steuerlich günstiger als der Kauf einer Bestandimmobilie, da die Grunderwerbssteuer am Kaufpreis bemessen wird. Sind Sie für eine Reform?
Ja. Unterschiedliche Hebesätze für unterschiedliche Verwendungszwecke von Immobilien wären sinnvoll und würden Familien beim Eigentumserwerb entlasten. Die Sanierungsförderung ist ein weiteres Thema. Außerdem überarbeiten wir gerade die Honorarordnung für die Architekten und Ingenieure, damit diese auch einen ökonomischen Anreiz haben, ihre Kreativität und Zeit in die Planung von Umbauten zu stecken. Und wir werden auch über Standards reden müssen, denn natürlich bekommen sie ein 50 Jahre altes Haus nie so saniert, dass es energetisch einem Neubau entspricht.
„Es wird einen erneuten Heizkostenzuschuss geben”
Vor allem einkommensschwache Haushalte leiden unter den hohen Energiepreisen. Wie weit ist die angekündigte Wohngeldreform?
Ich will, dass mehr Menschen Wohngeld bekommen. Wir werden den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich ausweiten. Es wird einen erneuten Heizkostenzuschuss geben und zwar sowohl als neuerliche Einmalzahlung als auch als verstetigte Komponente.
Wann kommt die Reform?
Der 1. Januar 2023 ist das Ziel. Mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit den Ländern die Antragsverfahren vereinfachen und an der Bekanntheit des Wohngeldes arbeiten. Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie auf diese Leistung einen Rechtsanspruch haben könnten, und dass sie auch keine Angst haben müssen, dass der Staat ihnen dann vielleicht die 5000 Euro Erspartes nimmt. Das Wohngeld ist eine echte Unterstützung dabei, die eigenen Wohnkosten bezahlbar zu halten.
Auch die Wohnungswirtschaft leidet unter den Energiepreisen. Muss der Staat Unternehmen stützen?
Darüber reden wir gerade. Nicht alle, aber einige, insbesondere kleinere und regionale Wohnungsunternehmen können jetzt in Liquiditätsprobleme kommen, weil sie für die hohen Energiekosten in Vorleistung treten müssen. Zeitversetzt kommen dann die hohen Kosten auf die Mieterinnen und Mieter zu. Es gibt Regionen, wo die Nebenkosten doppelt so hoch sind wie die Miete.
In zwei Wochen empfangen Sie die G7-Bauminister in Ihrer Heimatstadt Potsdam. Was ist von dem Gipfel zu erwarten?
Wir wollen im G7-Kreis über die Stadt der Zukunft beraten. Städte sind die Orte, wo Transformation stattfindet. Hier haben wir die Bau- und Verkehrswende, die passieren muss. Hier finden Extremwetterlagen statt. Das sind riesige Herausforderungen, die lokal stattfinden – in den Kommunen. Das heißt, hier müssen Antworten darauf gefunden werden, wie unsere Städte lebenswert bleiben können. Außerdem wollen wir im Kreis der G7-Bauminister über den Wiederaufbau der Ukraine beraten. Welche Planungs- und Baukapazitäten braucht es dafür? Wie können wir helfen? Die Herausforderung ist so groß, dass es einer großen internationalen Anstrengung bedarf, sie zu bewältigen.