Die propalästinensischen Uni-Proteste halten die USA weiter in Atem: In New York räumten Hunderte Polizisten ein besetztes Gebäude.
Campus-Proteste in den USAPräsident Biden gerät zwischen die Fronten der Studentenproteste
Der massive Polizeieinsatz zur Räumung eines besetzten Hochschulgebäudes in New York war gerade beendet, als am Mittwoch verstörende Bilder aus Los Angeles die Online-Netzwerke fluteten. Auf den Videos ist zu sehen, wie gewalttätige Gegendemonstranten in der Nacht ein pro-palästinensisches Zeltlager auf dem Campus der University of California zu stürmen versuchen. Feuerwerkskörper und Pfefferspray werden eingesetzt. Von der Polizei ist dort zunächst nichts zu sehen.
Zwei Wochen nach den ersten Studentenprotesten eskaliert die Auseinandersetzung über den Gaza-Krieg an amerikanischen Hochschulen immer weiter. Mehr als 1000 Demonstranten wurden schon festgenommen, vielen Studierenden droht die Zwangsexmatrikulation. Gleichzeitig gerät Joe Biden immer ärger zwischen die Fronten: Während er von den Studierenden wegen seiner israelfreundlichen Politik als „Genozide Joe“ beschimpft wird, machen ihn die Republikaner für die „Biden-Proteste“ verantwortlich.
Uni-Proteste: Präsident Biden steht vor einem Dilemma
Der Präsident steht vor einem gewaltigen Dilemma: Viele jüngere Wähler und der linke Flügel der Demokraten sind über die israelische Militäroffensive im Gazastreifen mit bereits mehr als 30.000 Toten empört und unterstützen die Proteste. Doch Kritiker werfen einem Teil der Demonstrierenden antisemitische Tendenzen und eine Verharmlosung der Hamas vor. „Der Protest ist kein Antisemitismus, es ist die Ausübung unseres Rechts auf freie Meinungsäußerung“, halten progressive Kongressabgeordnete wie der Demokrat Mark Pocan dagegen. Viele sind befremdet vom harten Durchgreifen der Polizei und den drakonischen Sanktionen.
Bislang hat Biden versucht, sich aus der innenpolitischen Auseinandersetzung so weit wie möglich herauszuhalten. Er hat die Proteste persönlich nicht angesprochen. Derweil dringt er bei den Verhandlungspartnern Katar und Ägypten massiv auf ein Geiselabkommen. Ein Waffenstillstand und die bevorstehenden Semesterferien, so sein mutmaßliches Kalkül, könnten die Lage beruhigen.
Doch die Auseinandersetzung an der renommierten Columbia University in Manhattan zeigt, wie politisch hochbrisant das Thema ist. Nach der gewaltsamen Besetzung eines Universitätsgebäudes, in dem sich pro-palästinensische Demonstrierende verschanzten, sperrte die Hochschulleitung den Campus auch für Journalisten und setzte den Studierenden ein Ultimatum für die Räumung. Auch John Kirby, der Sprecher von Bidens Nationalem Sicherheitsrat, kritisierte: „Das ist kein Beispiel für friedlichen Protest.“
In der Nacht zum Mittwoch rückten dann mehrere Polizei-Hundertschaften in Kampfausrüstung an, drangen über ein Fenster im ersten Stock in die Hamilton Hall ein und nahmen nach Angaben des New Yorker Bürgermeisters Eric Adams mehr als 280 Personen fest. Sie sollen nun von der Universität suspendiert werden. Der rechte Sender Fox-News schaltete zur Übertragung der massiven Polizei-Aktion auf der belebten Upper West Side live Ex-Präsident Donald Trump zu. „Es hätte nie dazu kommen dürfen“, wetterte der republikanische Präsidentschaftskandidat: „Sie hätten viel früher reagieren müssen.“ Noch in dieser Woche wollen die Republikaner im Repräsentantenhaus einen Gesetzesentwurf einbringen, der durch eine weitreichende Definition des Antisemitismus-Begriffes das behördliche Vorgehen gegen pro-palästinensische Proteste erleichtert.
Viele Beobachter befürchten inzwischen, dass sich die Unruhen ausweiten und den Parteitag der Demokraten in Chicago im August überschatten könnten. Für Biden wäre das der Super-GAU: Nicht nur könnte sich ausgerechnet sein Herausforderer Trump, der den antisemitischen Neonazi-Fackelzug in Charlottesville kleinredete und wegen mehrerer Kriminaldelikte angeklagt ist, als Hüter von Recht und Ordnung inszenieren. Vor allem droht Biden bei den wichtigen jungen Wählern weiter an Unterstützung zu verlieren. Laut einer CNN-Umfrage sind die Präferenzen der unter 35-Jährigen schon jetzt beunruhigend: 51 Prozent wollen für Trump und nur 40 Prozent für Biden stimmen.