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Corona-Abitur in NRWDie Lage vor dem Prüfungs-Start am Dienstag

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Das Abitur wird in diesem Jahr eine echte Prüfung. Nicht nur in fachlicher Hinsicht. Auch bei Organisation und Ablauf der Prüfungen darf es in Corona-Zeiten möglichst keine Fehler geben.

  1. In NRW starten am Dienstag die Abitur-Prüfungen. Sehen sich die 148.000 Schüler trotz Corona-Wirrwarrs gut vorbereitet – oder droht ein Leistungsabsturz?
  2. Konnten Schulen und Lehrer die XL-Orga-Aufgabe überhaupt rechtzeitig stemmen?
  3. Ein Lagebericht von vor Ort.

Pulheim – Das Abitur wird in diesem Jahr eine echte Prüfung. Nicht nur in fachlicher Hinsicht. Auch bei Organisation und Ablauf der schriftlichen und mündlichen Prüfungen darf es in Corona-Zeiten möglichst keine Fehler geben.

Damit es ab kommenden Dienstag (12. Mai) glatt geht für die 148.000 Abiturienten in NRW, laufen die Vorbereitungen in den Gymnasien und Gesamtschulen auf Hochtouren. In vielen Bundesländern hat das Abitur schon begonnen. Nur Niedersachsen startet mit NRW. Bayern, Baden-Württemberg, das Saarland und Thüringen ziehen in den kommenden Wochen nach.

Experten kritisieren ungleiche Prüfungsvoraussetzungen

Experten haben auf die besondere Belastung der Abschlussjahrgänge hingewiesen und die Durchführung der Abitur-Prüfungen kritisiert. Von gleichen Prüfungsvoraussetzungen könne nicht die Rede sein, sagte Kenneth Rösen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Bedingungen beim Distanzlernen seien in den vergangenen Wochen für die Schüler sehr unterschiedlich gewesen. Hinzu komme der enorme psychische Druck angesichts der Corona-Pandemie.Ein Blick in die Schule

Knapp 150 junge Erwachsene werden am Abtei-Gymnasium Brauweiler in Pulheim bei Köln ihre Abi-Prüfungen ablegen, ein großer Jahrgang. 1.100 Schüler gibt es dort insgesamt- „Unsere Schüler wollen ihre Abi-Prüfungen unbedingt machen. Sie wollen kein Abitur zweiter Klasse”, schildert Schulleiter Martin Sina. Und so wird das Prozedere sein: Die Schüler kommen mit Mundschutz auf den Hof, stellen sich mit Abstand auf. „Der Kurslehrer holt sie ab. Die Anwesenheit wird überprüft, dann geht es gemeinsam im Gänsemarsch in die Räume.”

Kann man unter solchen Umständen auf Knopfdruck konzentriert arbeiten?

An alles ist gedacht: „In den Fluren und Gängen herrscht Rechtslaufgebot, damit man Abstand hält. Alle Türen bleiben offen, damit kleine Klinken angefasst werden", erläutert Sina. Maximal 12 Schüler dürfen in einen Raum. Die Abiturienten gehen ans Waschbecken, nehmen dann sofort ihren Platz ein. Alle Tische sind mit Nummern versehen, die die Schüler vorher erhalten haben. Das Arbeitsmaterial wartet bereits auf dem Tisch. „Wir wollen möglichst wenig Bewegung im Raum haben." Nach den Prüfungen wird der gesamte Raum desinfiziert.

Alle Schüler kennen die Verhaltensregeln, es gibt auch ein eigenes Video dazu. Trotzdem: Kann man unter solchen Umständen quasi auf Knopfdruck konzentriert arbeiten? „Ich mache mir keine Sorgen um meine Schüler in fachlicher Hinsicht, mit dem Unterrichtsstoff sind sie durchgekommen. Was sich schwer einschätzen lässt, ist die psychische Belastung", sagt der Schulleiter.

Positive Resonanz der Schüler

Bei Emma (18) wächst die Anspannung gerade heftig. Am Dienstag steht für sie als erste schriftliche Prüfung Bio an. „Ich bin nervös, aber eher normal nervös, gar nicht so sehr beeinflusst von Corona", schildert die Schülerin aus dem bergischen Leichlingen. „Für mich war es gut, dass wir noch mal zwei Wochen zurück in die Schule kommen konnten. Das hat ein bisschen geholfen."

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Ein letzter gemeinsamer Ritt durch Genetik, Neurobiologie oder Evolution war möglich, ein intensiver Blick auf das Wesentliche in Englisch, Deutsch und Pädagogik. An einen Corona-Bonus glaubt die Gymnasiastin nicht: „An den Aufgaben und der Bewertung wird sich sicher nichts ändern."

Die Resonanz der Schüler auf das Angebot seit dem 23. April, vor den Abschlussprüfungen noch mal in die Kursräume zu kommen, sei sehr positiv ausgefallen, berichtet Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologen-Verbands NRW. „Der abiturrelevante Stoff war weitgehend schon vor Ostern erarbeitet. Aber die Möglichkeit, jetzt noch mal zu vertiefen, zu wiederholen, sich direkt auszutauschen - das war den meisten Schülern doch sehr wichtig."

Kein Noteneinbruch befürchtet

Mistler beobachtet: „Die meisten wollen nach dem ganzen Hin und Her jetzt auf jeden Fall ihre Abi-Klausuren schreiben." Sie befürchtet keinen coronabedingten Noteneinbruch. "Dass Schüler bei den Leistungen massiv abgebaut haben, nein, das sehe ich bis jetzt nicht." Es gab allerdings auch laute Stimmen gegen die Abschlussprüfungen. Das Aktionsbündnis „Schulboykott NRW" hatte gefordert, das Abitur 2020 nach dem Durchschnitt der zuvor schon erbrachten Leistungen in der Oberstufe zu vergeben - erfolglos.

Bis zum 25. Mai dauert der schriftliche Teil, dann folgen die mündlichen Abi-Prüfungen. Auch personell eine gewaltige Herausforderung, unterstreicht Schulleiter Sina. Auf ein Drittel seiner Lehrkräfte muss er verzichten, weil sie vorerkrankt oder älter sind und damit zur Corona-Risikogruppe gehören. Aber allein für eine mündliche Prüfung braucht es drei Lehrkräfte in der Kommission.

Thüringen startet eine Woche später

Nachdem die meisten Abschlusskandidaten bereits Präsenzunterricht an ihren Schulen bekommen, dürfen ab Montag weitere Kinder und Jugendliche wieder in ihre Schulen. Der aktuelle Stufenplan des Thüringer Bildungsministeriums sieht dabei vor, dass Viertklässler, Drittklässler, die Schüler der elften und der neunten Klasse vorrangig berücksichtigt werden. Den genauen Plan, wer wann zurückkehrt, sollen aber die Schulen selbst entwickeln. Sicher ist aber: Das Abitur soll in Thüringen am 18. Mai starten mit den Prüfungsfächern Biologie, Chemie und Physik.

Die meisten Abschlussklassen haben bereits wieder Unterricht in den Schulgebäuden. Wegen der Corona-Krise mussten in Thüringen Schulen und Kindergärten am 17. März für mehrere Wochen schließen. Auch in Zukunft soll es nach Plänen des Bildungsministeriums Unterricht nicht vollständig an allen Tagen für alle Schüler in den Schulgebäuden geben. Vielmehr ist ein System aus Tagen mit Präsenzunterricht und häuslichem Lernen geplant. (RND)