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Auch mit NeonazisTausende demonstrieren bundesweit gegen Corona-Maßnahmen

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Demonstrant in Freiburg

Gegner der Corona-Politik sind am heutigen Samstag erneut in vielen deutschen Städten auf die Straße gegangen. In der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg zogen am Samstagnachmittag mehrere Tausend Gegner der Corona-Maßnahmen durch die Innenstadt. Laut Polizeiangaben sollen es 1500 Menschen gewesen sein. Im Vorfeld wurde bundesweit zu mehreren Kundgebungen und einer „Mega-Demo“ mobilisiert worden, darunter auch von prominenten „Querdenkern“, Rechtsextremen und der AfD-Bundestagsabgeordneten Christina Baum.

Angemeldet waren kleinere Versammlungen gegen die Corona-Politik - in Magdeburg sind nach einer Mobilisierung in sozialen Netzwerken am Samstag aber Tausende Menschen zu Protesten zusammengekommen. Sie zogen stundenlang durch die Stadt. Das Spektrum der Teilnehmer war breit: Händchenhaltende Paare, Menschen mit Kinderwagen und Hunden, Kinder und Senioren. Auch augenscheinlich rechte Teilnehmer und gewaltbereite Fußballfans hatten sich unter die Kritiker gemischt. Mit Trillerpfeifen, Trommeln, Plakaten und Lautsprechern machten sie ihrem Unmut über die Corona-Maßnahmen Luft. Straßenbahnen standen still, zeitweise wurden Straßen gesperrt.

Neonazis in Magdeburg

Auf einer Kundgebung auf dem Alten Markt sprach unter anderem die Ärztin Carola Javid-Kistel aus Duderstadt. Sie bezeichnete die Corona-Schutzimpfungen als „den größten Genozid der Geschichte“. Die Veranstalter beendeten die Kundgebung vorzeitig, nachdem Teilnehmer darauf drängten, durch die Stadt ziehen zu wollen. Mehrere Demonstrationszüge mit mehreren Tausend Teilnehmern bewegten sich am Nachmittag durch die Stadt. Die Polizei, darunter auch Einheiten aus Sachsen und der Bundespolizei, versuchte nur vereinzelt, die Züge aufzuhalten oder umzuleiten.

Festnahmen oder Identitätsfeststellungen gab es bis zum späten Nachmittag nicht. Unter den Demonstranten waren auch organisierte Neonazis, etwa von der Neonazi-Partei „Neue Stärke“. Auf Twitter waren ein Video von aggressiven Protestierende zu sehen.

Ebenfalls in Magdeburg unterwegs war der Bundeswehr-Oberfeldwebel Anton O., der nach Weihnachten wegen Drohungen gegen Politiker kurzzeitig festgenommen wurde. Er war in Begleitung des „Querdenker-Offiziers“ Maximilian Eder. Eder sagte dem RND, es seien auch weitere Veteranen in Zivil in Magdeburg dabei, um „deeskalierend“ zu wirken.

Demonstrationen in Hamburg und Berlin

Nach Polizeiangaben setzte sich in Hamburg ein Demonstrationszug mit rund 16.000 Menschen von der Kunsthalle aus in Bewegung. Es gebe weiter Zulauf, hieß es. Zu der Demo unter dem Motto „Das Maß ist voll. Hände weg von unseren Kindern“ wurden laut Polizei zunächst rund 11.000 Teilnehmer erwartet. Der Zug sollte vom Glockengießerwall über die Lombardsbrücke zur Esplanade und von dort über Stephansplatz und den Jungfernstieg führen.

Der Veranstalter forderte die Teilnehmer immer wieder über Lautsprecher auf, die Masken- und Abstandspflicht einzuhalten. Dennoch waren in der Menge viele Menschen ohne Masken zu sehen. Wie das Nachrichtenportal „Die Welt“ berichtet, trugen viele der Maskenverweigerer entsprechende Atteste bei sich. Bei den Teilnehmern soll es sich um Impfgegner und Corona-Zweifler, aber auch erneut einige Rechtsradikale, Reichsbürger und selbsternannte Freiheitskämpfer handeln.

Demonstrant wegen „Volksverhetzung" angezeigt

Die Polizei hatte strenge Kontrollen angekündigt. Ein Teilnehmer habe einen Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ an der Kleidung getragen, twitterte die Polizei. Gegen die Person sei ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet worden. Wegen der Demonstration kam es in der Innenstadt aufgrund von Straßensperrungen zu Verkehrsbehinderungen.

Der Demonstrationszug durch die Schweriner Innenstadt sei hingegen störungsfreiverlaufen. „Eltern und Großeltern sagen !!!NEIN!!! zur Covid-19 Impfung für Kinder!“ stand auf einem Banner am Kopf des Demonstrationszuges, der von lauten Trommeln und Trompeten angefeuert wurde. Masken wurden nach Angaben von Beobachtern kaum getragen; Abstände selten eingehalten.

Zu einer Gegendemo unter dem Motto „Schwerin bleibt solidarisch - Gemeinsam mit Vernunft durch die Corona-Pandemie!“ seien nur 23 Menschen erschienen, sagte die Polizeisprecherin. Zusammenstöße mit der Teilnehmern der Demo gegen die Corona-Maßnahmen habe es nicht gegeben.

Polizisten mit Pyrotechnik attackiert

In Berlin demonstrierten Dutzende Menschen bei einem Auto- und Fahrradkorso gegen die Corona-Maßnahmen. Die Stimmung sei friedlich, sagte ein Polizeisprecher am Samstagnachmittag. Die Polizei zählte mehr als 70 Autos, 100 Räder und insgesamt etwa 200 Teilnehmer.

In Zwönitz (Sachsen) wurden am Freitagabend bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen Polizisten mit Pyrotechnik attackiert. Wie die Polizeidirektion Chemnitz am Samstag mitteilte, hatten Störer einen Nebeltopf und eine Handfackel gezündet und in Richtung der Einsatzkräfte geworfen. Man habe die Angreifer zurückdrängen können, worauf sich die Gruppe zerstreut habe. Die Polizei stellte die Pyrotechnik sicher und leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

2700 Protestierende in Ansbach

Im mittelfränkischen Ansbach in Bayern zogen nach Polizeiangaben etwa 2700 Menschen durch die Stadt. Es gab zwei Gegendemonstrationen mit insgesamt etwa 260 Teilnehmenden. Dennoch sei alles friedlich geblieben, sagte ein Polizeisprecher. In Regensburg kamen nach Polizeiangaben etwa 2000 Menschen zusammen, um gegen eine mögliche Impfpflicht zu demonstrieren.

Zeitgleich gab es eine Gegendemonstration mit rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die zum Teil versuchten, den Aufzug zu stoppen, wie ein Polizeisprecher sagte. In Würzburg fuhren der Polizei zufolge 36 Autos in einem Protest-Korso durch die Stadt. Es kam zeitweise zu Verkehrsbehinderungen. Auch in München gab es einen Autokorso, der an der Theresienwiese startete. Angemeldet waren laut Stadt 130 Fahrzeuge.

In Trier haben 1250 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Die Kundgebung verlief demnach friedlich. Zu einer Gegendemonstration versammelten sich laut Polizei rund 100 Menschen. Im Westen der Stadt kam es zu Verkehrsbehinderungen.

Ebenfalls in Freiburg demonstrierten mehrere Tausend Menschen. Der angemeldete Protest fand unter strengen Auflagen statt. Unter anderem musste die Maskenpflicht eingehalten und der Demonstrationszug in einzelne Abschnitte eingeteilt werden. Außerdem musste der Veranstalter für eine ausreichende Anzahl an Ordnungskräften sorgen. Auch in anderen baden-württembergischen Städten gingen Gegner der Corona-Maßnahmen und der Impfpolitik am Samstag wieder auf die Straße. Es wurde im Vorfeld zudem mit unangemeldeten Aktionen gerechnet.

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Demonstrant in Freiburg

Am Tag vor dem Protest in Freiburg hatte die Stadt eine Allgemeinverfügung erlassen, nach der mit „sofortiger Wirkung sogenannte Montagsspaziergänge“ untersagt werden, sofern sie nicht angemeldet wurden. Mit den Aktionen bezweckten die Demonstranten, ohne die sonst üblichen Auflagen durch die Stadt zu ziehen - insbesondere ohne die Einhaltung der notwendigen infektionsschützenden Maßnahmen, teilte die Kommune mit. Dieses Verhalten gefährdete vor allem vor dem Hintergrund der Ausbreitung der Virusvariante Omikron die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

In Flensburg versammelten sich 300 bis 400 Menschen in der Innenstadt, sagte ein Polizeisprecher. Es gebe auch 30 bis 40 Gegendemonstranten. Die Versammlungen würden von der Polizei begleitet. Größere Zusammenstöße habe es zunächst nicht gegeben.

Protest gegen Corona-Gegner in Minden

Auch in Düsseldorf gab es eine Demonstration gegen die Corona-Impfpflicht. Ein Polizeisprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Samstagnachmittag, rund 6.000 Demonstranten hätten sich ab 15 Uhr in Sichtweite des nordrhein-westfälischen Landtags gesammelt, um danach durch die Stadt zu ziehen. Insgesamt etwa ein Dutzend verschiedene Initiativen, darunter auch die sogenannte Querdenker-Bewegung, hatten zu der Veranstaltung unter dem Titel „Impfzwang nicht mit uns“ aufgerufen. Zudem gab es mehrere kleinere Gegendemonstrationen.Demonstration gegen Impf-Skeptiker in Minden

Doch es gab auch Proteste gegen die Corona-Gegner: In Minden sind am Samstag rund 2500 Menschen durch die Innenstadt gezogen und haben gegen die selbst ernannten „Querdenker“ demonstriert. „Es war alles friedlich. Etwa 2500 Personen haben teilgenommen“, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Die Menschen brachten ihren Unmut über Corona-Leugner, Impf-Skeptiker und Rechtsradikale zum Ausdruck.

„Ja zu Meinungsfreiheit und Miteinander – entschieden nein zu Hass, Drohungen und Gewalt“, hieß es auf einem Plakat. Eine Frau trug ein Schild mit der Aufschrift: „Nachdenken anstatt Querdenken“. Auf einem weiteren stand geschrieben: „Mit Nazis geht man nicht „spazieren““. Im Anschluss an eine Kundgebung auf dem Marktplatz bildeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter auch Kinder, eine Menschenkette.In Dresden erinnern Kerzen an Pandemie-Opfer

Mahnwache für Corona-Tote in Dresden

Kerzen vor der Dresdner Frauenkirche erinnern seit Samstag an die rund 1500 Todesopfer der Corona-Pandemie in der sächsischen Landeshauptstadt. Die Aktion der privaten Initiative „Haltung zeigen“ für ein solidarisches Miteinander hatte schon im Vorfeld breite Unterstützung gefunden. Auch die Dresdner Stadtspitze rief zur Beteiligung auf. „Die Corona-Pandemie ist für alle Menschen in unserer Stadt seit fast zwei Jahren eine große Herausforderung, sie ist aber auch eine Bewährungsprobe für unser demokratisches Miteinander“, hieß es in einer Erklärung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und seiner Beigeordneten.

Zugleich bezogen Hilbert und seine Bürgermeister klar gegen eine zunehmende Aggressivität bei Corona-Protesten Stellung. Die bestehenden Verordnungen und Regeln zu hinterfragen und seine Meinung frei zu äußern, sei ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Dabei dürften aber Grenzen der Rechtsordnung nicht überschritten werden. „Hass, Hetze, Gewalt und Verschwörungstheorien können und dürfen wir als Mittel der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht akzeptieren.“ Dieser Tage werde immer wieder deutlich, dass Protest gegen Corona-Regeln „von politischen Gruppen missbraucht wird, denen es darum geht, unsere demokratische Grundordnung zu erschüttern“.

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, die Debatte der Impfgegner und Corona-Leugner habe jedes Maß und Ziel verloren. „Eine kleine Gruppe ist bereit, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Tisch zu wischen und sich freiwillig in einer Blase von Scheinwahrheiten zu begeben“, sagte er. Das sei eine neue und beängstigende Entwicklung in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schrieb in einem am Samstag veröffentlichten Beitrag für „Focus Online“: „Unter den Demonstranten sind nicht nur notorische Gewalttäter, sondern immer mehr Bürger, die bisher ein ganz normales Leben geführt haben, und die sich von Verschwörungstheorien, Angstszenarien und zweifelhaften „Experten“ in Sachen Gesundheit und Corona zu Hass- und Gewaltexzessen hinreißen lassen.“ Das sei noch keine gespaltene Gesellschaft, „mit diesem Attribut würde man diese radikale Minderheit, und es ist eine sehr kleine Minderheit, unnötig aufwerten“. Aber der Grundkonsens der Gesellschaft werde schmaler, das Meinungsspektrum werde größer und die politische Mitte diffus.