Kommentar zur Hotspot-MaßnahmeDiese Einschränkung muss äußerstes Mittel bleiben
- In Landkreisen mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tage soll der Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den eigenen Wohnort beschränkt werden – mit Ausnahmen nur in triftigen Gründen.
- Diese Maßnahme muss das äußerste Mittel im Kampf gegen Corona bleiben. Ein Kommentar.
Die Corona-Pandemie interessiert sich nicht für unsere bürgerlichen Freiheiten. Und so geschieht etwas, was den meisten Menschen bis vor kurzem noch undenkbar schien: Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin haben sich auf eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit verständigt.
In Landkreisen mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tage soll der Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den eigenen Wohnort beschränkt werden – mit Ausnahmen nur in triftigen Gründen. Tagestouristische Ausflüge beispielsweise, die über den genannten Radius hinausgehen, sind damit untersagt.
Harter Eingriff, der legitim bleibt
Es ist ein harter Eingriff, wie er in einer demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft nur im absoluten Ausnahmefall vorkommen darf. Angesichts einer Pandemie-Situation, die in Teilen Deutschlands immer weiter außer Kontrolle zu geraten droht, ist es legitim, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten jetzt zu diesem Mittel greifen. Gleichzeitig muss ein solcher Schritt das äußerste Mittel bleiben.
Deshalb ist es richtig, dass die Länder sich nicht auf den weitergehenden Vorschlag aus dem Kanzleramt eingelassen haben, solche Maßnahmen schon ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner gelten zu lassen. Das hätte große Teile des Landes betroffen und wäre nicht verhältnismäßig gewesen.
Die politisch Verantwortlichen stehen in diesen Monaten immer wieder vor extrem schwierigen Abwägungsprozessen: Einerseits geht es darum, den Kampf gegen Corona wirkungsvoll zu führen. Andererseits soll die Freiheit von Menschen nicht mehr als notwendig beschnitten werden.
Kanzlerin ist weiter unter Druck
Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten sahen sich offenbar unter Druck durch die hohen Infektionszahlen und die Bilder vom tagestouristischen Ansturm etwa auf Skigebiete, noch dazu in Zeiten, in denen das Virus mutiert und sich dadurch teils schneller verbreitet. Gleichzeitig dürfen sie aber auch nie die vielen Menschen vergessen, die sich weitgehend an alle Vorgaben halten – und die dann trotzdem von harten Einschränkungen mitbetroffen sind. Viele Menschen werden das als ungerecht empfinden – gerade, wenn es um Grenzen für die eigene Bewegungsfreiheit geht.
Schon bei der Frage der Kontaktbeschränkungen hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt: Der erfolgreichste Pandemie-Bekämpfer ist nicht zwingend derjenige, der die härtesten Maßnahmen fordert und verhängt. Am wirkungsvollsten sind die Politiker, denen es gelingt, möglichst viele Menschen von der Notwendigkeit von Einschränkungen zu überzeugen. Das sollte kein Entscheidungsträger aus dem Blick verlieren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch deshalb gilt für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und alle anderen Maßnahmen: Alles muss regelmäßig überprüft werden – auf die Notwendigkeit, aber auch auf die Wirksamkeit der Maßnahmen hin. Es ist für die Politik in der Pandemie keine Schande, auch mal einen Fehler zu machen. Umso wichtiger ist aber der Anspruch, erkannte Fehler schnell wieder zu korrigieren.
Mehrfach sichtbare Fehler
Sichtbare Fehler hat es in der Corona-Politik zuletzt mehrfach gegeben. Erst haben Kanzlerin und Ministerpräsidenten für ihre Politik immer wieder mit der Aussicht auf Weihnachten geworben – um dann vor den Feiertagen festzustellen, dass sich die Infektionswerte auf einem bedenklichen Niveau befinden. Dann haben sie nicht klar genug vorab gesagt, dass sich die Auswirkungen von Weihnachten und Silvester Anfang Januar noch gar nicht abschätzen lassen würden – was geradezu zwingend Einschränkungen zur Folge hat, auch bei Kitas und Schulen. Beim Thema Impfen gibt es zudem offenkundig nicht nur Mängel in der Kommunikation, sondern auch in der Planung.
Wenn die Politik ihren eigenen Bewegungsradius in der Pandemie nicht einschränken will, braucht sie das Vertrauen möglichst vieler Menschen. Dafür muss sie jeden Tag arbeiten.