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Corona-PandemieDas plant die Bundesregierung für den Fall einer Triage

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Berlin – Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber aufgefordert, den Schutz von Behinderten bei knappen Behandlungskapazitäten zu gewährleisten. Dazu hat die Regierung einen Gesetzentwurf beschlossen. Wir erklären Hintergründe und Details.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch neben der Novelle des Infektionsschutzgesetzes zur Vorbereitung auf möglicherweise steigende Infektionszahlen im Herbst und Winter auch einen „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“ beschlossen. Dabei handelt es sich um die Neuregelung der sogenannten Triage, also um die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten bei extrem knappen Kapazitäten. Wir geben in dieser komplizierten Materie einen Überblick:

Was genau ist Triage?

Der Begriff Triage kommt aus dem Französischen und bedeutet Auswahl oder Sichtung. Im Gesundheitsbereich geht es um die Festlegung einer Behandlungsreihenfolge je nach Schwere der Verletzung beziehungsweise Erkrankung. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Militärmedizin. Triagieren gehört heutzutage zum Alltag in Notaufnahmen. Ethisch problematisch wird es allerdings dann, wenn die Kapazitäten extrem knapp und eine intensivmedizinische Behandlung nötig ist. Dann bedeutet ein hinterer Platz auf der Warteliste im Zweifel den Tod.

Unterschieden wird zwischen der Ex-ante-Triage, bei der festgelegt werden muss, welcher neu aufgenommene Patient einen Behandlungsplatz bekommt, und der Ex-post-Triage, bei der die bereits begonnene Behandlung eines Menschen zugunsten eines Patienten oder einer Patientin mit einer höheren Überlebenschance abgebrochen wird.

Warum hat die Bundesregierung nun eine Neuregelung auf den Weg gebracht?

Nach den Bildern aus den völlig überfüllten Krankenhäusern im italienischen Bergamo zum Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020, als Menschen auf den Fluren starben, bestand auch in Deutschland die Sorge, dass es zu lebensbedrohlichen Triage-Situationen kommen könnte. Weil es dazu keinerlei gesetzliche Vorschriften gab, formulierten mehrere medizinische Fachgesellschaften Empfehlungen, wie in diesen Fällen verfahren werden soll.

Als Maßstab galt danach die Erfolgsaussicht einer medizinischen Behandlung. Verbände rügten diese (nicht rechtsverbindlichen) Handlungsanleitungen jedoch als Einfallstor für eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen. Tatsächlich werden in den Empfehlungen schwere andere Erkrankungen und Gebrechlichkeit als negative Indikatoren für die Erfolgsaussicht gewertet. Mehrere schwer- und schwerstbehinderte Menschen legten daraufhin Verfassungsbeschwerde ein.

Wie urteilte das Bundesverfassungsgericht?

Die Karlsruher Richter entschieden Ende 2021, dass der Gesetzgeber wegen Untätigkeit die Verfassung verletzt hat, konkret Artikel 3: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Er habe es unterlassen, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung knapper, aber überlebenswichtiger Behandlungsressourcen benachteiligt werde, argumentierte das Verfassungsgericht. Es forderte den Gesetzgeber auf, umgehend zu handeln, räumte ihm dabei aber einen „Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum“ ein.

Wie reagierte die Bundesregierung?

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) legte im Frühjahr einen Gesetzentwurf vor, der sogleich auf heftigen Widerstand auch in den eigenen Reihen stieß. Auf Drängen von Justizminister Marco Buschmann (FDP) sollte mit dem Gesetz auch die ethisch hochproblematische Ex-post-Triage geregelt werden.

Lauterbach fügte sich zunächst und baute Hürden ein, machte dann aber wegen der intensiven Kritik einen Rückzieher. In dem nun vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf ist die Ex-post-Triage sogar verboten: „Bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten sind von der Zuteilungsentscheidung ausgenommen“, so steht es jetzt im Gesetzestext. Geregelt wird ausschließlich die Ex-ante-Triage.

Was sieht der Gesetzentwurf im Detail vor?

Im zentralen Paragrafen heißt es, niemand dürfe bei der Zuteilung von knappen, überlebenswichtigen Behandlungskapazitäten benachteiligt werden, „insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung“. Kriterien, die sich nicht auf die „aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ auswirkten, dürften nicht berücksichtigt werden.

Hier wird zum Beispiel die Lebensqualität genannt. Weitere Krankheiten (Komorbiditäten) dürfen laut Gesetzentwurf nur beachtet werden, „soweit sie aufgrund ihrer Schwere oder Kombination die auf die aktuelle Krankheit bezogene kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich verringern“.

Die Entscheidung muss von zwei Fachärzten oder Fachärztinnen getroffen werden, die mehrjährige Erfahrungen im Bereich der Intensivmedizin haben. Sie müssen die Patientin oder den Patienten unabhängig voneinander begutachten. Diese Triage-Regelung bezieht sich aber nur auf Infektionskrankheiten – also zum Beispiel Corona, nicht aber auf Unfälle oder andere Erkrankungen.

Gibt es Kritik an dem Gesetzentwurf?

Ja, unter anderem von der oppositionellen Union. Der Berichterstatter für Menschen mit Behinderungen, Hubertus Hüppe (CDU), erklärte, es sei die Absicht der Regierung zu erkennen, die Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur im „kleinstmöglichen Maßstab“ umzusetzen sowie eine echte Beteiligung von Menschen mit Behinderung nicht zuzulassen.

Hüppe kritisierte unter anderem, dass das Gesetz nur für Infektionskrankheiten gilt. Andere denkbare Triage-Situationen wie Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen, Kriege oder Terroranschläge, bei denen es zu einer Diskriminierung von Behinderten kommen könne, seien ausgeschlossen, beklagte er.

Hüppe kritisierte zudem, dass weder Meldepflichten noch Kontrollen durchgeführter Triagen vorgesehen seien. Außerdem gebe es keine Sanktionen, sollten Vorgaben wie das Mehraugenprinzip oder die Facharzterfordernis verletzt werden. „Der schmalspurige Gesetzentwurf missachtet die Weisung des Bundesverfassungsgerichts, einen wirksamen gesetzlichen Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen bei Triage zu schaffen“, erklärte der CDU-Politiker.