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Soldaten auf der Straße?Wie die Bundeswehr in der Corona-Krise helfen könnte

Lesezeit 4 Minuten
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(Symbolbild)

Berlin – Für alles gibt es ein Formular, auch wenn man die Bundeswehr zur Hilfe holen will. Und bei der Bundeswehr gibt es obendrein auch noch eine Abkürzung zum Zungenbrechen.

Mit zwei Seiten aus der Dienstvorschrift A1-255/0-4 können Städte, Gemeinden und Länder Hilfsleistungen der Truppe anfordern – oder im Bundeswehr-Deutsch: „HiLstgBW“.

Das passiert ziemlich regelmäßig, bei Hochwasser, Waldbränden, wenn Schneemassen einen Ort zu erdrücken drohen oder – wie 2019 etwa in Sachsen-Anhalt – um Forstbestände vor hungrigen Borkenkäfern zu retten.

Befehl aus dem Ministerium

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits erklärt, dass sich die Truppe für einen Einsatz angesichts der Corona-Krise bereit halte. „Wir planen auf allen Ebenen so, dass wir alle kritischen Bereiche sicher abdecken könnten“, sagte sie.

Generalinspekteur Eberhard Zorn erklärte den Soldaten in einem “Tagesbefehl": „Wir leisten damit einen Beitrag zum Erhalt der staatlichen Handlungsfähigkeit.”

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Eigentlich nämlich dürfen deutsche Soldaten nur zur Verteidigung des Landes nach außen eingesetzt werden. Artikel 35 des Grundgesetzes erlaubt allerdings der Bundeswehr, Ländern, Kommunen und Behörden Amtshilfe zu leisten, etwa bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen. Unternehmen oder Vereine können keine Soldaten-Hilfe beantragen.

Fieberstation und Feldbetten

Die Amtshilfe ist bereits angelaufen. Rund zwei Dutzend Anfragen hat man nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) bei der Bundeswehr bis Mitte der Woche gezählt.

Das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAanbW), bei dem in der Vergangenheit oft der Ärger über Verzögerungen bei Rüstungsvorhaben abgeladen wurde, hat nun eine tragende Rolle als Experte für Großbestellungen: Es wickelt den Kauf von medizinischen Gütern wie Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung ab, für den die Bundesregierung 163 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. 300.000 Schutzmasken und –brillen waren der erste Schritt.

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Soldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr nehmen an einem so genanten Barrier Nursing Course (Schulung zum Umgang mit hochansteckenden Patienten) teil.

Rund 90 Prozent der Anfragen drehten sich um Unterstützung mit medizinischem Material oder Personal, sagte ein Sprecher des Kommandos Territoriale Aufgaben dem RND. Dem Krankenhaus Koblenz hilft die Bundeswehr beim Aufbau einer Fieberstation. Koblenz hat zudem Feldbetten angefragt.

Labortests und Gulaschkanone

In Berlin hat die Bundeswehr die Lagerung von medizinischem Gerät übernommen – und kann es dadurch gleichzeitig auch bewachen. Das Bundeswehr-Labor in München, spezialisiert auf den Nachweis biologischer Kampfstoffe, soll bei Corona-Tests helfen.

Ebenfalls aus Bayern kam eine Anfrage nach Versorgungshilfe – sprich: die Bitte nach einer „Gulaschkanone“. Denkbar ist es, dass Soldaten auch beim Aufbau des in Berlin geplanten Ad-Hoc-Krankenhauses helfen. Die fünf Bundeswehr-Krankenhäuser sind ohnehin für jeden zugänglich.

Das Verteidigungsministerium hat zudem Reservisten aufgerufen, sich zu melden. Rund 700 der bis Wochenanfang rund 1000 Rückmeldungen haben genug Erfahrung, um eingesetzt zu werden. Rund 1500 aktive Soldaten mit medizinischer Ausbildung, die nicht ohnehin in Krankenhäusern arbeiten, sind nach Ministeriumsangaben bereits für die Corona-Hilfe eingeplant.

Soldatenpatrouillen auf der Straße?

Und werden irgendwann Soldaten auf der Straße patrouillieren, etwa um Läden zu sichern oder Spielplätze zu sperren? CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte sagte dem RND: „Für die öffentliche Ordnung bleibt die Polizei zuständig.“

SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu betonte ebenfalls: “Für Polizeiaufgaben sind Soldaten nicht ausgebildet und sollten deshalb dafür auch nicht herangezogen werden.” Er wandte sich klar gegen Gesetzesänderungen, die den Einsatzrahmen der Bundeswehr erweitern könnten: “Keine Grundgesetz-Änderung bitte”, sagte er dem RND. “Nach Artikel 35 kann die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden.”

Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner stimmt zu: „Es gibt bereits umfangreiche Möglichkeiten der Amtshilfe. Und die funktionieren auch. Gesetzliche Änderungen sind nicht nötig", sagt er.

Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, findet: „Wir sollten die Verfassung nicht außer Kraft setzen. Es gibt keinen Grund, für die Innere Sicherheit die Bundeswehr zu rufen. Es geht nicht, dass Soldaten Museen bewachen. Es geht nur um zivile Unterstützung durch die Bundeswehr.“

Geordnet im Getümmel

Dabei könne die Truppe in einem gefühlten Chaos für Stabilität sorgen: „Geordnet in ein Getümmel gehen – das kann die Bundeswehr besonders gut. Sie ist besser als manche zivile Strukturen fähig, spontan auf eine Lage zu reagieren.“ Dadurch komme Ruhe in eine Situation. „Und Ruhe ist ein gutes Signal“, findet Strack-Zimmermann. (RND)