DB-Cargo-Chefin„Im Stau auf der Schiene stehen auch unsere Güterzüge“
Frau Nikutta, der Güterverkehr auf der Schiene ist so gefragt wie nie. Das muss Ihnen doch eigentlich ganz gut gefallen, oder?Die deutsche und europäische Industrie stellt mit hoher Geschwindigkeit auf CO2-neutrale Produktion um. Dazu gehören natürlich auch die Logistikketten! Und es gibt kein umweltfreundlicheres Transportmittel als die Schiene. Mittlerweile fragen Kunden und Politiker nicht mehr ob Güter auf die Schiene gehören, sondern wie wird das schaffen können. Das macht mir Mut! Wir können in Deutschland stolz sein: Denn wir haben mit der Schiene ein 35.000 Kilometer großes Umwelt-Netz. Das gilt es nun zu nutzen und natürlich zu pflegen.
Aber dieses Netz ist überlastet. Wie kommt die Gütersparte DB Cargo damit klar?
Die Verkehrsleistungen auf der Schiene sind seit der Bahnreform stark gestiegen, das ist auch gut so. Der Personenverkehr ist um 65 Prozent gewachsen, der Schienengüterverkehr um 26 Prozent. Das Einzige, was nicht gewachsen ist, ist die Infrastruktur. Der historische Blick zeigt, es hätte deutlich mehr in den Ausbau und die Modernisierung der Schieneninfrastruktur investiert werden sollen. Das ist glücklicherweise erkannt und jetzt wird kräftig investiert. Diese Investitionen brauchen wir, um ein nachhaltiges Wachstum möglich zu machen. 13.6 Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Und auf vergleichbarem Niveau auch in den Folgejahren. DB Cargo geht es hier wie allen Verkehrsunternehmen – Baustellen verursachen Einschränkungen und Umleitungen. Hier ist das A und O: Langfristige Planbarkeit und punktgenaue Umsetzung.
Müssen Sie Anfragen von potenziellen Kunden ablehnen?
Ganz klar: die Kapazität des Netzes ist der limitierende Faktor für das Wachstum des Schienengüterverkehrs. Dennoch wachsen wir. Wir müssen oft – gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden – flexibel und kreativ sein, um gute Angebote auf der Schiene zu schaffen. Gerade die Knotenpunkte und die Hauptfahrstrecken stellen uns manchmal vor Herausforderungen.
Wie viele Güterzüge stehen denn nun pro Tag still - und warum?
Bei DB Cargo fahren wir aktuell mehr als 2500 Züge am Tag. Und diese Züge fahren auf der Infrastruktur, die modernisiert wird. Das führt, da wir auf dem gleichen Netz wie auch der Personenverkehr unterwegs sind, häufiger zu einer Art Stau auf der Schiene. Und in diesem Stau stehen dann auch unsere Güterzüge. Diese Zahl schwankt ständig, das System ist in Bewegung. Wenn ich Ihnen heute Morgen sage, dass 100 oder 150 Züge stehen, können es zwar abends immer noch 100 sein – aber es sind nicht dieselben.Wie hart treffen die steigenden Strompreise die Bahn? Diese Preiserhöhungen treffen uns natürlich massiv. Denn 95 Prozent unseres Güterverkehrs fahren elektrisch.
Was ändern Ukraine-Krieg und Energiekrise für ihr Geschäft?
Wir fahren die Schienenbrücke mit Hilfsgüternin die Ukraine und mehr Getreidetransporte aus der Ukraine heraus. Und wir merken, wie schnell sich Dinge ändern können. Im vergangenen Jahr wurde ich gefragt: Frau Nikutta, was machen Sie eigentlich jetzt, da Sie keine Kohle mehr transportieren? Jetzt werde ich gefragt: Frau Nikutta, haben Sie eigentlich genügend Waggons für Kohle? Jetzt kommt eine ganz wichtige Managementfähigkeit zum Einsatz: Der Umgang mit sich einer schnell ändernden Welt und der entsprechenden Unsicherheit. Wir sind in engster Abstimmung mit unseren KundInnen und wir stellen uns gemeinsam diesen Veränderungen – und ich füge gern hinzu – ganz ordentlich.
Der neue Bahnvorstand steht vor einer Herkulesaufgabe. Sind die richtigen Personen an den richtigen Stellen?
Je größer die Herausforderung, desto wichtiger ist ein starkes Team! Dieses starke Team haben wir und – ich betone es gerne nochmal – erstmals in der Geschichte der Bahn sind drei Frauen im Vorstand. Wahrscheinlich ist das schon ein Hinweis auf die Größe der Herausforderung.
Wie bewerten Sie die Ankündigung des Bundesverkehrsministers, die Sanierung des Bahnnetzes zur Chefsache im Ministerium zu machen?
Ein lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung. Das Bahnnetz ist so wichtig für Deutschland, dass es gut ist, dass der Minister hier so entschlossen handelt.