AboAbonnieren

Der Anti-SUVMercedes präsentiert Elektroauto mit 1000-Kilometer-Reichweite

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Das Elektroauto EQXX soll über eine Reichweite von 1000 Kilometer verfügen.

Das soll eine Ansage sein – auch für den Rivalen Tesla. Mercedes hat mit dem „Forschungsfahrzeug“ EQXX ein Elektroauto vorgestellt, das über eine Reichweite von 1000 Kilometer verfügen soll. Dafür wurde an allen Ecken und Enden optimiert. Das Fahrzeug zeigt vor allem beim Antrieb, in welche Richtung es bei den Stromfahrzeugen geht.

Der EQXX wird zur Elektronikmesse CES (5. Januar bis 8. Januar) in Las Vegas präsentiert. Allerdings nur online. In Internet gibt es ein Auto zu bestaunen, das wie ein Sportcoupé aussieht, dafür aber bescheiden motorisiert ist: 150 Kilowatt (rund 200 PS) passen eher zur kompakten Mittelklasse.

„Mercedes will zeigen, dass man als Luxusmarke innovativ ist“, sagte Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Und das soll vor allem durch die Reichweitenangabe zum Ausdruck kommen. Allerdings sind die 1000 Kilometer ohne Stromtanken bislang noch nicht auf der Straße, sondern nur im Simulator „gefahren“ worden. Die Reichweite soll aber auf deutschen Autobahnen bei Richtgeschwindigkeit (130 km/h) erreichbar sein.

Und dafür habe man nicht einfach die Batterie vergrößert, vielmehr habe sich das Entwicklungsteam „auf die Maximierung der Langstreckeneffizienz“ konzentriert, teilt Mercedes mit. Als Verbrauch werden etwa zehn Kilowatt pro 100 Kilometer angegeben – ein rekordverdächtiger Wert für E-Autos. Das entspricht etwas mehr als einem Liter Benzin. Möglich wird das auch durch eine ausgefeilte Aerodynamik mit einem CW-Wert von 0,17. Wie das erreicht wird, hat das Unternehmen aber schon Ende der 1970er Jahre mit dem Experimentalauto C 111 demonstriert.

Beim sehr zeitgenössischen Antriebsstrang des EQXX haben derweil Experten aus der Formel-1-Abteilung des Konzerns heftig mitgemischt. Die sammelten in den vergangenen Jahren jede Menge Erfahrung beim Thema Rekuperation, also der Energierückgewinnung beim Bremsen. Davon wurde einiges in das Forschungsfahrzeug importiert. „Rekuperation ist eines der Themen in der Elektromobilität, das massiv an Bedeutung gewinnen wird, denn damit wird mehr Reichweite erzielt“, erläutert Dudenhöffer. In dieser Disziplin liege Tesla bislang vorne. Elons Musks Autobauer könne etwa 80 Prozent der Bremsenergie in Elektrizität umwandeln. Bei anderen Autobauern - inklusive Mercedes - seien es bislang eher nur 60 bis 70 Prozent.

Tesla in gleicher Fahrzeug-Kategorie unterwegs

Vergleiche mit dem US-Hersteller sind nicht aus der Luft gegriffen. Tesla ist in der gleichen Fahrzeug-Kategorie wie Mercedes unterwegs, die hierzulande „Premium“ genannt wird. Und Tesla hat einen großen Vorsprung. Im dritten Quartal 2021 lieferte Musks Firma mit 241.000 Pkw fast viermal so viele Elektroautos aus wie Mercedes. Der schwäbische Autobauer sei bei der Elektromobilität „bisher eher hinterher“ gefahren, betont denn auch NordLB-Analyst Frank Schwope. Er geht aber davon aus, dass „nun auch infolge des Konkurrenzdrucks eine erhebliche Beschleunigung“ bei der Marke mit dem Stern einsetzen wird.

Zumal die technologische Entwicklung in der Elektromobilität rasant ist. Die Ingenieure von Mercedes müssen sich heftig sputen, um den Rückstand aufholen, schließlich haben die Schwaben vor, 2030 nur noch voll-elektrische Pkw zu verkaufen. Investitionen von rund 40 Milliarden Euro sind für den Umbau des Unternehmens eingeplant. Und Konzernchef Ola Källenius hat anlässlich der Präsentation des EQXX als Motto ausgegeben: „Wir werden die begehrenswertesten Elektroautos der Welt bauen“. Derzeit trifft dieses Attribut eher auf Tesla zu.

Als eine Art Hinweis für Insider lässt sich da begreifen, dass Mercedes in seiner Pressemitteilung die Hauptkomponente für das Heck des Autos hervorkehrt: Sie wurde in einem Aluminiumteil gegossen. Tesla praktiziert solche Verfahren längst für die Serienfertigung mittels riesiger Maschinen. Musk will mit seiner sogenannten Giga Press sogar erreichen, dass richtige Pkw eines Tages wie Spielzeugautos mehr oder weniger aus einem Guss gefertigt werden – was die Herstellungskosten enorm drücken kann.

Internationales Wettrennen bei Effizienz

Apropos Effizienz: Die Batterie des EQXX ist nur halb so groß wie die der elektrischen S-Klasse (EQS) und sie ist 30 Prozent leichter, verfügt aber mit annähernd 100 Kilowattstunden über fast die gleiche Kapazität wieder der S-Klasse-Akku. Auch hier ist ein internationales Wettrennen im Gang. Weit vorne sind hier chinesische Unternehmen, die Stromspeicher in vergleichbarer Kompaktheit und mit einer ähnlichen Energiedichte in Modelle einbauen, die seit gut einem Jahr auf dem Markt sind. Mit dabei ist auch der BYD-Konzern, der Großaktionär bei Mercedes ist.

Das Showcar wird indes wohl nie so in großer Stückzahl gebaut, wie es jetzt präsentiert wird. Manches erinnert an schnittige Autos, die in früheren Jahren zu Marketingzwecken auf Messen präsentiert wurden. Und das Interieur orientiert sich stark am EQS. Allerdings wurde der neueste „Technologieträger“ in nur 18 Monaten entwickelt. „Das ist ebenfalls ein wichtiges Zeichen“, sagt Dudenhöffer. Auch nach innen wolle das Management damit zeigen, dass Entwicklungszeiten verkürzt werden müssen. „Dies ist ein weiterer entscheidender Faktor, um künftig in der Welt der Elektroautos bestehen zu können.“