Besonders in OstdeutschlandDeutsche Zustimmung bei russischen Fake News wird größer
Berlin/Moskau – Die Zustimmungswerte zu propagandistischen Aussagen und Verschwörungserzählungen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind in Deutschland in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Besonders hoch ist die Zustimmung zu prorussischen Verschwörungserzählungen in Ostdeutschland.
Das geht aus einer repräsentativen Untersuchung des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt.
Desinformationen über Putins Ziele und eine „Weltelite“
18 Prozent der Befragten stimmten etwa der Aussage zu, der russische Präsident Wladimir Putin gehe gegen eine globale Elite vor, die im Hintergrund die Fäden ziehe. Bei einer vorangegangenen Cemas-Umfrage im April waren es noch 12 Prozent. Außerdem glauben 12 Prozent, die Ukraine habe zusammen mit den USA geheime Biolabore zur Herstellung von Biowaffen betrieben – eine von staatlichen russischen Stellen verbreitete, aber nie belegte Behauptung.
Im April stimmten dieser Aussage noch 7 Prozent der Befragten zu. Ebenfalls deutlich gestiegen sind die Zustimmungswerte zu den Aussagen, die Ukraine habe historisch keinen eigenen Gebietsanspruch und sei eigentlich Teil Russlands (von 8 auf 14 Prozent), und der Krieg in der Ukraine sei notwendig geworden, „um dort die faschistische Regierung zu beseitigen“ (von 5 auf 9 Prozent). Auch der Anteil derer, die solchen Aussagen zumindest teilweise zustimmen, ist der Umfrage zufolge seit April angestiegen.
Deutliche Ost-West-Unterschiede
Die Cemas-Erhebung zeigt deutliche Unterschiede in der Bewertung prorussischer Propaganda zwischen Ost- und Westdeutschland. In Ostdeutschland stimmte demnach jeder Dritte der Aussage zu, die Nato habe Russland so lange provoziert, dass Russland in den Krieg ziehen musste. In Westdeutschland stimmten dem hingegen mit 16 Prozent nur etwa halb so viele Menschen zu. 14 Prozent der ostdeutschen Befragten glauben zudem, der Krieg in der Ukraine würde nur der Ablenkung von der Corona-Pandemie dienen. In Westdeutschland stimmten dem nur 7 Prozent zu.
Besonders hohe Zustimmungswerte erhielten prorussische und verschwörungsideologische Aussagen außerdem von Wählerinnen und Wählern der AfD. Fast die Hälfte stimmte den beiden Aussagen zu, die Ukraine sei eigentlich Teil Russlands, und Russland habe wegen Provokationen der Nato in den Krieg ziehen müssen.
Der Aussage, Putin würde gegen eine globale Elite vorgehen, die im Hintergrund die Fäden zieht, stimmten 40 Prozent der AfD-Wähler zu. Die zweithöchsten Zustimmungswerte für alle abgefragten Aussagen erreichten der Umfrage zufolge die Wählerinnen und Wähler der Linken – die niedrigsten jene der Grünen.
„Angriff auf die Demokratie“
„Russische Desinformationskampagnen haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges noch einmal zugenommen“, sagte die Sozialpsychologin und Cemas-Geschäftsführerin Pia Lamberty dem RND. „Sie sollen Chaos oder Zwietracht stiften und das Vertrauen in die Demokratie als solche untergraben“, fügte sie an.
Desinformation sei weder ein reines Sicherheits- noch Informationsproblem, sondern auch ein Angriff auf die Demokratie als Ganzes. „Unsere Umfrage zeigt, dass die Verbreitung von Verschwörungserzählungen seit April signifikant angestiegen ist“, sagte Lamberty. „Das Krisenhafte der letzten Monate kann der ideale Nährboden für Verschwörungserzählungen sein, die ja sowohl von Rechtsextremen als auch von Russland geschürt und verstärkt werden“, erklärte sie.
Die von Cemas verwendeten Daten basieren auf einer bevölkerungsrepräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Bilendi & Respondi. Zwischen dem 3. und dem 11. Oktober 2022 wurden 2228 Personen für die Studie befragt.