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Digitaler Impfausweis„Die Arztpraxen sind keine Bürgerämter“

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Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Berlin – Die niedergelassenen Ärzte lehnen es strikt ab, die Corona-Immunisierung für alle Geimpfte in den geplanten elektronischen Impfpass einzutragen. „Die Arztpraxen sind keine Bürgerämter“, sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Der elektronische Impfnachweis sei letztlich ein Reisedokument und keine medizinische Akte, argumentierte er.

„Sollte die Politik die Praxen dazu verpflichten, für alle Geimpften die Eintragung in den elektronischen Impfnachweis vorzunehmen, könnte das Ärzte dazu bewegen, aus der Impfkampagne auszusteigen“, warnte er. Eine Verpflichtung würde die Impfkampagne in den Praxen massiv ausbremsen, die ohnehin schon durch eine überbordende Bürokratie behindert werde, betonte der KBV-Chef.

Gassen sagte aber zu, dass für die praxiseigenen Patienten der Impfnachweis digital übertragen werden könne. „Für die in den Praxen geimpften Patienten werden wir selbstverständlich die Eintragung in den elektronischen Impfpass vornehmen, sofern es eine einfache technische Lösung gibt“, betont er.

„Das muss mit ein oder zwei Klicks zu erledigen sein“

Voraussetzung dafür sei allerdings, dass es eine unbürokratische Anbindung des elektronischen Impfnachweises an die Praxissoftware gebe. „Das muss mit ein oder zwei Klicks zu erledigen sein. Es darf nicht dazu kommen, dass das händisch erledigt werden muss“, sagt Gassen dem RND. „Solange wir noch so viele Menschen zu impfen haben, darf uns nichts aufhalten.“ Zudem fordert er einen finanziellen Ausgleich: „Im Übrigen muss diese Aufgabe natürlich angemessen vergütet werden.“

Der Start des europaweit gültigen Covid-Impfzertifikats ist für den Juni geplant. Doch die Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten streiten noch über die Details. Das Zertifikat soll ein fälschungssicherer Nachweis für eine Corona-Impfung, einen frischen Test oder eine überstandene Covid-Erkrankung sein. Ziel ist einfacheres Reisen in Europa. Gestritten wurde in den vergangenen Tagen unter anderem darüber, welchen Status frisch Getestete haben sollen und wer für die Kosten der Tests aufkommt.

Kassenarzt-Chef Gassen kritisiert die späte Planung der EU. „Grundsätzlich fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass die EU erst jetzt auf die Idee kommt, dass ein elektronischer Impfnachweis einmal erforderlich sein könnte“, sagt er. „Und wenn sie es nicht auf die Reihe bekommen, dann muss es doch einen Plan B geben.“ Der könne nur heißen, Reisen auch mit dem international gültigen, gelben Impfpass zu ermöglichen.

Irritierung über Verkürzung des Impf-Abstands

Irritiert zeigte sich Gassen über die Entscheidung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern, dass der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Impfung mit dem Vakzin des britischen Pharmakonzerns Astrazeneca von zwölf auf bis zu vier Wochen verkürzt werden kann. „Die mögliche Verkürzung des Impfintervalls löst natürlich Diskussionen in den Arztpraxen aus. Aus medizinischer Sicht ist davon auszugehen, dass ein längeres Intervall besseren Impfschutz bietet“, sagte der Mediziner dem RND. „Das sollten die Menschen wissen - gemäß der Zulassung des Impfstoffes ist die Verkürzung aber möglich.“

Wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag ankündigt hatte, fällt die Impfpriorisierung in Deutschland ab dem 7. Juni. Der Impfstoff von Astrazeneca ist allerdings schon länger für jede Alters- und Risikogruppe verfügbar.

Mit Blick auf die noch im Mai anstehende Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA über die Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer ab 12 Jahre sprach sich Gassen gegen eine erneute Priorisierung aus. „Es macht keinen Sinn, nach der Zulassung von Biontech für die 12- bis 16-Jährigen erneut eine Priorisierung für diese Altersgruppe einzuführen. Niemand weiß, wie viele Kinder- und Jugendliche sich tatsächlich impfen lassen wollen.“ Zudem würde dann ausreichend Impfstoff zu Verfügung stehen, erklärt er.

Hingegen fordert er eine klare Empfehlung der Stiko: „Ich plädiere dringend dafür, dass die Stiko eine klare Handlungsempfehlung ausspricht, damit Eltern und Heranwachsende eine für sie passende Entscheidung über eine Impfung treffen können.“