Trump und DeSantis machen den gleichen Fehler: Sie treiben die ideologische Spaltung der USA voran – während Russland und China zusammenrücken.
Dunkle Wolken über AmerikaKommentar zum Kurs der USA unter den Republikanern
Die „New York Times“ präsentierte den Leserinnen und Lesern ihres Lokalteils dieser Tage eine schlechte Nachricht: Die Stadt sinkt. Zwischen zwei und vier Millimeter pro Jahr geht es abwärts, wegen einer Bebauung, bei der Billionen Tonnen Beton aufgetürmt wurden. Parallel dazu muss der klimabedingt steigende Meeresspiegel einkalkuliert werden. Deshalb fürchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon um die Freiheitsstatue vor Ellis Island. Der Untergang von Lady Liberty?
Das wäre eine denkwürdige Szene in einer Zeit, in der Russland sich gerade in Europa aggressiv erhebt und China ökonomisch und technologisch zu globaler Dominanz aufsteigt. Noch ist der Westen nicht verloren. Aber dunkle Wolken sind aufgezogen über Amerika. Eigentlich müssten die politischen Eliten des Landes in dieser Lage ein Licht anzünden, Hoffnung machen, positive Visionen skizzieren. Nötig wäre ein parteiübergreifender Konsens in der Frage, wie der Westen auf das Zusammenrücken von Russland und China reagieren soll.
Seriöse Republikaner wurden zu Randfiguren
Stattdessen senken die Republikaner die Hörner und starten schnaubend immer aggressiver werdende innenpolitische Machtkämpfe. Im Streit um die Schuldenobergrenze nahmen sie sogar das Risiko eines kompletten Zahlungsausfalls der USA in Kauf, der die globale Finanzwirtschaft in den Abgrund ziehen kann. Schon die bloße Annäherung an die hier geltenden Deadlines ist halsbrecherisch.
Zu besichtigen ist hier die gefährliche Kombination von Machtversessenheit und Weltvergessenheit. Die Republikaner sind davon befallen wie von einem bösen Virus. Donald Trump wurde zwar im November 2020 abgewählt. Doch der Trumpismus ist noch immer quicklebendig. Seriöse Republikaner sind in ihrer Partei in die Minderheit geraten.
Mitt Romney etwa, ein kluger Senator aus Utah mit weitem außenpolitischen Horizont, ist zur geächteten Randfigur geworden. Ein Typ wie der frühere Präsident George Bush senior, über dessen manchmal etwas schief sitzende Brille gelächelt wurde, der aber die Welt sicher durch die Zeit des Mauerfalls steuerte, hätte heute bei den Republikanern keine Chance mehr.
Beide wollen den Ukraine-Krieg den Europäern überlassen
Jetzt dominiert in der Partei Abraham Lincolns das AfD-hafte. Ob der 76-jährige Trump sich bei der Präsidentschaftskandidatur 2024 durchsetzt oder dem 44-jährigen Ron DeSantis Platz machen muss, ist fast egal: Beide stehen für einen Mix aus Nationalismus, Populismus und Isolationismus. Beide wollen zum Beispiel den Ukraine-Krieg den Europäern überlassen und ihnen damit alles Gute wünschen.
Trump trommelt bereits, er brauche „nur 24 Stunden, um mit Wladimir Putin zu einem Deal zu kommen“. Offenkundig will Trump den Angriffskrieg belohnen, indem er Teile der Ukraine dem Angriffskrieger aushändigt. Wenn dies das künftige Prinzip sein soll, ist Chinas Attacke auf Taiwan der nächste Akt.
Die Geschichtsvergessenheit der Republikaner
Die Außenpolitik von Trump und DeSantis erschöpft sich in Abschottungspolitik. Natürlich lädt das große, reiche Amerika zu solchem Denken ein: Im Norden liegt das spärlich besiedelte Kanada, im Westen und im Osten gibt es Ozeane, im Süden muss man nur die Grenze absolut dichtmachen – das war’s. In der Mitte jedenfalls, im amerikanischen Herzland, gibt es wogende Weizenfelder und glückliche Familien.
Trump und DeSantis verkaufen ein verlockendes Idyll. Alles werde gut, sagen sie, wenn die Amerikanerinnen und Amerikaner sich in Zukunft auf sich selbst konzentrieren. Diese Haltung war schon einmal höchst populär: in den frühen Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Weder Trump noch DeSantis scheint es zu beeindrucken, was seinerzeit danach geschah. Auch dies ist ein Kennzeichen modernen Denkens bei den US-Republikanern: Geschichtsvergessenheit. (rnd)