Eier mit böser ÜberraschungFerrero wusste offenbar seit Monaten von Problemen
Dem Süßwarenkonzern Ferrero droht ein dauerhafter Imageschaden. Verbraucherschützer und Handelsexperten bescheinigen dem italienischen Traditionsunternehmen eine schlechte Öffentlichkeitsarbeit nach den Salmonellenfunden in einigen Produkten.
„Weil es sich zunächst um Einzelfälle gehandelt hat, lag es für Ferrero nahe, die Vorfälle nicht an die große Glocke zu hängen“, sagte Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Doch spätestens nachdem die belgische Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet hatte und ein Werk geschlossen wurde, war es an der Zeit, die Kommunikationsstrategie zu ändern“, betonte Roeb. „Sonst besteht die Gefahr, dass soziale Netzwerke die Deutungshoheit über solche Vorfälle übernehmen.“ Das Unternehmen könne dann mit seiner „Salamitaktik“ nur noch reagieren. Dann entstehe ein enormer Imageschaden.
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Auch gestern reagierte Ferrero Deutschland nicht auf Presseanfragen, telefonisch war in Frankfurt niemand zu erreichen, auf E-Mails wurde nicht geantwortet. Für die Verbraucherschützer von Foodwatch stellen sich ganz grundlegende Fragen: „Schon die Tatsache, dass kurz vor Ostern Weihnachtsprodukte zurückgerufen werden, ist doch entlarvend“, sagte Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler dem RND. „Wir brauchen eine gesetzliche Transparenzpflicht.“
Foodwatch fordert, dass Hersteller und auch Behörden dazu verpflichtet werden, Informationen wie im Fall Ferrero sofort öffentlich zu machen. „Zudem bedarf es eines wirksames Unternehmensstrafrecht mit abschreckenden Sanktionen“, unterstrich Winkler. Es habe nicht nur das System der Überwachung versagt, auch die Rückverfolgbarkeit funktioniere nicht.
Ferrero muss selbst in Neuseeland Produkte zurückrufen
Mitten im lohnenden Ostergeschäft muss Ferrero nun zahlreiche Produkte zurückrufen – selbst in Neuseeland ordnete die dortigen Behörden jetzt an, alle in Belgien hergestellten Überraschungseier, Schoko-Bons und Kinder Mini Eggs vom Markt zu nehmen. Grund für den Rückruf ist eine mögliche Verunreinigung mit gefährlichen Bakterien. Auslöser waren mehrere Salmonellenfälle, durch die einige Kinder in anderen Ländern bereits im Krankenhaus behandelt werden mussten. Eine Woche, nachdem dem Werk im belgischen Arlon die Produktionslizenz vorübergehend entzogen worden war und die Staatsanwaltschaft gegen Ferrero ermittelt, stellt sich die Frage, ob die zu restriktive Informationspolitik des im italienischen Alba ansässigen Mutterkonzerns das bisherige Ausmaß des Schadens noch vergrößert.
Momentan habe „die lückenlose Aufarbeitung des Sachverhalts höchste Priorität“, hieß es in einer der wenigen Mitteilungen von Ferrero Deutschland. „Selbstverständlich rechnen wir mit Einbußen in unserem Ostergeschäft.“
Offenbar wusste Ferrero von dem Problem bereits seit mehreren Monaten und hat zunächst intern versucht, die Quelle für die erhöhte Salmonellenkonzentration zu finden und das Problem zu beheben. Wie Ferrero France mitteilte, sei bei einer Kontrolle am 15. Dezember 2021 ein von Salmonellen befallener Filter am Ausgang von zwei Rohstofftanks gefunden worden. Die betroffenen Materialien und Fertigprodukte seien blockiert und nicht ausgeliefert worden. Nach dem Vorfall habe Ferrero den Filter entfernt.
Betroffen sind die in Arlon gefertigten Produkte Kinder Surprise, Kinder Mini Eggs, Kinder Surprise Maxi und Schoko-Bons sowie auch das Produkt Kinder Mix Easter Gift Bag, das in einigen deutschen Testmärkten angeboten wurde.
Gefahr für Kleinkinder, Schwangere und Ältere
Eine Verunreinigung mit Salmonellen kann insbesondere für Kleinkinder, Schwangere, geschwächte oder ältere Menschen gefährlich werden. Die vom Rückruf betroffenen Süßigkeiten von Ferrero sollten daher auf keinen Fall verzehrt werden. Symptome einer Salmonellenerkrankung sind plötzlicher Durchfall, Kopf- und Bauchschmerzen, allgemeines Unwohlsein und gelegentlich auch Erbrechen.
Den sehr drastischen Verlauf einer Infizierung mutmaßlich infolge des Verzehrs von Kinderschokolade schildert Charlotte Wingfield, Mutter einer dreijährigen Tochter, in der Zeitschrift „Bunte“. „Sie war völlig tot hinter den Augen und so leblos“, schildert die Frau. „Es war absolut herzzerreißend zu sehen, wie mein normalerweise feuriges, abenteuerlustiges und sehr aktives kleines Mädchen das komplette Gegenteil von dem war, was sie normalerweise ist.“