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„Faul bis ins Mark“AfD-Spitzenkandidat Meuthen hetzt gegen Öffentlich-Rechtliche

Lesezeit 5 Minuten
Meuthen dpa neu

Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl 2019

Berlin – Ein heimlich aufgenommenes Video belastet Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache so schwer, das der zurücktritt. Ein herber Rückschlag für die Rechtspopulisten des Landes. Anne Will diskutiert mit ihren Gästen über die Folgen der Enthüllungen und deren Rechtmäßigkeit: „Neuwahlen in Österreich –Dämpfer für die europäische Rechte?“

Das Thema

Der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ haben vor einigen Tagen brisantes Videomaterial veröffentlicht. Es zeigt Österreichs kürzlich zurückgetretenen Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, Ex-Vizebürgermeister Wiens, bei einem Treffen auf Ibiza mit einer Frau, die ihnen als reiche russische Oligarchin vorgestellt wird. Strache stellt dabei öffentliche Aufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfe in Aussicht. Zudem erklärt er es zum Ziel, in Österreich ein Mediensystem nach dem Vorbild Ungarns installieren zu wollen. In dem von Viktor Orban regierten Land gibt es immer wieder Fälle, in denen die Freiheit der Presse angetastet wird. Die Folge der sogenannten „Ibiza-Affäre“: ein politisches Beben in Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Neuwahlen anberaumt. Mit Blick auf die Europawahl in einer Woche wirft Anne Will die Frage auf, welche Folgen der Vorfall für die rechten Parteien in Europa haben wird? Und: War die Veröffentlichung des Videomaterials überhaupt rechtmäßig?

Die Gäste

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) sieht in dem Vorfall in Österreich ein Muster rechter Parteien in Europa. „Das sind Leute, die bereit sind, ihr Land zu verkaufen“, meint Weber, mit deutlichem Fingerzeig in Richtung der AfD. Weber meint zudem, die Regierung Kurz habe sich im Zuge der Affäre um Strache richtig verhalten und sich angemessen von der FPÖ distanziert.

Der Spitzenkandidat der AfD, Jörg Meuthen, sieht in Straches Aussagen ein klares Fehlverhalten, jedoch auch nichts weiter als einen „singulären Vorgang“, der nichts mit der Parteilinie der FPÖ zu tun habe. „Die Konsequenzen wurden gezogen, und damit ist der Fall erledigt.“ Mit der „Schwesterpartei“ FPÖ wolle man auch künftig zusammenarbeiten.

Katarina Barley, noch Justizministerin im Bundeskabinett und Spitzenkandidatin der SPD für die EU-Wahl, meint, die „Einstellung der FPÖ zum Journalismus ist sehr bedenklich“. Ähnliche Probleme sieht sie auch bei der AfD.

Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller ist der Auffassung, Bundeskanzler Sebastian Kurz hätte sich schon viel früher von den Rechtspopulisten distanzieren müssen. Sie selbst sei nicht geschockt gewesen von dem Video. „Die FPÖ hat sich ja schon oft gegen den Staat positioniert.“

Martin Knobbe ist der Leiter des Haupstadtbüros des „Spiegel“. Er recherchierte in der „Ibiza-Affäre“ um Strache. Knobbe habe mit der Heftigkeit der Wirkung des Videos gerechnet. Obwohl das Video schon seit längerer Zeit im Besitz von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ gewesen sei, sei der Zeitpunkt der Veröffentlichung so kurz vor der Europawahl keine gezielte Aktion gewesen.

Wer gegen wen?

Erst gegen Ende der Sendung tauschen die Gäste jene „Nettigkeiten“ aus, die man bei der Brisanz des Themas erwarten konnte. Dabei scheint das Motto zu lauten: Alle gegen Jörg Meuthen. Doch der AfD-Spitzenkandidat ist selbst auch kein Kind von Traurigkeit. Eine von vielen Spitzen geht in Katarina Barleys Richtung: „Die SPD hat kettenweise Medienbeteiligungen.“ Eine weitere trifft Ska Keller: „Es ist gut, wenn man sie lange reden lässt, denn dann sehen die Wähler genau, wohin sie nicht wollen.“

Manfred Weber hat jedoch auch einiges für Meuthen im Gepäck. „Ich bin besorgt wegen der Wahl am kommenden Sonntag. Das (die Rechten) sind Leute, die ihr Land verraten und verkaufen.“ Ska Keller sieht das ähnlich und schießt gegen FPÖ, AfD und Co: „Wir dürfen die Rechtspopulisten nicht durch Koalitionen und indifferentes Verhalten salonfähig machen.“

Auch Journalist Martin Knobbe kritisiert Meuthen stark. Sein Thema: Unerlaubte Parteispenden der AfD. „Sie selbst haben Parteispenden erhalten“, wirft er Meuthen vor, der das entschieden zurückweist.

Das Wahlkampf-Geplänkel zwischen Barley und Weber, die einander geringe Distanzierung der CSU und SPD von den Rechten in Europa vorwerfen, verkommt zur Randnotiz.

Heftigste Aussage

Keine fünf Minuten sind vergangen, das holt Meuthen zum ersten Schlag aus. Doch nicht etwa gegen seine Politiker-Kollegen, sondern gegen die Gastgeberin des Abends, Anne Will – oder vielmehr gegen ihren Arbeitgeber, die ARD. Meuthen moniert, dass in der Vergangenheit etliche Politiker der Grünen in Anne Wills Sendung eingeladen wurden, aber nur wenige der AfD. Er meint, das „öffentlich-rechtliche System ist faul bis ins Mark.“

Der Schmunzler des Abends

Für einen kleinen Schmunzler sorgt Meuthen, als Weber sich über ihn auslässt und meint, er versuche, das „nette Gesicht zu machen“. Die Antwort des AfD-Mannes: „Ich bin nett.“

Fazit

Haben die europäischen Rechtspopulisten durch die Causa Strache nun Schaden genommen oder nicht? Eine Antwort auf diese Frage konnte die Runde bei Anne Will nicht geben. Soviel ist sicher: Durch die „Ibiza-Affäre“ ist die Beliebtheit der Rechten in Europa jedenfalls nicht gestiegen. Und zumindest bekam Manfred Weber an diesem Abend die Möglichkeit, die Werbetrommel in eigener Sache zu rühren: Man müsse endlich ran an die Themen in Europa.

Dann würden auch alle sehen, dass die Rechten keine Antworten für die Zukunft parat hätten. Dass die Veröffentlichung des Video rechtmäßig ist, darüber gibt es derzeit einige Debatten in Deutschland wie Österreich. Meuthen äußert zumindest leichte Zweifel an der Verifizierung des Videos, die seit dem Relotius-Vorfall beim „Spiegel“ bei ihm im Kopf existierten. Justizministerin Barley sagt in diesem Zusammenhang den sinnvollsten Satz des Abends: „Investigativer Journalismus ist eine Säule der Demokratie, und ich halte es für wichtig, dass Journalismus auch diese Aufgabe erfüllen kann.“