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Erst Biontech, jetzt ModernaWorin unterscheiden sich die Corona-Impfstoffe?

Lesezeit 5 Minuten
Impfstoff Labor

Ein Mitarbeiter des Biotechnologie-Unternehmens Biontech arbeitet in einem Labor.

Auf einmal geht es ganz schnell. Vergangene Woche Montag elektrisierte der Mainzer Hersteller Biontech die von der Corona-Pandemie geplagte Welt mit vielversprechenden ersten Daten zu seinem Impfstoff „BNT162b2“. Nun hat der US-Konzern Moderna nachgelegt: Auch sein Vakzin mRNA-1273 scheint vielversprechend – mit Blick auf erste Ergebnisse seiner Phase-III-Studie und die darin ausgemachte Wirksamkeit von rund 94,5 Prozent.

Das ist noch ein bisschen mehr als beim Biontech-Impfstoff, der mehr als 90 Prozent Effizienz für sein Mittel geltend machte. Noch geben es die Daten nicht her, inwiefern die Mittel genau gegen Ansteckung oder schweren Covid-19-Verlauf schützen. Aus der Wissenschaft sind erste Stimmen zu hören, die zeigen, dass mit so positiven und nahezu identischen Ergebnissen der beiden Hersteller nicht unbedingt zu rechnen war.

„Sehr aufregende Ergebnisse“: Fauci, Krammer und Lauterbach sind optimistisch

Der österreichische Virologe Florian Krammer zeigte sich, wie auch schon bei der Verkündung der Biontech-Ergebnisse, stark optimistisch. Der Professor an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York twitterte kurz nach Verkündung der Ergebnisse: „Liebe Welt, wir haben eine zweite Impfung.“

„Die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer sind sehr, sehr ähnlich und daher vergleichbar„, sagte Krammer gegenüber dem Science Media Center. „Ich habe erwartet, dass Moderna eine ähnliche Effizienz wie Pfizer erreicht und das ist eingetroffen. Man könnte sagen: Das Experiment wurde wiederholt und hat das gleiche Ergebnis erzielt.” Die Ergebnisse lieferten aber noch keine weiteren Anhaltspunkte zur Wirksamkeit in Risikogruppen. Da müsse man noch warten, die Datenlage sei noch nicht ausreichend.

Auch der renommierte US-Immunologe und Corona-Experte Anthony Fauci hat begeistert auf Daten des US-Pharmaunternehmens Moderna für dessen Corona-Impfstoff reagiert. „Das sind offensichtlich sehr aufregende Ergebnisse“, sagte Fauci nach Angaben des TV-Senders CNN. Moderna hatte am Montag mitgeteilt, dass Zwischenergebnisse eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent zeigten.

„Besser wird es nicht – 94,5 Prozent sind wirklich hervorragend“, so Fauci. Seiner Einschätzung zufolge könnten die ersten Impfungen in den USA im Dezember bei Hochrisikogruppen beginnen, der breite Rest der Bevölkerung könnte eher ab Ende April dran sein. „Und das wird in den Mai, Juni und Juli hineingehen. Das wird ein paar Monate dauern.“

„Heureka – ein guter Tag für die Wissenschaft und für den klinischen Kampf gegen Covid-19!„, frohlockt der Infektiologe Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. Die Ergebnisse ließen darauf schließen, dass durch mRNA-1273 circa 94,5 Prozent der Geimpften geschützt werden „oder anders ausgedrückt: nur einer von 18 Geimpften infiziert sich mit Sars-CoV-2″. Das sei vergleichbar mit der Effizienz des Biontech-Impfstoffes. „Es scheint sich jetzt zu verdichten: mRNA-Impfstoffe wirken als Substanzklasse und könnten die Trendwende in der Pandemie bringen“, sagt Wendtner.SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach macht mit dem Durchbruch Modernas Fortschritte in drei Bereichen aus, wie er auf Twitter schrieb: „1. MRNA-System wirkt allgemein. Mehr Impfstoffe kommen. 2. Einfachere Kühlung als Biontech. 3. Auch schwere Fälle wurden vermieden.“ Und er resümiert: „Besser geht es kaum. Damit hatte kein Experte gerechnet.“ Etwas verhaltener drückt sich der Virologe Hendrik Streeck von der Universität Bonn aus. Er spricht von „ersten optimistischen Daten“.

Moderna-Impfstoff: Kühlung nicht so anspruchsvoll wie bei Biontech

Worauf Lauterbach anspielt, ist zum einen die neue und noch nie zuvor am Menschen erprobte und zugelassene MRNA-Technologie, von der beide Impfstoffe Gebrauch machen. Solche Impfungen benötigen keinen Vektor, also kein Trägervirus. Stattdessen brauchen sie flüssige Nanopartikel, die einen Bauplan des Antigens beinhalten und die in einige Körperzellen gelangen müssen. Vorteile sind laut Paul-Ehrlich-Institut unter anderem die einfache Struktur der RNA und die Möglichkeit, in wenigen Wochen viele Millionen Impfdosen herzustellen.

Zudem spielt Lauterbach auf das logistische Problem bei der Impfstoffverteilung in der Bevölkerung vor Ort an. Der Impfstoff von Biontech und Pfizer muss in einer konstanten Kühlkette bei rund minus 70 Grad aufbewahrt werden, bevor er eingesetzt wird. Nach heutigem Stand könne der potenzielle Impfstoff, sobald er den Ort des Impfens erreicht hat, nicht länger als fünf Tage bei zwei bis acht Grad gelagert werden, so der Hersteller. Der Impfstoff von Moderna hingegen ist aufgrund einer synthetischen Verstärkung der RNA offenbar stabiler und deshalb weniger anspruchsvoll.Laut dem US-Konzern ist mRNA-1273 vergleichsweise lange bei normaler Kühlschranktemperatur in pharmazeutischen Gefrier- und Kühlschränken lagerbar. Man gehe davon aus, dass das Mittel 30 Tage lang bei Temperaturen von zwei bis acht Grad stabil bleibe. Bei minus 20 Grad Celsius könne der Impfstoff bis zu sechs Monate gelagert werden kann. Bei Raumtemperatur bleibe der Impfstoff bis zu zwölf Stunden stabil.

Corona-Impfstoff kommt – aber Winter wird hart

Die deutsche Virologin Isabella Eckerle, die am Universitätsklinikum in Genf forscht, bringt die Ergebnisse der Impfstoffforschung mit den derzeit diskutierten Maßnahmen in den europäischen Ländern in Verbindung. Sie twitterte: „Meine Botschaft zum Mit-nach-Hause-Nehmen heute: Die Impfstoffe werden kommen, aber vorher müssen wir noch ein paar harte kalte Monate überleben, in denen wir das Virus wirklich kontrollieren müssen, auch wenn es schwer ist und einige Opfer von uns allen erforderlich sind.“So oder so lägen anstrengende Monate vor uns, die allen wehtun. „Aber wenn jetzt alle Kontakte maximal reduzieren, sich an die Maßnahmen halten, man Winter und Weihnachten zu etwas Verzicht bereit ist, dann können wir Todesfälle und Klinikkollaps auf den letzten Metern vermeiden“, betont Eckerle.

Der Virologe Thomas Mertens sagte zuletzt gegenüber dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND), er halte es für extrem unwahrscheinlich, dass 2021 genügend Menschen geimpft werden, um ausreichend epidemiologische Effekte zu erzielen. „Das Ziel ist ja eine künstlich hergestellte Herdenimmunität: also dass genug Menschen eine Immunität aufweisen und dadurch die Virusausbreitung von alleine abnimmt“, erklärte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission. Es brauche dafür mindestens 50 bis 60 Millionen Geimpfte, also rund 60 Prozent der Bevölkerung. Die Bundesregierung hat derweil bereits einen detaillierten Plan vorgelegt, wie die Impfungen bundesweit organisiert werden sollen. Unter anderem soll es landesweit Impfzentren geben.