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„Ihr seid nicht immun“Hochwasser-Forscher aus Bangladesch gibt Deutschland fünf Tipps

Lesezeit 3 Minuten
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Menschen bringen sich in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka Anfang Juli 2021 vor den Fluten in Sicherheit.

Dhaka/Berlin – Der Klimaforscher Saleemul Huq traute seinen Augen kaum, als er dieser Tage in Bangladesch die Fernsehberichte aus Deutschland über die todbringenden Überschwemmungen verfolgte.

Huq hat schon viele Flutgebiete gesehen, rund um den Erdball. Der 68-Jährige ist Direktor des Internationalen Zentrums für Klimawandel und Entwicklung in Bangladesch. Berichte des Weltklimarats wurden von ihm mitverfasst. Derzeit sitzt er in Dhaka und blickt fassungslos auf Bilder aus dem Tal der Ahr in Rheinland-Pfalz, Germany.

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Flutkatastrophe 2015 in Bangladesch: Menschen versorgen sich mit Lebensmitteln.

„Verrückt und traurig zugleich“ sei das, was er da sehe, sagt Huq dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Wie, beispielsweise, kommen Menschen auf die Idee, sich noch in ihrem Keller aufzuhalten, während draußen schon Autos am Haus vorbeigeschwemmt werden? „Bei einer Flut wie dieser muss eigentlich kein einziger Mensch sterben.“

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Bangladesch, tief gelegen und sehr flach, meldete früher oft Tausende von Flutopfern. Im Laufe der letzten Jahrzehnte aber bekam das Land es hin, die Zahl der Opfer massiv zu reduzieren – trotz einer Tendenz zu immer stärkerem Hochwasser. „Fluten erleben wir hier nach wie vor“, sagt Huq. „Aber wir sterben darin nicht mehr.“ Seine Äußerungen lassen sich verdichten zu fünf Tipps für die Deutschen.

Bewusstsein für die Gefahr

Allzu lange, sagt Huq, hätten die Deutschen im Glauben gelebt, der Klimawandel gehe sie als reiches Volk in der Mitte Europas nicht viel an. „Wacht auf“, sagt Huq, „ihr seid nicht immun.“

Cell-Broadcast-Warnsystem

Dem Professor aus Bangladesh will nicht in den Kopf, warum Deutschland noch immer kein Cell-Broadcast-Warnsystem hat. Das System erlaubt es, in bestimmten Regionen jedem Mobiltelefonnutzer eine Warnmeldung zu senden – ob er will oder nicht und auch unabhängig davon, welche Apps er geladen hat.

Warnung durch Helfer vor Ort

In den letzten Stunden vor der Überflutung habe sich der Einsatz von Freiwilligen bewährt, die mit Megafonen Gefährdete warnen. „Wenn man das systematisch macht, ist wirklich niemand mehr in seinem Haus und es steht auch kein Auto mehr in Überflutungszonen.“

Resilientere Häuser

Huq rät, weniger in Kellerräume und mehr in Standsicherheit zu investieren.

Siedlungsgebiete prüfen

Auch wenn es schwerfalle, sagt Huq, müssten sich die Deutschen dem Gedanken öffnen, dass manche Zonen, die seit Jahrhunderten bewohnt sind, sich dazu in Zukunft nicht mehr eignen. „Die Extremwetterereignisse werden ja nicht weniger.“ Problematisch sei die auf den ersten Blick attraktive Bebauung flussnaher Gebiete in engen Tälern. In Großbritannien werde bereits offen über das Aufgeben ganzer Dörfer gesprochen, etwa im Fall der ungewöhnlich tief liegenden Küstengemeinde Fairbourne im Nordwesten von Wales. Auch in Deutschland dürfe man da nichts tabuisieren. Wer die Gefahren kleinrede, zahle am Ende den höheren Preis, finanziell wie menschlich.