„Historische Schuld“ DeutschlandsWarum Thunberg mit ihren Klima-Vorwürfen Recht hat
Glasgow – Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat in ihrem Klimapodcast „1,5 Grad“ mit der Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg über Deutschlands Rolle in der Klimakrise gesprochen. Neubauer hob dabei Deutschland als einen der Hauptverursacher der Erderhitzung hervor. Auch Thunberg betonte, die Bundesrepublik sei ein „großer globaler Akteur, wenn es um den Klimanotstand geht“.
Im Kampf gegen den Klimawandel habe Deutschland deshalb „eine große Verantwortung“ und mehr noch „eine historische Schuld zu begleichen“. Vier Gründe, warum Deutschland Verantwortung für die Klimakrise trägt.
Treibhausgasemissionen seit 1850
Dass Deutschland als eine der ältesten Industrienationen der Welt einen besonderen Anteil am Klimawandel hat, zeigt der Blick auf die ausgestoßenen Treibhausgase seit 1850. Wie das Bundesumweltministerium in einem Zahlenstück zum Klimaschutz aufzeigt, war Deutschland bis 2018 für 4,6 Prozent aller Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum verantwortlich. Eine Zahl, die im ersten Augenblick klein wirkt. Im internationalen Vergleich zeigt sich allerdings: Historisch gesehen haben nur die USA (24,1 Prozent), China (12,6 Prozent) und Russland (6,4 Prozent) mehr Treibhausgasemissionen verursacht.
Pro-Kopf-CO2-Emissionen
Im Jahr 2019 hatte Deutschland einen Anteil von 1,8 Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen. Auch diese Zahl scheint unbedeutend. Runter gebrochen auf die Pro-Kopf-CO2-Emissionen zeigt der Wert allerdings, dass jeder deutsche Staatsbürger in diesem Jahr durchschnittlich für 8,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid verantwortlich war. Im Vergleich: Der Durchschnitt in der EU (ohne Deutschland) lag im gleichen Jahr bei 7,7 Tonnen CO2 pro Kopf, weltweit sogar nur bei 4,9. Selbst der größte Klimasünder China lag mit 8,1 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Einwohner hinter Deutschland.
CO2-Emissionen im EU-Vergleich
Die vorangegangenen Fakten offenbaren bereits: Deutschland steht im EU-Vergleich nicht überraschend als größter Klimasünder da. Laut des internationalen Forschungsprojekts „Global Carbon Project“ war die Bundesrepublik im Jahr 2019 mit etwa 702 Megatonnen ausgestoßenem CO2 für knapp ein Viertel aller CO2-Emissionen der aktuellen EU-Mitgliedstaaten (ohne Großbritannien) verantwortlich. Dahinter folgen Italien (12 Prozent) sowie Frankreich und Polen mit einem Anteil von jeweils 11 Prozent.
Die größten EU-Klimasünder: Deutschland sechsmal dabei
Von den zehn größten Klimasündern in der EU kommen insgesamt im Jahr 2020 sechs Unternehmen aus Deutschland. Im Ranking der Organisation Transport & Environment (T&E) landeten hinter dem weltweit größten Braunkohlekraftwerk Belchatow in Polen (30,1 Megatonnen CO2) die deutschen Kohlekraftwerke Neurath (18,7), Niederaußem (13,6), Jänschwalde (11,9) und Weisweiler (11,5) auf den Plätzen zwei bis fünf. Mit 10,3 ausgestoßenen Megatonnen CO2 war das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe achtgrößter und das Kraftwerk Boxberg Werk IV zehntgrößter CO2-Sünder.
Diese Statistiken zeigen, dass Deutschland durchaus einen Einfluss auf die weltweite Klimakrise hat. Auch wenn dieser verhältnismäßig klein wirkt, hat Deutschland als eine der führenden Industrienationen eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz. Dieser versucht die Regierung bereits nachzukommen.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens Ende 2015 hat sich die Bundesrepublik dazu verpflichtet, seine Emissionen deutlich zu reduzieren, um die weltweite Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Mit dem Klimaschutzplan 2050 setzte sich die Bundesregierung das Ziel, bis 2030 die Emissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Das ist auch die Maßgabe des Europäischen Klimagesetzes, das Ende Juli in kraft trat und eine Klimaneutralität bis 2050 vorschreibt.
Verpasst Deutschland seine Klimaziele?
Seit Juni verfolgt die Bundesregierung sogar noch schärfere Ziele. Mit dem im Sommer geänderten Bundesklimaschutzgesetz will Deutschland bis 2030 sogar 65 Prozent Emissionen einsparen, 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.
Im März gab das Umweltbundesamt bekannt, dass im vergangenen Jahr die eigenen Klimaschutzziele erreicht werden konnten. Im Vergleich zu 1990 sanken die Emissionen 2020 um 40,8 Prozent. Dabei soll es vor allem Fortschritte in der Energiewirtschaft gegeben haben. Ein Drittel der Minderungen seien aber auf die Folgen der Bekämpfung der Corona-Pandemie zurückzuführen.
Wie Ende Oktober jedoch bekannt wurde, hat Deutschland die Klimaziele nicht in allen Punkten erreicht. Als einziges größeres EU-Land musste die Bundesrepublik sogenannter Emissionseinheiten zukaufen, um die Bilanz auszugleichen. Auch für die kommenden Jahre sehen die Prognosen nicht gut aus. Nach dem „Projektionsbericht 2021″ des Umweltministeriums wird Deutschland seine Klimaziele 2030 und 2040 offenbar verpassen.