„Ich glaube Putin“AfD-Kreischef verbreitet Kremlpropaganda
- Welche Haltung hat die AfD zum Krieg in der Ukraine?
- Der Chef eines Kreisverbandes westlich von Berlin positioniert sich seit Wochen deutlich: Er verbreitet pure Kremlpropaganda und das sorgt für Ärger in der Partei.
Welche Haltung hat die AfD zum Krieg in der Ukraine? Bundesweit sind die AfD und ihre Wählerschaft laut einer Umfrage des Thinktanks CeMAS gespalten. Knapp zwei Drittel der AfD-Anhänger sehen eine Hauptschuld Russlands für den Krieg. Ein gutes Drittel sieht diese bei Nato und den USA. Zu letzterem Drittel zählt sich der Vorsitzende eines AfD-Kreisverbandes im Westen von Berlin. Ulf Insel aus Brandenburg an der Havel steht dem 32-Mann-Verein vor und sagt: „Ich bin ein Russland-Fan und glaube Putin.“
Seit Anfang Mai ist Insel neuer Kreisvorsitzender der AfD. Durch die Neuwahl komme es „zu keiner politischen Richtungsänderung“, erklärte vor Tagen die AfD und betonte, sie wolle „ihren liberalen, wertkonservativen Kurs fortsetzen“. Insel ist Fraktionsgeschäftsführer und Vizechef der siebenköpfigen SVV-Fraktion, die von Axel Brösicke geführt wird.
Informationsquelle Russia Today
Wiederholt hat Ulf Insel, der mit einer Russin verheiratet war, auf Facebook den Krieg der Russen verteidigt. Meist bezog er sich auf Informationen des Senders „Russia Today“. So auch am letzten Montag.
Da schrieb er, das ukrainische Parlament plane, „Ukrainern, die das Land verlassen haben, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.“ Den ukrainischen Pass verlieren nach „Ansicht der Möchtegern-Gesetzgeber Personen, die nach dem 24. Februar nach Russland und in andere Länder ausgereist (...) sind.“
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Die Motivation, so Insel, der „Kiewer Machthaber ist klar: Sie wollen auf Teufel komm raus jeden Ukrainer unter Helm stellen. Und um dies durchzusetzen, stellen sie Kampfunwilligen in Aussicht, ihres Heimatlandes (...) beraubt zu werden.“ Und Insel weiß auch, wie die europäischen Regierungen ticken: „Wie wir wissen, begrüßen die Staats- und Regierungschefs der europäischen Länder den sprichwörtlichen Krieg bis zum letzten Blutstropfen des letzten Ukrainers.“
Ulf Insel: Die Ukraine ist der Feind
Ulf Insel weiß, wo sein Feind steht: „Die Millionen von Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, sind doch vor den durch Kiew entfesselten Feindseligkeiten geflohen. Es waren Selenskij und sein Tross, (…) die eine Offensive gegen die Menschen im Donbass vorbereiten – die Offensive, die der letzte Akt des Völkermords an der russischsprachigen Bevölkerung werden sollte.“
Vor dem Beschuss „von Kiews Truppen fliehen die Menschen – Frauen, Kinder, Alte, die der Schrecken des Krieges übermüde sind.“ Insel: „Die Tage des Kiewer Regimes sind gezählt – und in der neuen Ukraine, die nach Beendigung des Sondereinsatzes entstehen wird, werden derartige Gesetze keinerlei Rechtskraft haben“, schreibt er weiter.
Sie würden nur zum „Beweismittel im Gerichtsprozess“, der den Abgeordneten und Selenskij „selbst blüht.“ Das „rechte Gericht ist in greifbarer Nähe“, schreibt er weiter und er staunt, dass die Ukrainer „die eigene Deliktliste verlängern: In Kiew sitzen nicht einfach nur Verbrecher, sondern auch Idioten.“
Insel: „Meine private Meinung“
Im Übrigen seien „seit Beginn der Sonderoperation mehr als 1,3 Millionen Ukrainer nach Russland evakuiert worden oder geflohen.“ Man könne sicher sein: Diese Menschen hätten vom ukrainischen Gesetz nichts zu befürchten. Jeder, der Russland als Heimat betrachte, „ist vor der Willkür der ukrainischen Behörden zuverlässig geschützt.“ Bei Ukrainern, die nach Polen und in andere europäische Länder ausgereist seien, sei dies komplizierter. Insel: „Mal sehen, ob ’ihre Freunde, die Polacken’ (Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Taras Bulba, Kapitel 9) ihnen helfen werden.“
Gegenüber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ) sagt Ulf Insel am Mittwoch, „das ist meine private Meinung“. Der Westen habe „die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands nicht ernst genommen“.
In der AfD-Gliederung sorgen die Äußerungen für Entsetzen. Unterstützung bekam Insel in Gesprächen mit der Zeitung von niemandem, seinen Namen nennen wollte allerdings keiner. Eine Ausnahme bildet der Fraktionschef Axel Brösicke: „Ich bin ganz anderer Meinung. Russland ist der Aggressor, der die Ukraine überfallen hat!“ Er, Brösicke, wisse nicht, wie man mit Insel umgehen solle. Komme das Thema auf, gäbe es sofort Streit. Man versuche, den Krieg intern nicht zu thematisieren. Das bestätigt Insel.
Konfliktpotenzial ist groß bei der AfD
Allerdings hat der Konflikt das Potential, die AfD vor Ort zu zerreißen: Während Insel der Ukraine einen geplanten Völkermord unterstellt, ist Brösicke seit Monaten in der Ukraine-Flüchtlingshilfe aktiv. Im von ihm mitbereuten Sportzentrum in der Schillerstraße wohnen ukrainische Mütter und Kinder. „Von einer der Muttis hier ist vorige Woche der Bruder von Russen in seinem Land erschossen worden. Die Kinder weinen, vermissen ihre Väter. Da ist klar, wo ich stehe“, sagt Brösicke.
In der Lokalpolitik der Stadt streitet man noch um einen gemeinsamen Standpunkt in der Ukraine-Frage. Ursprünglich sollte im März auf Vorschlag der SPD ein Appell verabschiedet werden. Im Entwurf hieß es: Die Stadtverordnetenversammlung (SVV) „ist schockiert vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“. Die Stadtverordneten stünden „an der Seite der demokratischen Ukraine! (...) Millionen Menschen sind vor der russischen Aggression auf der Flucht. Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine!“
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„Ich hätte das unterschrieben“, sagt Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU). Doch schon im Ältestenrat fiel der Entwurf auf Intervention der Linken (Andreas Kutsche) und der Freien Wähler (Dirk Stieger) durch. Um sich nicht zu blamieren, wurde dann eine mit Reinhard-May-Zitaten gespickte butterweiche Erklärung verfasst. Darin heißt es: man „stehe an der Seite derer, die den russischen Krieg in der Ukraine und das unermessliche menschliche Leid der Bombardierung von Städten verurteilen. Mit unserem Appell für den Frieden (...) unterstützen wir den Friedensappell von russischer Wissenschaftlern vom 26.02.2022 und die Deklaration von 104 Nobelpreisträgern vom 04.03.2022, in der diese den russischen Präsidenten auffordern, die völkerrechtlichen Vereinbarungen zu achten, seine Streitkräfte zurückzurufen, Verhandlungen aufzunehmen und den Frieden herzustellen.“
Der Freie-Wähler-Fraktionschef Steiger, der diese Erklärung formulierte, sagte: Die Erklärung der SVV stelle „das Leid der Menschen in der Ukraine und unsere Hilfe und Unterstützung für die aus den Kriegsgebieten Geflüchteten abseits einseitiger Schuldzuweisungen in den Mittelpunkt“. Einseitige Schuldzuweisungen? Stieger bejahte: ihm fehle „die Zurückhaltung, die Folgen abschätzende Nachdenklichkeit, das Betrachten mit Augenmaß“. Er sehe eine „allzu schnelle Festlegung von Schuld und Verantwortung, ohne Entwicklungen und Hintergründe zu bedenken“.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“.