Die Bundesregierung wollte die Visavergabe für Erdbebenopfer mit Verwandten in Deutschland erleichtern. Trotzdem bleiben die Verfahren zu kompliziert.
Katastrophe in Syrien und der TürkeiVisavergabe für Erdbebenopfer verläuft schleppend
Die Ministerinnen wollen jetzt mal selber nachschauen. Am Dienstag reisen Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in die Erdbebenregion in der Türkei. Und auf dem Programm steht auch der Besuch einer wieder eröffneten Visastelle in dem besonders zerstörten Kahramanmaras.
Eigentlich sollen Betroffene von dort auch zu ihren Verwandten nach Deutschland reisen können. Aber nach dem Beben kommen die Hürden: Migrantenverbände und Flüchtlingshilfsorganisationen beklagen, das Verfahren sei kompliziert und wenig praktikabel. Nötig sind für die Visa nämlich zehn Dokumente.
Nicht alle sind in einem Katastrophengebiet leicht zu beschaffen, zumal wenn das eigene Haus eingestürzt ist. Wer kommen will, braucht unter anderem einen einen gültigen Reisepass, den Nachweis des bisherigen Wohnsitzes. Außerdem muss die persönliche Betroffenheit vom Erdbeben nachgewiesen werden. Die Verwandten in Deutschland müssen eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass sie während des maximal dreimonatigen Aufenthalts für alle Kosten aufkommen. Und dafür braucht es erstmal einen Termin bei den vielerorts notorisch überlasteten Ämtern.
Enge Zusammenarbeit mit türkischen Behörden gefordert
„Es stellt sich bei diesen schnell benötigten Visa die Frage, wie die Dokumentenbeschaffung für Betroffene in der Türkei ermöglicht werden kann“, sagte die Vizepräsidentin des Bundestages, Aydan Özoğuz (SPD), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Hier muss es eine enge und schnelle Zusammenarbeit mit türkischen Behörden geben. Denn wir müssen natürlich wissen, wer kommt, aber es kann nicht erwartet werden, verschüttete Pässe in den Trümmern zu suchen.“
Von den deutschen Ämtern forderte sie schnellere Verfahren: „Unsere Behörden, die bei normalen Visa schon sehr lange brauchen, müssen einen Modus finden, hier schneller zu arbeiten.“ Die Hilfe durch eine vorübergehende Aufnahme bei Verwandten in Deutschland solle „jetzt möglich sein und nicht erst nach vielen Monaten“.
Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, setzt auf mehr Geschwindigkeit: „Gegebenenfalls muss der Entscheidungsspielraum erweitert werden, um Verfahren zu beschleunigen“, sagte er dem RND. „Allerdings können nicht einfach alle Regeln des Familiennachzugs außer Kraft gesetzt werden“
In der aktuellen Situation zeigten sich „strukturelle Versäumnisse aus vielen Jahren, die nicht mal eben ausgeglichen werden können: Die personelle Ausstattung der Visastellen und Ausländerämter lässt schon seit längerem zu wünschen übrig.“ Das müsse jetzt mühsam aufgeholt werden. „Kurzfristig kann es da nur helfen, vorhandenes Personal umzuschichten und dringende Anträge wie die von Erdbebenopfern aus der Türkei vorrangig zu bearbeiten“, sagte Schmid.
Außer der Visa-Stelle wollen die deutschen Ministerinnen in Kahramanmaras eine Zeltstadt besuchen, in der Menschen untergebracht sind, die bei dem Erdbeben ihre Unterkunft verloren haben. Es gehe darum „den Menschen vor Ort Solidarität und Unterstützung“ zuzusichern, sagte ein Sprecher des Außenamts. Auf dem Flughafen Gaziantep wollen Baerbock und Faeser sich über den Transport von Hilfsgütern in die Türkei und nach Syrien informieren.
Offen ist noch, ob die Ministerinnen auch mit Vertretern der türkischen Regierung zusammentreffen. Ein Besuch im wegen Kämpfen schwer zugänglichen Erdbebengebiet in Syrien ist nicht geplant. Dort gestaltet sich die Visa-Vergabe noch schwieriger als in der Türkei.