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Kommentar

Ein COP im Polizeistaat
Warum diesen Klimagipfel niemand braucht

Lesezeit 3 Minuten
Mitglieder der Asiatischen Volksbewegung für Schulden und Entwicklung (APMDD) nehmen an einer Demonstration am Rande der UN-Klimakonferenz COP27 teil, um eine Aktion zur Finanzierung von Schäden und Verlusten zu fordern.

Protest auf dem sicheren Konferenzgelände: Klimaschützende fordern reiche Staaten auf, für Klimaschäden zu zahlen.

Mit der COP27 in Ägypten geht ein Weltklimagipfel zu Ende, der Menschenrechte mit Füßen tritt. Das Konzept Klimakonferenz muss nun dringend auf den Prüfstand, findet Maximilian Arnhold. Viel Zeit bleibt nicht.

Der 27. Weltklimagipfel, der an diesem Freitag offiziell enden sollte, geht als erneuter Albtraum eines Klimatreffens in die Geschichte ein. Als wüsste die Welt nicht, was im Kampf gegen die Klimakrise hilft, ringen die Regierungen bis nach Verhandlungsschluss in Scharm el Scheich um ein klares Bekenntnis zum Kohle-, Öl- und Gasausstieg im Abschlusskommuniqué.

Entschädigungen für Entwicklungsländer sind keine in Sicht – während viele Staaten wie Pakistan und Nigeria bereits im Klimachaos versinken. Noch nie war es auf einem Klimagipfel so schwierig, Protest zu äußern wie in Ägypten. Dabei ist klar: Niemand braucht einen Klimagipfel, der nicht die Menschen schützt.

Eine Klimakonferenz wie eine WM in Katar

Das Megaevent im touristischen Wüstenort weckt erstaunliche Parallelen zur am Sonntag startenden Fußball-WM in Katar: Vor und während der Konferenzzeit wurden nach Angaben von Menschenrechtlern fast 700 Menschen festgenommen. Meinungs- und Pressefreiheit sind weitgehend eingeschränkt, Demonstrationen nur auf einem umzäunten Parkplatz nach 36-stündiger Voranmeldung erlaubt. Klimaaktivisten, NGOs und Medienvertreter klagen über plötzliche hohe Aufpreise auf Übernachtungen, manch Teilnehmer campiert nachts auf der Straße. Die deutsche Delegation berichtet von Überwachung und Einschüchterungsversuchen seitens der Behörden.

Gesponsert wird der Gipfel gleichermaßen vom Getränkegiganten Coca-Cola, einem der größten Müllproduzenten des Planeten. Laut der NGO Global Witness tummelten sich auf der COP27 mehr als 630 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas – ein Viertel mehr als auf der Vorgängerkonferenz in Glasgow. So taucht etwa der Chef eines der größten Ölunternehmen der Welt (BP) in der Delegation eines der ärmsten Länder der Welt auf (Mauretanien). Das ist, als würden Vertreter der Tabakindustrie zur Lungenärzte-Tagung ins Krankenhaus kommen.

COP27: Kleine Erfolge gibt es

Und es kommt noch absurder: 2023 findet der Weltklimagipfel COP28 doch tatsächlich im ölreichen Dubai statt. Klimakonferenz: Der Fehler liegt im System Natürlich bietet sich auf den COPs zumindest theoretisch die Gelegenheit des Wandels. „Wenn man es will“, sagt die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, „kann hier de facto die Welt verändert werden.“ Kleine Erfolge gibt es immerhin: Die EU hat angekündigt, ihr Klimaziel zu verschärfen – Deutschland müsste dann sicher nachlegen. Brasiliens neuer Präsident Lula will künftig das Amazonasgebiet schützen.

Aber die Klimakonferenzen haben ein grundsätzliches Problem: Sollen sich fast 200 Länder einig werden, führt das dazu, dass immer die Bremser bestimmen. Selbst wenn alle bisherigen Versprechen der Staaten eingehalten werden, steuert die Welt bis Ende des Jahrhunderts auf 2,5 Grad Erhitzung zu. Inzwischen drängt die Zeit: Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge könnten vier Kipppunkte im Erdsystem bis 2030 erreicht sein, die das Klima unwiderruflich formen.

COP27 muss die Kehrtwende sein – so oder so

Die gute Nachricht ist: Für die Konferenzen gibt es Lösungen. Sie könnten zum Beispiel in New York am Hauptquartier der Vereinten Nationen stattfinden, wo die Staaten der Welt ohnehin Büros unterhalten, um sich Menschenrechtsverstöße und den absurden Wanderzirkus Tausender Anreisender zu sparen. Oder, wie Ex-Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mal vorschlug, auf einen zweijährigen Turnus umstellen.

Für politische Veränderungen braucht es ohnehin mehr als Klimakonferenzen. Wer die Welt retten will, muss massiven Druck auf die Politik ausüben. Mit Sekundenkleber und Tomatensuppe wird das kaum funktionieren. Es braucht kluge und vielfältige Protestformen, um Klimaschutz in den Köpfen und politischen Programmen zu verankern.